26 April 2006

Brasilien, das ewige Land der Zukunft?

Viele Firmen in Brasilien sind ISO 9000 etc. zertifiziert und praktizieren moderne Managementmethoden, die meistens Toyata zugeschrieben werden, auch wenn nebenbei bemerkt viele schon unter anderem Namen in Deutschland von Refa, RKW und ähnlichen Institutionen propagiert wurden, als Toyotas Autos noch nicht die Straßen der Welt befuhren. Eine der Methoden ist das Kontinuierliche Verbesserungswesen, vor allem in der Kfz-Industrie stark verbreitet. Was nicht verhindert, daß die vielgeschmähten USA einen Produktivitätsvorsprung haben, der von Brasiliens Industrie beim augenblicklichen Produktivitätszuwachs von 0,98 % pro Jahr erst in 400 Jahren eingeholt werden wird. Das ist die Aussage einer Studie der FIESP (Industrieverband von São Paulo). Wenn wir allerdings so wachsen würden wie zur Zeit Indien, würde die Produktivität der USA in 41 Jahren erreicht werden und mit dem Wachstum Chinas sogar in 20 Jahren. Wobei nicht klar hervorgeht, ob die USA dafür auf ihrem heutigen Produktivitätsniveau stehen bleiben müssen oder sich mit der augenblicklichen Produktivitätswachstumsrate weiterentwickeln dürfen.

Ob ja oder nein, warum solche katastrophalen Werte? Ausgangspunkt der Studie war der Beitrag der Industrie zum BIP (Wertschöpfung) im Verhältnis zur Beschäftigtenzahl, also nicht die physische Produktion geteilt durch die Anzahl der Mitarbeiter. Verglichen wurden 9 Länder, deren Produktivitätszuwächse zwischen 1996 und 2005 folgende Werte erreichten:

+ 148 % China
+ 70 % Indien
+ 48 % Südkorea
+ 35 % Russland
+ 23 % USA
+ 15 % Chile
+ 9 % Brasilien
+ 8 % Argentinien
- 13 % Mexiko

Ein großes Handicap Brasiliens ist seine Regierung, die 45 % mehr als der Durchschnitt der neun untersuchten Länder vom BIP für sich in Anspruch nimmt, natürlich mit hehren Motiven. Die Steuerlast ist 46 % höher und die Realzinsen 144 %. Dafür ist das mittlere Kreditinangebot für die Privatwirtschaft der neun Länder im Verhältnis zum BIP 77 % größer als das Brasiliens.

Die Studie bestätigt, daß die Industrie der Motor Brasiliens ist, jeder Prozentpunkt BIP-Wachstum entspricht 1,8 Prozentpunkte Industriewachstum. Die brasilianische Industrie verlor viel Boden zwischen 1982 und 1998, holt aber auf und hat heute einen Anteil von 24,19 % des BIP. Nur China (39,34 %) und Rußland (24,5 %) haben einen höheren Anteil.

Im Mittel wuchs die Produktivität der betrachteten neun Länder 3,78 % / a, Brasilien isoliert betrachtet lag bei 0,98 % / a. Damit Brasilien auf Dauer (oder, wie man jetzt sagt, nachhaltig) 5 % jährlich wachsen kann, müssen die Investitionen von heute 19 auf 25 % des BIP ansteigen, wenn dies bis 2010 erreicht werden soll, muß unsere brasilianische Industrie in diesem Zeitraum 1 Billionen US$ investieren. Die Frage ist, wo soll dieses Geld herkommen? Vielleicht wird sie vom nächsten Präsidenten beantwortet.

Gott hüte mich vor Sturm und Wind und den Deutschen, die im Ausland sind?

Nicht, wenn diese in Brasilien sind und dies schon viele, viele Jahre. Hier sind die Klagen groß über unverantwortliches Geldausgeben der Öffentlichen Hand und deren leere Kassen, verstärkt natürlich durch die Tatsache, daß dieses Jahr ein neuer Präsident gewählt wird. Aber es gibt eine rühmliche Ausnahme, das Städtchen São José do Hortêncio, in dessen (wenigen) Straßen oft Deutsch gesprochen wird, wie auch im Dienstzimmer des Bürgermeisters, der der 3.800 Einwohner zählenden Gemeinde vorsteht. Die Straßen sind sauber, die Gärten voller Blumen, es gibt keine Bettler und keine Arbeitslosen und alle schulpflichtigen Kinder sind dort, wo sie hingehören, in der Schule nämlich. Und dorthin kommen sie per Schulbus, alle! Die Gemeinde ist schuldenfrei (!!!), hat Geld in der Gemeindekasse, welches für acht Monate reicht und gibt für Löhne und Gehälter nur 25,8 % der Einnahmen aus. Alle Rechnungen werden sofort bezahlt und neue Projekte nur angepackt, wenn das Geld dafür da ist. Der Haushaltsetat für dieses Jahr beträgt 6,3 Mio. R$.

Und der Grund für diese beispielhafte Haltung, die man in vielen der insgesamt 38 Verwaltungsbezirken in Rio Grande do Sul antrifft, die unter den besten 100 Positionen, was die landesweite Haushaltsdisziplin angeht, zu finden sind? Man höre und staune, was die Brasilianer dazu sagen: (Originalton) „Germanische Disziplin!“ (disciplina germânica) und „Der Nachfahre deutscher Immigranten ist für seine Disziplin bekannt und für die gehorsame Befolgung der fiskalischen Vorschriften“! Na ja, manchmal auch für die Befolgung anderer Dinge, aber das soll nicht das Thema sein.

Der Stadtrat der oben zitierten Gemeinde mit nur 9 Stadtverordneten und einem Assessor verbraucht gerade mal 2 % des Budgets, ein weiteres Beispiel von Effizienz und Bescheidenheit.

Also, Gott hüte mich vor Sturm und Wind und den Deutschen, die nicht im Ausland sind?

20 April 2006

Was ist bloß mit meinem Kunden in Deutschland los?

Wer meinen Artikel „Sollen die Deutschen jetzt nach Brasilien auswandern?“ gelesen hat, kann jetzt meine Erklärung dazu lesen, warum unser Vaterland vielleicht so tief in der Misere steckt. Dazu Hinweise auf mögliche Ursachen.

Wir betreuen einen deutschen Kunden, der einige Tage in Brasilien weilt. Wir haben seine Reise vorbereitet, Termine und Hotelreservierungen gemacht, für Abholung vom Flugplatz gesorgt, haben auf einer Messe gedolmetscht und auch fachliche Beiträge bei seinen Akquisitionsbemühungen geleistet. Und dafür wollen wir natürlich ein angemessenes Honorar und den Ersatz unserer Auslagen, sehr oft z.B. für Inlandsflüge unseres Kunden, die wir reserviert und bezahlt haben. Und wenn wir dann eine Rechnung für von uns bereits bezahlte Beträge schicken, fängt das Warten an, nämlich auf den Zahlungseingang. Einige Firmen zahlen problemlos und sofort, andere brauchen einige (!!!) Monate für die Überweisung. Und reagieren noch unwirsch auf Mahnungen, die wir eigentlich immer sehr freundlich halten.

Ein Extremfall bezüglich der Behandlung von Kosten trat jetzt gerade auf. Ein Kunde, der dringend eine Referenz braucht, um für seine über 100.000 € teuren Anlagen einen Vertriebspartner zu finden, hat in Brasilien bisher nur einen einzigen Kunden, den aber am Vorzeigestandort Rio de Janeiro. Der Firmeneigentümer hat tausende von € mit einem von ihm auf einer teuren Delegationsreise (die tausende € beziehen sich auch auf diese Reise) gefundenen Vertriebspartner "verbraten", der sich als unbrauchbar herausstellte. Um einen Ersatz für diesen zu besorgen, wird eine Referenz gebraucht - in Rio vorhanden und dazu noch mit einer idealen Anwendung, die ich wegen der Identifizierung der Firma hier nicht nenne. Und diese Firma will die Kosten eines Fluges von São Paulo nach Rio und zurück nur tragen, wenn wir die Hälfte übernehmen! Und dieser Firma haben wir eine Anfrage aus Venezuela besorgt, ohne irgendwelche Akquisitionskosten.

Mit Geld haben es unsere deutschen Unternehmer häufig, das Problem nämlich, es sinnvoll auszugeben. Da wurden wir gerade gebeten, eine Messe zu besuchen und diese fachgerecht für den verhinderten Kunden auszuwerten sowie die gemachten Kontakte nachzuhalten. Und dann stellen wir fest, der Kunde ist keiner. Denn sowie dieser hörte, daß unsere Tätigkeit nicht kostenlos sei und wir auch nicht für eine Provision arbeiteten, sprang er ab, der Fastkunde! So nötig sei der Messebesuch eigentlich nicht.

Ein anderer Kunde schickt seinem neuen Händler Muster und läßt diese wieder abholen, trotz absehbarer Verkaufserfolge, weil die Bezahlung der Muster auf sich warten läßt. Dieser Unmut ist verständlich, aber die Radikalreaktion nicht, der Brasilianer setzt auf Dialog und nicht auf Konfrontation, die auch hier vorhandenen Betrüger mal ausgenommen, aber hier lag kein Betrugsfall vor, nur ein Mißverständnis. Übrigens wurde von uns ein Ersatz gefunden, dem dann, obwohl nicht er uns gesucht hatte, sondern wir ihn ansprachen, gesagt wurde, er sei doch nur auf das Geld der reichen deutschen Firma aus, (unausgesprochen: wie alle Brasilianer). Mit der anschließenden an mich gerichteten feinfühligen Bitte immerhin, diese Bemerkung lieber nicht zu übersetzen.

Wir neigen vielleicht in Brasiliern zu sehr dazu, zu glauben, daß unser Markt für unsere Kunden wichtig sei. Aber diese belehren uns eines Besseren, denn wie oft müssen wir Wochen auf ein Angebot warten! Und wie lange dauert es manchmal, einen Vertriebsvertrag unter Dach und Fach zu bringen, weil vom deutschen Partner keine Antwort kommt!

Und wie oft sind die Antworten ungetrübt von jeglicher Kompetenz! Da bekamen wir z.B. eine Rechnung für Muster für Handwerkzeuge mit Positionen wie 3 x 0,99 € = 3,00 € und auf unsere Reklamation hin wurde uns mitgeteilt, da hätte man eben aufgerundet. Wenn ich das dem Zollbeamten hier sage, lacht der sich tot. Und was nützt uns ein toter Zöllner? Schließlich soll er die Muster freigeben!

Ein anderes Beispiel, da kommt ein Exportleiter mit seiner Assistentin per Businessklasse nach Brasilien, geht in ein Fünfsternehotel und läßt sich von uns einen Vertreter vermitteln. Dieser verkauft in unserer Gegenwart zur Freude des Exportleiters auf einer Messe einen Container voll mit Konsumartikeln im Wert von ca. 25.000 €, leider aber an mehrere Einzelhändler und nicht an einen Großhändler. Und da der Exportleiter ausdrücklich einen Vertreter gesucht hat und keinen Importeur und der Vertreter natürlich nicht importieren will und der Exportleiter die Ware nur gegen Akkreditiv losschicken kann und die Einzelhändler für ihre 1.000 € - Aufträge keine Bankbürgschaft beibringen können ... Sie merken schon, wohin der Hase läuft! Ergebnis der ganzen Aktion war, daß nicht geliefert wurde, die Einzelhändler sich bei der flexibleren auch deutschen Konkurrenz eindeckten, der Exportleiter (planmäßig) pensioniert wurde und der Geschäftsführer seinen Job (nicht planmäßig) verlor, denn die Firma wurde kurz nach dieser Episode von einem nichtdeutschen Konkurrenten übernommen.

Purer Geiz oder freundlicher gesagt, das Sparen am falschem Platz, kein Mut zum kalkulierten unternehmerischen Risiko, machmal fehlende Kompetenz und Flexibilität, d.h. das rechthaberische oberlehrerhafte Beharren auf den eigenen Standpunkt, machen uns Deutschen das Leben oft unnötigerweise schwer. Und das wirkt sich natürlich in Deutschland aus, siehe FAZ.

Ich werde nächsten Montag in Campinas eine Vortrag vor brasilianischen Unternehmern halten, über die Art, mit Deutschen Geschäfte zu machen. Wenn ich ein Nestbeschmutzer wäre, könnte ich bei dieser Gelegenheit vom Leder ziehen. Aber keine Angst, ich werde von unseren Tugenden sprechen! Und die gibt es auch, glücklicherweise haben wir in der Mehrzahl Vorzeigekunden, deren Tugenden wir besingen können. Und das meine ich nicht ironisch. Und wenn Sie solche Kunden kennenlernen wollen, nennen ich Ihnen auch Namen, fragen Sie mich einfach! Aber fragen Sie nicht nach den anderen, die nenne ich natürlich nicht. Wie den der Firma, über deren Verlangen, einen Abnahmebeamten der Gesundheitsbehörde zum Geschäftsführer des Kunden zu bestellen, der gerade in Brasilien war, ich schon früher geschrieben habe.

Sollen die Deutschen jetzt nach Brasilien auswandern?

Wenn man am 8.10.2004 in der FAZ den Artikel mit der Überschrift „Standort: Niederschmetternde Bilanz und der letzte Platz für Deutschland“ und jetzt am 20.4.2006 den Folgeartikel „Standort: Deutschland behält die rote Laterne“ gelesen hat, ist man sicher versucht, sofort die Koffer zu packen. Aber bevor Sie die Reise nach Brasilien antreten, prüfen Sie zunächst die Flugpreise, die Lufthansa ist teuer, aber fliegt, die Varig ist billiger, aber pleite. Und die Verhältnisse in Brasilien sind auch nicht so paradiesisch, wie man sie sich beim Betrachten der schönen und bunten Reiseprospekte vorstellt. Ohne groß Zahlen zu nennen, die kennen Sie aus meinen früheren BRASILIEN AKTUELL - Beiträgen, möchten ich auf einige brasilienspezifische Probleme eingehen. ich weiß, damit schade ich mir selbst, denn damit schrecke ich die Kunden meiner Firma Eurolatina ab, die erwägen, sich beim Weg nach Brasilien von ihr helfen zu lassen. Aber besser, zwei unsichere Kantonisten springen ab und ein Realist macht über uns Geschäfte in Brasilien.

Fangen wir mit der Inflation an. Deutschland hat den T€, was hier nicht Tausend Euro, sondern Teuro heißen soll. Ich merke dies bei meinen häufigen Deutschlandaufenthalten, 1,00 DM = 1,00 € ist garnicht so weit hergeholt. Aber wir in Brasilien haben auch Inflation, in der Größenordnung von 5 % (Erinnern Sie sich noch? Ein SPD-Kanzler sagte es vor ca. 30 Jahren, lieber 5 % Inflation als 5 % Arbeitslosigkeit!) im Jahr, was hier aber im Gegensatz zu Deutschland zu den höchsten Realzinsen (sollte ich Wucherzinsen sagen?) führt. Und die haben mit weit über 100 % im Jahr nichts mit dem Leitzins von heute 15,75 % im Jahr zu tun.

Nehmen wir uns die Steuern vor. Neben der immensen Steuerbelastung in Brasilien kommt die hohe Komplexität des Steuersystems, welches für In- und Ausländer gleichermaßen schwierig zu durchschauen ist. Hier auf eine Reform zu warten, ist müßig wegen der widerstreitenden Interessen der zu involvierenden Politiker.

Und diese bilden das nächste Thema. Gestern wurde wieder ein Parlamentarier vom Vorwurf der Bestechlichkeit und Geldwäsche freigesprochen bzw. das Parlament folgte der Aufforderung seines Ethikausschusses nicht, diesem Abgeordneten das Mandat zu entziehen. Zwar stimmten mehr Angehörige des hohen Hauses dafür als dagegen, aber die Mindeststimmenanzahl wurde nicht erreicht, die für einen Mandatsentzug vorgeschrieben ist.

Paradoxerweise verwickelt sich die Regierung und die Partei des Präsidenten immer mehr in eine Folge von Korruptionsskandalen der schlimmsten Sorte, ohne daß das Image des Präsidenten angekratzt wird. Konformismus? Unwissenheit? Wer weiß!

Kriminalität und Arbeitslosigkeit sind weitere Probleme, dazu kommen eine prekäre Infrastruktur, eine - was die Lösung der erwähnten Probleme angeht - einfallslose Regierung, eine Sozialversicherung ohne Geld (deren Leistungen ohne Not an das Mindesteinkommen geknüpft sind), ein aufgeblähter Öffentlicher Dienst, eine nicht soziale, sondern eine völlig außer Kontrolle geratene sozialistische - anarchistische - kriminelle - kommunistische - trotzkistische - leninistische - stalinistische (suchen Sie sich aus, was Sie wollen, alle Begriffe passen) Agrarreformbewegung (die sogenannten Landlosen) und eine zum Teil beeinflußbare und äußerst langsame Justiz. Um Mißverständnissen vorzubeugen, ich habe absolut nichts gegen soziale Bewegungen! Im Gegenteil!

Und vergessen wir nicht die Streiks der Zöllner, der Bundespolizeibeamten, der Mitarbeiter der Gesundheitsbehörde ANVISA, der Lehrer ... wer arbeitet eigentlich noch hier?

Also, lieber in Deutschland bleiben? Wenn Sie mich fragen, ja, nämlich wenn Sie Auswanderungsgedanken haben und in Brasilien ohne Landes- und Sprachkenntnisse und ohne finanzielle Reserve von Null anfangen wollen. Das wäre ein Abenteuer, was Sie nicht eingehen sollten. Abgesehen davon, daß Brasilien kein Einwanderungsland mehr ist und es der Immigration Hürden entgegensetzt, die nicht einfach zu bewältigen sind.

Aber wenn Sie von Deutschland aus Geschäfte in Brasilien machen wollen, dann sollten Sie kommen. Denn im Gegensatz zu Deutschland wächst das Land und seine Bevölkerung, sind seine Bewohner trotz aller Misere lebensfroh und in ihrer Grundhaltung optimistisch, niemand streikt hier in der Privatwirtschaft für weniger Arbeitszeit - im Gegenteil, wer Arbeit hat, ist froh und versucht diese zu behalten! Und gute Geschäfte kann man machen, das können Ihnen die Chefs von ca. 1.300 Niederlassungen deutscher Firmen in Brasilien bestätigen. Sogar an der Börse gilt dies, auch hier kann man zumindestens jetzt im Schnitt mehr verdienen als in Deutschland. Also kommen Sie! Aber lassen Sie sich begleiten, man muß nicht ohne Not Risiken eingehen.

17 April 2006

Was ist nur mit meinem Handelsvertreter in Brasilien los?

Das habe sich schon viele frustrierte Exportleiter gefragt und dabei nicht bemerkt, daß die Antwort manchmal (aber nicht immer) durchaus in Deutschland zu suchen war. Dazu ein Beispiel aus dem "wahren Leben“:

Da bewirbt sich ein verzweifelter und verschuldeter Mensch bei einer deutschen Firma, weist auf sein eigenes Deutschsein hin, auf seine langjährige Brasilienerfahrung und auf seine brasilianische Frau, die in den USA studiert habe. Und so ein toller Mensch wird natürlich sofort als Vertreter verpflichtet. Aber leider hat er kein Geld, Kunden zu besuchen, denn sein altes Auto müßte vorher repariert werden und läuft leider nicht mit Wasser. Also zahlt die Firma einen Provisionsvorschuß. Und der Vertreter rennt los und weil er ja Geschäfte machen will, zu vierzig, fünfzig kleinen Firmen, denen er das Produkt anbietet. Leider, denn seine finanzielle Schieflage bedrängt ihn, solche Besuche ohne die richtige Vorbereitung zu machen und außerdem verwechselt er Quantität mit Qualität und Hänschen mit Hans. Und weil die kleinen Kunden natürlich nicht selbst importieren können oder wollen, geht der Vertreter dann auch auf Fragen ein, wie man den Import „vereinfachen“ oder „verbilligen“ könne, fliegt - auf Kosten der von ihm vertretenen Firma natürlich - nach Deutschland, um auf dem Rückweg die registrierungspflichtigen, aber natürlich nicht registrierten Gefahrenprodukte (!) mitzunehmen und zu hoffen, daß weder der Zollbeamte am Flughafen in Deutschland noch in Brasilien Fragen stellt. Und wenn dann die Ware - in Berlin von einer Spezialfirma entsprechend verpackt (Gefahrengut!) - endlich beim Vertreter ist, für den seine Firma noch Koffer kaufen mußte, kommt die Stornierung des Auftrages. Und das wiederholt sich dann dreimal. Um diese Aufträge, auch wenn sie sich nachher in Luft auflösten - überhaupt zu bekommen, hat unser fleißiger deutscher Vertreter viele, viele potentielle Kunden angeschrieben, auf Englisch. Weil man in Brasilien zwar Portugiesisch spricht, aber anders nicht gezeigt kann, daß das angetraute Eheweib in den USA Englisch gelernt hat. Und weil der Vertreter darauf und auf seine vielen gemachten (siehe die Anmerkung über Quantität und Qualität) Kontakte stolz ist, schickt er jede E-Mail in Kopie an seine Firma nach Deutschland, wo der Exportleiter und seine Mitarbeiter schier verzweifeln ob der Flut der E-Mails. Die natürlich nicht das gewünschte Resultat in Form von Aufträgen bringen. Und Nachfragen frustrieren jetzt wieder den Vertreter, der erstens ständig nach weiteren Vorschüssen (die wohl eher Zuschüsse sind) fragt und zweitens nicht versteht, daß Fleiß ohne Ergebnis nicht ausreichend ist, um eine Firma (und ihre Vertreter) am Leben zu halten.

Und die Moral dieser wahren Geschichte? Erstens, keine verzweifelten Überlebungskünstler einstellen, nur weil diese die Sprache der Mitarbeiter der zu vertretenden Firma sprechen und in ihrer Verzweiflung auf jede Bedingung eingehen. Zweitens, von jedem Vertreteraspiranten Referenzen und Branchenkenntnisse verlangen und diese auch prüfen. Drittens, vor Vertragsabschluß um einen Aktivitätenplan für die ersten zwölf Monate bitten mit Verkaufsprognose und, falls angebracht, Angabe der Zielkunden (z.B. bei Produkten aus dem Maschinen- und Anlagenbau mit wenigen potentiellen Abnehmern). Viertens auf jeden Fall Anweisungen an den Vertreter unterlassen und keine Berichtspflicht etablieren, um kein Arbeitsverhältnis zu schaffen, was bei einer Trennung teuer werden kann. Und fünftens (last, but not least) die Arbeitsergebnisse = Auftragseingang überwachen und den Vertreter wechseln, wenn die vermittelten Aufträge nicht der Erwartung und den vereinbarten Vorgaben entsprechen. Und dabei nicht vergessen, sich selbst gegenüber ehrlich zu sein, wenn die Ergebnisse auf sich warten lassen und zu fragen, ob man dem Vertreter, der alle Voraussetzungen mitgebracht hat, auch wirklich die nötige Unterstützung hat angedeihen lassen. Solche Unterstützung umfaßt u.a. Schulung, schnelle Erstellung von Angeboten, noch schnellere Beantwortung von Fragen des Vertreters, das Zurverfügungstellen von portugiesischen Produktunterlagen, vom Preis, den Funktionen und dem Aussehen her wettbewerbsfähige Produkte, die schnelle und möglichst lokale Lieferfähigkeit und unkompliziert verfügbaren guten Kundendienst.

Übrigens sollte man auch nicht vergessen, daß es auch in Brasilien ein Handelsvertretergesetz gibt und daß Klauseln mit dem Verzicht auf Abfindung bei Auflösung eines Vertretungsverhältnisses nicht verhindern, daß der Vertreter bei einer Klage trotz seiner Unterschrift unter der Verzichtserklärung Erfolg hat! Und wenn er zeigen kann, daß er die Marke im Lande bekanntgemacht und aufgebaut hat, wählen solche Vertriebs“partner“ durchaus auch den Klageweg, um dafür eine nachträgliche Vergütung von der einst vertretenen Firma zu bekommen. Also lieber - zumindestens anfänglich - nur ein zeitlich begrenztes Vertretungsverhältnis eingehen mit einer an Bedingungen gebundene Verlängerungsoption, aber - wenn man Zweifel hat - ohne automatische Verlängerung. Das sieht natürlich anders aus, wenn man den von der Konkurrenz umworbenen Starvertreter verpflichten möchte - aber der muß erst gefunden, umworben und dann abgeworben werden!

Brasiliengeschäft über Handelsvertreter

Viele, leider zuviele Firmen möchten ihren Export nach Brasilien allein über Handelsvertreter abwickeln. Und suchen dann einen engagierten Mann, der nach Möglichkeit ausschließlich die Produkte der Firma an den Mann bringen soll. Wenn dieser der Firma seine ganze Arbeitszeit widmen soll, will er natürlich bezahlt werden, denn von der meist erst Monate später einsetzenden Provisionszahlung kann er bei Arbeitsaufnahme nicht leben. Aber die Firma will erst Erfolge sehen und will oder kann nicht investieren. Und der künftige Vertreter kann noch nicht verkaufen, weil er keine Ahnung von den Produkten hat und ihm die landesspezifischen Vertriebsunterlagen fehlen, die er seinen Kunden in die Hand drücken muß, um Aussicht auf Aufträge zu haben. Also besser eine gutgehende Vertretungsfirma beauftragen und keinen Einzelkämpfer? Der sowieso arbeitslos ist und die angebotene Vertretung nur als vorübergehenden Notbehelf ansieht? Und der oft, wenn man ihn ersetzt, weil er sich auf seinem widerstrebend gewährtem Fixum ausgeruht hat, die Firma noch verklagt und Scheinselbständigkeit vorgibt! Solche Firmen gibt es natürlich, aber die sind meist wenig interessiert an zusätzlicher Arbeit mit unsicherem Ertragserfolg. Und sehen auch nicht ein, warum sie in den Aufbau einer Marke und von Vertriebswegen investieren sollen, wenn es der Fabrikant nicht macht. Und deshalb für den Fall der Vertragsauflösung eine Kompensation für ihre Bemühungen fordern und diese auch vertraglich zugesichert haben wollen. Also besser einen Vertragshändler suchen? Aber auf den hat der Fabrikant natürlich wenig Einfluß, wenn die Produkte nicht laufen, bleiben die Aufträge weg und der Fabrikant guckt in die Röhre. Und die Kosten des Markenaufbaues will auch der Händler im Fall des Falles ersetzt haben, der Streit ist also schon vorprogrammiert.

Was sollte man also machen, wenn man als Mittelständler in Brasilien Fuß fassen will und nicht über die Ressourcen eines Konzerns verfügt?

Zunächst sollte sich die Firma, egal, wo sie in Deutschland ihren Sitz hat, den Eintritt in den Firmenpool Brasilien / Mercosur der IHK Essen überlegen, Informationen gibt es unter http://www.eurolatinainternational.com.br/Pool_Flyer.pdf. Aber unabhängig davon sind folgende Schritte nötig und empfehlenswert:

1. Prüfen Sie das Umsatz- und vor allem das Gewinnpotential des Brasiliengeschäftes, d.h. informieren Sie sich über Ihre Absatzchancen, lassen Sie sich die die landed cost ausrechnen, sehen Sie sich die Konkurrenz und ihre Preise an und prüfen Sie, ob es sich um lokal hergestellte oder importierte (Importstatistik!) Produkte handelt, vergessen Sie auch nicht etwaige gesetzliche Hürden für Ihre Produkte (z.B. durchaus teure Registrierungspflicht medizintechnischer Geräte)!
2. Mit diesen Daten können Sie abwägen, ob sich das Geschäft wirklich lohnen wird. Wenn dies der Fall ist, bestimmen Sie, wieviel Geld Sie für den Geschäftsaufbau einsetzen wollen in Abhängigkeit von Ihrer Liquidität, Ihrem Verschuldungsgrad und Ihrer Bonitätseinschätzung durch Fremdkapitalgeber sowie der von Ihnen erwarteten Geldrückflußzeit. Und wenn das Geld nicht zur Verfügung steht, lassen die Finger weg von Brasilien. Versuchen Sie keine Billiglösung, die wird am Ende zu teuer!!!
3. Wenn Sie sich entschieden haben, einen Betrag x in die Hand zu nehmen, dann können Sie ermitteln lassen, was die Alternativen Vertreter, Vertretungsfirma, Händler und eigene Vertriebsfirma kosten, welche Vor- und Nachteile jede Lösung hat und welche Risisken mit ihr verbunden sind und sie bezüglich des Ergebnisses durchrechnen( lassen). Und vergessen Sie nicht die Alternative Lizenzvergabe.
4. Und wenn Ihnen diese Daten vorliegen, dann besuchen Sie vielleicht eine Messe, sprechen mit potentiellen Vertriebspartnern, Lizenznehmern und Kunden und entscheiden dann aufgrund Ihres eigenen Eindruckes, wann Sie was mit wem machen wollen. Und wenn Sie dies, was immer es ist, dann tun, bleiben Sie am Ball, kontrollieren Sie vor Ort den Fortschritt und greifen Sie rechtzeitig ein, wenn das Projekt aus dem Ruder läuft.

Und wenn Sie dazu Hilfe im Lande brauchen, sprechen Sie mich per E-mail karlheinz.naumann@eurolatinainternational.com.br an oder rufen Sie mich unter +55-11-5666 8266 (Büro) oder +55-11-8111 8267 (Mobiltelefon) an. Sie greifen auf die Erfahrung von ca. hundert Projekten "Geschäftspartnervermittlung" zurück!

15 April 2006

Erfolgreich informieren

Korrekte, aktuelle, umfassende und relevante Information ist Voraussetzung für geschäftlichen Erfolg. Manchmal ist es dabei schwieriger, die richtigen Fragen zu stellen, als Information zu erhalten, denn das Internet stellt heute eine Informationsflut zur Verfügung, in der der Suchende zu ersticken droht. Wichtig ist also, die relevante Information für die anstehende Entscheidung zu erkennen und dann die richtige Entscheidung zu treffen.

EUROLATINA hilft Ihnen dabei. Sagen Sie uns, welche Entscheidung Sie treffen möchten und welche Information Ihnen dazu noch fehlt. Wir suchen die Information, bereiten sie nötigenfalls für Sie auf und prüfen, ob Sie damit Ihre Entscheidung treffen können. Gegebenenfalls empfehlen wir die Berücksichtigung weiterer Information und eine Risikoanalyse.

Sie können bei uns mit Schwerpunkt Brasilien allgemeine Länderinformationen abrufen, aber auch spezifische Informationen volkswirtschaftlicher und betriebswirtschaftlicher Art mit Statistiken und Trends bis hin zu Daten über Branchen und einzelnen Firmen. Dazu gehören auch Hinweise zum Vorgehen beim Export nach Südamerika, bei der Gründung und Führung einer Firma bis hin zum Inkasso bei zahlungsunwilligen Kunden und so spezielle Information wie die Berechnung von landed cost nach Vorgabe von Warentarifnummer und cif - Kosten, die Ermittlung von Konkurrenzpreisen und die Aufstellung von Importstatistiken.

Eine Kostprobe können Sie hier in BRASILIEN AKTUELL lesen. Bitte fordern Sie Ihre maßgeschneiderte Information bei EUROLATINA an, ich machen Ihnen gerne ein Angebot.

11 April 2006

Firmenpoolmitglieder tauschen Informationen über Brasilien aus

Heute ist ein besonderer Tag, an ihm wurde nämlich die BRASILPOOL - Gruppe geschaffen. Mitglieder können alle aktuellen und ehemaligen Mitglieder des von mir aufgebauten und geleiteten Firmenpools Brasilien / Mercosur der IHK Essen werden, der seit 1997 besteht. Über den Firmenpool, der für kleine und mittlere deutsche Firmen gedacht ist, die in Südamerika und hier speziell in Brasilien Fuß fassen wollen, erteile ich gerne Auskunft, Informationen können aber auch im Eurolatinasite http://www.eurolatinainternational.com.br aufgerufen oder von Herrn Tobias Slomke, dem Poolbetreuer der IHK Essen, angefordert werden. Herr Slomke hat die E-Mail-Adresse slomke@essen.ihk.de. Die BRASILPOOL - Gruppe ist eine Kommunikationsmöglichkeit, die von Apple, dem von mir bevorzugtem Computer- und Programmhersteller, als Teil des .Mac - Accounts angeboten wird. Gruppenmitglieder können hier umfangreiche Brasilieninformationen einsehen und sich z.B. über Beratungstermine des Poolmanagers in Deutschland oder Messetermine in Brasilien informieren. Sie können aber auch selbst Beiträge schreiben und zur Einsicht der anderen Mitglieder veröffentlichen, damit wird ein reger Gedanken- und Erfahrungsaustausch möglich. Das wiederum führt zu vermindertem Risiko beim Markteintritt in Brasilien und zur Möglichkeit, bei während der Marktbearbeitung auftretenden Problemen andere Gruppenmitglieder um Ihre Meinung oder Hilfe zu bitten.

Übrigens, wenn Sie in die Überschrift klicken, kommen Sie zur Außenwirtschaftsseite der IHK Essen und von dort weiter zum Firmenpool!

Brasilien überholt Italien beim Produktivitätswachstum...

...liegt aber nur auf Platz 22 einer Liste von 23 Ländern, die von der Confederação Nacional da Indústria - CNI veröffentlicht wurde. Das erinnert mich an den Witz vom Wettlauf zwischen Kennedy und Chrutschov, bei dem Kennedy natürlich trotz seiner chronischen Rückenschmerzen gewann. Die Prawda schrieb dazu folgende Schlagzeile: "Historischer Wettlauf, sowjetischer Präsident wird Zweiter, US-Präsident nur Vorletzter”. Die Liste des mittleren jährlichen Produktivitätszuwachses im Zeitraum 2001 bis 2005 sieht so aus:

Indien 10,1 %
Singapur 8,2 %
Malaysia 6,9 %
Thailand 6,2 %
USA 6,1 %
Südkorea 6,0 %
Schweden 5,5 %
Japan 5,3 %
Taiwan 4,3 %
Großbritannien 3,9 %
Hong Kong 3,7 %
Mexiko 3,6 %
Belgien 3,3 %
Deutschland 2,6 %
Australien 2,4 %
Norwegen 2,4 %
Holland 2,3 %
Argentinien 2,2 %
Kanada 1,5 %
Dänemark 1,4 %
Brasilien 1,3 %
Italien - 0,9 %

In der Zeit von 1996 bis 2000 (erinnert uns Ältere an die berüchtigten Fünfjahrespläne der verflossenen UdSSR und “DDR”) lag Brasilien noch mit 5,9 % auf dem vierten Platz. In den fünf davor liegenden Jahren betrug der Wert sogar 7,2 %.

Die CNI berechnet den Produktivitätsindex als Verhältnis der Produktion zur Mitarbeiteranzahl oder zur Summe der gearbeiteten Stunden.

Folge der schlechten Plazierung (Bitte bloß nicht “Platzierung”! Sonst platzen die Anhänger der alten bewährten Rechtschreibung vor Enttäuschung!) kann der weitere Rückgang des Exportes von Schuhen und Textilien sein, bei deren Herstellung noch viel Handarbeit eingesetzt wird. Denn wenn wir so weiter machen, verlieren wir weiter an Wettbewerbsfähigkeit, nachdem der starke Real auch nicht gerade beim Export hilft.

Übrigens mußte ich heute einen deutschen Anstellungsvertrag für einen brasilianischen Mitarbeiter begutachten. Was für ein Glück, daß ich in Brasilien arbeiten darf. Und dabei habe ich immer geglaubt, wir hier seien die Bürokratieweltmeister! Weit gefehlt, armes Deutschland! Und die staatlich verordnete Bürokratie beeinflußt die Wettbewerbsfähigkeit erheblich! Kein Wunder, daß die Unternehmungslustigen, die dazu eine Möglichkeit haben, auswandern und Deutschland den Einwanderungswilligen überlassen! Und wenn Deutschland in Kürze durch China in der Exportrangliste abgelöst werden wird...

08 April 2006

Brasilien wird doch kein duty free - Laden, rückt aber auf Platz 11 der weltweiten BIP - Skala!

Der neue Finanzminister Guido Mantega verfolgt zur Freude der brasilianischen Industrie nicht die Linie seines gestürzten Vorgängers Palocci, der über Zollsenkungen die Wirtschaftlichkeit der einheimischen Industrie erhöhen (Friß, Vogel, oder stirb!) und die Zinsen senken wollte. Der mittlere gemeinsame Zollsatz der Mercosurstaaten beträgt 14 %, der mittlere Zollsatz auf Industriegüter nur 10,8 %, das ist im Vergleich mit China (9 %) und Rußland (9,5 %) nicht übermäßig hoch, der Wert für Indien ist mit 13 % und der Mexikos mit 17 % wesentlich höher. Und der aufgewertete Real tut ein Übriges, um den Import zu begünstigen, auch ohne weitere Zollsenkungen.

Und diese Aufwertung hat zur Folge, daß Brasilien mit einem BIP von 796 Mrd. US$ (1,9 Billionen R$) in 2005 unverdientermaßen den elften (2004 den fünfzehnten) Platz der Weltrangliste einnimmt. Laut Austin Rating sieht diese Liste so aus (Werte in Mrd. US$):

12.452,4 USA
4.672,3 Japan
2.799,8 Deutschland
2.196,8 Großbritannien
2.113,4 Frankreich
1.909.7 China
1.718,9 Italien
1.124,5 Spanien
1.106,2 Kanada
799,7 Südkorea
796,0 Brasilien
772,1 Rußland
758,1 Mexiko
746,1 Indien
683,8 Australien

Das Wirtschaftswachstum von 2,3 % trug den kleineren Teil zur Verbesserung der Position Brasiliens bei. Das BIP Brasiliens von 2005 stammt zu 985,3 Mrd. R$ aus dem Dienstleistungssektor, zu 690,6 Mrd. R$ aus der Industrie und zu 145,8 Mrd. R$ aus der Landwirtschaft und Viehzucht. Dazu kommen 209,1 Mrd. R$ Produktsteuern, außerdem müssen von der Summe noch 93,2 Mrd. R$ Sifim abgezogen werden, um eine Doppelzählung zu vermeiden, denn diese “Dienstleistungen für Finanzvermittlungen” sind bereits in den Sektorwerten enthalten. Wichtig zu vermerken sind der Rückgang des Anteiles der Landwirtschaft und Viehzucht und die Dominanz des Dienstleistungssektors, die die Rolle Brasiliens als Schwellenland unterstreicht. Oder wie es deutsche Kunden von mir ausdrückten: “Brasilien, das Forschungs- und Entwicklungsland”.

Preisfrage: Wer fliegt höher, der brasilianische Astronaut oder die Schuldzinsen in seinem Land?

Ende Februar zahlte Otto Normalverbraucher für seinen Kredit 68,6 % im Jahr, wenn er seinen Kontokorrentkredit in Anspruch nahm, sogar 146,8 % und nur, wenn er ein Auto finanzierte, lag der Zinssatz bei “nur” 35,2 %. Juristische Personen bekamen einen Kredit für 31,6 %. Der brasilianische Astronaut flog übrigens am 8. April zurück zur Erde, aber die Zinsen sind immer noch oben. Dabei heißt es doch, runter kommen sie immer?! Gilt wohl nur für Flugzeuge.

Import oder lokale Produktion?

Diese Frage stellen sich viele Firmen in Brasilien und der starke Real scheint auf den Import hinzudeuten, aber wer sich die Belastung der Importe mit Steuern, Gebühren und Abgaben ansieht, kommt ins Schwanken. Wer im Ausland ein Notebook kauft und es auf dem Rückweg beim brasilianischem Zoll angibt, zahlt auf den 500 US$ übersteigenden Wert 50 % Zoll. Wenn er nicht sein Kontingent von 500 US$ bei der Rückkehr durch andere Mitbringsel schon aufgebraucht hat, dann wird es richtig teuer! Der koreanische Notebookhersteller LG hat die Frage für sich entschieden und wird ab Juni 2006 in Taubaté drei Notebookmodelle herstellen, anfänglich 3.000 pro Monat, zum Jahresende sollen dann 5.000 Einheiten monatlich erreicht werden. LG verkauft heute 5 importierte Notebookmodelle in Brasilien.

In Taubaté im Bundesstaat São Paulo stellt die Firma bereits Mobiltelefone und Monitore her. Weiße Ware soll wie bisher importiert werden, während die lokale Produktion von Fernsehern in der Freihandelszone von Manaus weiter ausgebaut wird. Dort wurde eine zweite Produktionsstätte in Betrieb genommen, sie erforderte 40 Mio. US$ Investitionen und in ihr stellen 900 Mitarbeiter Fernseher mit Plasma- und LCD-Bildschirmen her, gerade richtig zur Fußballweltmeisterschaft. Beide Produktionsstätten in Manaus verfügen jetzt zusammen über eine Produktionskapazität von 3 Mio. Einheiten jährlich. Von den 150.000 Plasmafernsehern, die 2006 in Brasilien voraussichtlich verkauft werden, will LG 100.000 liefern. Der Umwachs von LG wird 2006 um 38 % auf 1,8 Mrd. US$ wachsen. 2005 betrug das Umsatzwachstum 57%. Übrigens hat man bereits einen 71 Zoll-Plasmafernseher verkauft. Ein solcher Fernseher, allerdings vergoldet (!), kostet immerhin 300.000 R$, dafür bekommt man in Brasilien schon eine schöne Eigentumswohnung oder ein Haus. Kein Wunder, daß ein Firmenvertreter sagte, daß der brasilianische Markt für Luxusgüter “eindrucksvoll” sei.

Und die Moral dieser Geschichte für deutsche Firmen, die in Brasilien ihre Ware verkaufen möchten? Klotzen, nicht kleckern! Aber das schreibe ich wohl vergeblich, denn die meisten deutschen Firmen, die ich kenne, suchen nur einen Händler, der mit Bankbürgschaft abgesichert importiert und auf eigene Rechnung verkauft. Und das Risiko des Markteintrittes übernimmt. Das ist zwar für den deutschen Exporteur billig, bringt ihm aber auch meist wenig, nach dem Motto “Von Nichts kommt Nichts!”.