30 Juni 2010

Lebensqualität

IBM hat Autofahrer auf fünf Kontinenten in 20 Städten gefragt, was sie vom Verkehr in ihrer Stadt halten und welche Auswirkungen dieser auf ihr Leben hat. Die Antwort ist nicht gut für drei der vier Grossstädte, in denen ich in meinem Leben wohnte: Berlin, São Paulo, Johannesburg und Mexiko Stadt. Auf einer Rangliste der wirtschaftlichen und emotionalen Kosten des täglichen Arbeitsweges rangiert zwar das mir nicht bekannte Peking mit 99 von 100 möglichen Punkten auf dem ersten und schlechtesten Platz, aber Mexiko Stadt kommt mit gleicher Punktzahl direkt dahinter, gefolgt von Johannesburg und drei Plätze danach São Paulo:
  1. 99: Peking
  2. 99: Mexiko Stadt
  3. 97: Johannesburg
  4. 84: Moskau
  5. 81: Neu Delhi
  6. 75: São Paulo
  7. 52: Mailand
  8. 50: Buenos Aires
  9. 48: Madrid
  10. 36: London
  11. 36: Paris
  12. 32: Toronto
  13. 25: Amsterdam
  14. 25: Los Angeles
  15. 24: Berlin
  16. 23: Montreal
  17. 19: New York
  18. 17: Houston
  19. 17: Melbourne
  20. 15: Stockholm
Nur meine Geburtsstadt Berlin schneidet gut ab. Aber ich habe die Konsequenzen aus der Bewertung, ohne diese zu kenne, schon vor Jahren gezogen und habe mein Büro aus der Innenstadt São Paulos in die unmittelbare Nähe meiner Wohnung verlegt.

29 Juni 2010

Schulden

Ebenfalls aus dem heutigen "O Estado de São Paulo":
Hier wird die Relation der Gesamtverschuldung einiger Länder mit Bezug auf das BIP gezeigt. wobei die Schulden die der Öffentlichen Hand und die private Verschuldung umfassen. Ein weiterer Beweis dafür, dass Brasilien weniger Entwicklungsland als Deutschland ist? Diese Zahlen sind unglaublich! Aber die Quellen sind ernstzunehmen!



Rentenalter und Beitragszahlung

Die folgende Tabelle aus dem "Estado de São Paulo" von heute trägt die schöne Überschrift: Die Last des Alterns:
In Brasilien, steht als Erklärung, gibt es kein Mindestalter für die Pensionierung, was natürlich das Defizit der Rentenversicherung erhöht. Der Beitragssatz ist mit 31 % aber auch höher als der deutsche, der laut Tabelle nur 19,9 % beträgt.

Zum Thema passt - typisch für unsere brasilianischen Politiker - dass u.a. Richter als Pension einfach ihre bisherigen Bezüge zu 100 % weitererhalten sollen. Diese Regelung galt schon, wurde aber in einer schüchternen Reform vom Dezember 2003 aufgehoben. Zwei Senatoren der Opposition wollen sich mit diesem zeitgemäßen Antrag, der eher zum aktuellen Präsidenten passt, wahrscheinlich wieder lieb Kind bei der Justiz machen.

Wer sich bei uns zur Ruhe setzen will, muss als Frau 30, als Mann 35 Jahre lang Beiträge zur Rentenversicherung gezahlt haben. Wer mit 15 anfängt zu arbeiten, ist als Frau also mit 45 Jahre pensionsreif, als Mann mit 50. Zur Zeit haben wir in Brasilien 19,3 Millionen Mitbürger über 60 Jahre, 2050 wahrscheinlich aber 64 Millionen. Ob wir dann noch Rente zahlen werden ohne Erhöhung des Beitragssatzes? Im Mittel sind die Rentenantragstellerinnen heute 52 und die -antragsteller 54 Jahre alt. Und wir wollen in Deutschland künftig das Rentenalter für Männer auf 67 Jahre erhöhen! Es scheint, Deutschland ist das Entwicklungsland!

Er fällt und fällt und fällt ... der €!

Und der R$ wird jeden Tag stärker!

25 Juni 2010

Wochenbericht der AHK São Paulo

Wochenbericht vom 24.6.2010

22 Juni 2010

Petrobrás - Businessplan 2010 - 2014; Vale und schwacher €

Hier können Sie den neuesten Petrobrás - Businessplan herunterladen und, da er in Englisch abgefasst ist, auch verstehen. Die Lektüre lohnt sich!

Übrigens hat VALE Investitionen in Höhe von 90 Mrd. US$ bis 2014 angekündigt, damit soll u.a. die Eisenerzförderkapazität von heute 300 auf 450 Mio. to im Jahr gesteigert werden. Es tut sich was in Brasilien!!!

Die Abwärtsfahrt des € ist immer noch nicht zu Ende, er lag heute bei 2,1671 R$!

21 Juni 2010

Petrobrás kündigt enorme Investitionen an - 224 Mrd. US$ bis 2014!

Bis Ende 2014 sind es noch 54 Monate bzw. 1.642 Tage; also investiert Petrobrás im Mittel 136 Mio. US$ täglich! So ein Tagesdurchschnitt wäre für viele KMUs ein schöner Jahresumsatz! 54 % der Investitionen sind für die Erdöl- und -gassuche und -förderung bestimmt, weitere 30 % für Raffinerien, Transport und Vertrieb. 95 % der Mittel sind für den heimischen Markt bestimmt. Das kann heissen, dass 95 % der Mittel in Brasilien ausgegeben werden oder die gekauften Produkte / Dienstleistungen zu 95 % in Brasilien benutzt werden. Der vorige Investitionsplan für die Periode von 2009 bis 2013 sah 186,6 Mrd. US$ vor, der neue wuchs also um 37 Mrd. US$. Dem Plan liegt ein Produktionsziel für 2014 von 3,9 Millionen barrels am Tag zugrunde, die tatsächliche Produktion betrug 2009 nur 1,9 Millionen barrels täglich. Wer mehr lesen will, kann sich den 8,3 MB grossen Strategic Plan 2009 - 2013 herunterladen; der heute angekündigte neue Plan wird sicher auch bald im Site von Petrobrás verfügbar sein.

Jetzt frage ich mich nur noch, warum der Investitionsplan in US$ erstellt wurde. Das kann eigentlich nur heissen, dass die Mehrzahl der Investitionen in US$ bezahlt werden muss, was wiederum bedeutet, dass die oben erwähnten 95 % der Mittel zwar in Brasilien genutzt, aber für Importe ausgegeben werden. Was sich für deutsche Exporteursohren sicher gut anhört - und für nichtdeutsche natürlich auch.

Und die Kursentwicklung unterstützt Petrobrás dabei, denn der € kostete heute nur noch 2,18 R$! Die Talfahrt geht also weiter, siehe auch die folgende Graphik:
Die grosse Frage ist, wie geht es weiter? Festigt sich der Kurs bei 2,15 R$ oder fällt er auf unter 2,00 R$? Oder steigt er sogar wieder auf über 2,50 R$? Zur Erinnerung, er lag schon über 3,65 R$! Ich weiss es leider (auch) nicht.

19 Juni 2010

Beweglichkeit schlägt feste Wurzeln

Es gibt viel mehr Mobiltelefone als Festanschlüsse in Brasilien und mehr mobile Breitbandinternetverbindungen als fixe. Im ersten Vierteljahr 2010 wuchs die Zahl der beweglichen Breitbandinternetanschlüsse um 4,9 Millionen und beträgt damit 11,9 Millionen gegenüber 11,8 Millionen Festanschlüssen. Ein wichtiger Grund für diese Entwicklung ist das positive Entwicklung der 3G-Mobiltelefone; im ersten Vierteljahr 209 gab es nur 1,5 Millionen, im ersten Vierteljahr 2010 aber bereits 8,7 Millionen. Die Breitbandanschlüsse per 3G-Modem wuchsen in diesem Zeitraum um 100 % auf 3,2 Millionen.

Und das trotz der Kosten, die viel höher sind als in anderen Ländern. Ein Plan mit einem Datenpaket von 500 MB bzw. 1 GB kostet monatlich 69,90 bzw. 84,90 R$. In Argentinien kosten 500 MB umgerechnet nur 31,65 R$, in England 3 GB nur 39,94 R$.

Zum Jahresende wird erwartet, dass Brasilien 18 Millionen mobile und 13 Millionen fixe Breitbandinternetverbindungen haben wird.

CSA gestern (endlich) eingeweiht

Es ist soweit, das Gemeinschaftsunternehmen von ThyssenKrupp und Vale wurde gestern mit großer Verspätung und noch größerer Budgetüberschreitung eingeweiht. Hier sind einige Daten des Stahlwerkes, welches die größte private Investition Lateinamerikas darstellt:
  • Investition: 8,2 Mrd. US$
  • Aktionäre: 73,13 % ThyssenKrupp (von der Zeitung O ESTADO DE SÃO PAULO Thissenkrupp geschrieben) und 26,87 % Vale
  • Kapazität: 5 Mio. Tonnen Stahl jährlich
  • Mitarbeiter: 3.500 (während der Bauarbeiten bis zu 30.000)
  • Betriebsgelände (mit eigenem Hafen): 9 Quadratkilometer (die Zeitung O ESTADO DE SÃO PAULO schrieb 9.000 Quadratkilometer, vielleicht sollte man einen obligatorischen Plausibilitätstest einführen)
Am 8.10.2009 hatte ich unter der Überschrift ThyssenKrupp - Rio de Janeiro bereits über meinen Besuch der gigantischen Baustelle geschrieben, dort finden Sie auch einige Fotos.

Bei der Einweihung konnte sich der brasilianische Präsident Lula übrigens nicht verkneifen, wieder auf den Europäern herumzuhacken, die sich seiner Meinung nach ein Beispiel an Brasilien nehmen sollten, um ihre Krisenbekämpfung zu verbessern. Nicht ganz zu Unrecht, bei einem €-Kurs von 2,1958 R$:



Fußballfieber

Alle Welt sitzt in diesen Tagen vor dem Fernseher und ärgert oder freut sich, je nach Spielverlauf und -ergebnis. Vorige Woche war ich auf einem Fußballplatz und habe meinen Enkel beim Fußballspielen zugeschaut. Dabei fiel mir das hier gezeigte Schild auf. Vielleicht kann man es nutzbringend in Südafrika benutzen? Und der Verein könnte sogar Royalties verlangen!

Und wenn Sie sich jetzt fragen, was das mit Brasilien zu tun hat, ist die Antwort einfach, meine Enkel sind sowohl Brasilianer als auch Deutsche.

08 Juni 2010

PIB Brasiliens auf Rekordhoch

Im ersten Vierteljahr 2010 wuchs die brasilianische Wirtschaft um 9 % gegenüber dem Vorjahresvergleichsraum, der höchste Wert seit 1996, dem Beginn der Erfassung. Für das ganze laufende Jahr werden insgesamt 6 bis 6,5 % erwartet.

Gegenüber dem letzten Vierteljahr 2009 wuchs das BIP der Industrie um 4,2 %, gegenüber dem ersten Vierteljahr 2009 waren es 14,6 %, in den letzten 12 Monaten blieb der Wert stabil.

Der Dienstleistungssektor wuchs gegenüber dem ersten Vierteljahr des Vorjahres um 5,9 %, gegenüber dem letzten Vierteljahr 2099 um 1,9 % und in den letzten 12 Monaten um 3,6 %.

Der Agrarsektor wuchs um 5,1 bzw. 2,7 %, in den letzten 12 Monaten schrumpfte sein BIP um 3,3 %.

In den folgenden Monaten soll sich die Konjunktur entspannen, d.h. das Wachstum wird sich verringern, u.a. durch die Einsparungsmassnahmen der Regierung, die 10 Mrd. R$ weniger als ursprünglich vorgesehen ausgeben wird. Mit dem Unterschied zu Deutschland, dass in Brasilien kein empörter Aufschrei durch die Nation geht und die Gewerkschaften nicht auf die Barrikaden steigen. Aber die Eurokrise zeigt natürlich ihre Wirkung auch in Brasilien, es steht weniger Kapital zur Verfügung. Trotzdem wuchsen die Investitionen, gemessen durch den Kennwert FBCF (Formação Bruta de Capital Fixo = Bruttofixkapitalbildung) um 26 % im ersten Vierteljahr 2010 gegenüber dem von 2009. Gegenüber dem letzten Vierteljahr 2009 war das Wachstum 7,4 %, aber in den letzten 12 Monaten ging der Wert um 1,5 % zurück. Es wurden 18 % vom BIP in den ersten drei Monaten des laufenden Jahres investiert, 2009 betrug dieser Wert 16,3 %.

05 Juni 2010

Staatsgarantien für Autofirmen

Als ich 1978 als technischer Vorstand für den Kfz-Zulieferer Fichtel & Sachs nach Brasilien kam, wurde mir weisgemacht, dass Brasilianer keine viertürigen Autos haben wollten und keine Schiebedächer. Die Wahrheit war, dass es sich für die Kfz-Hersteller nicht rechnete, solche Autos anzubieten und auch keine Notwendigkeit dazu bestand, denn das Land war gegen Wettbewerb abgeschottet, der Autoimport war nämlich verboten. Der kurz darauf bei den Meinungsbildnern und in Folge auch beim Volk in Ungnade gefallene Präsident Collor öffnete das Land für den Import und heute sind Viertürer mit Schiebedach aus Brasiliens Käufergunst nicht mehr wegzudenken.

In Deutschland will (will sie wirklich oder fühlt sie sich getrieben?) die Bundesregierung einem angeschlagenen Autobauer Kredite bzw. Bürgschaften für's Überleben geben - gezahlt im Zweifelsfall u.a. von den Autofahrern Deutschlands, die auch Steuerzahler sind. Ich bin heute in Deutschland angekommen und habe mir ein Auto dieses Herstellers gemietet. Anhand der Fotos können Sie nachvollziehen, warum ich keine Autos dieser Firma kaufen würde. Die Reflexe auf der verchromten Plastikumrandung des Wahlhebels des Automatikgetriebes sind so stark, dass ich sie mit meinem rechten Arm abdecken musste, um nicht geblendet zu werden - trotz Sonnenbrille. Und die Instrumente sind schlichtweg unablesbar - miserabel gemacht! Klein, tief, von verchromtem Plastik umrandet, im Schatten und mit Plastik abgedeckt, was trotz seiner Schräge reflektiert und den Schmutz auf der Oberfläche klar zeigt; was will man mehr als Beweis, dass nie ein Entwicklungsingenieur das Auto gefahren hat? Offensichtlich haben sich hier Designer gegen Ingenieure durchgesetzt oder die Ingenieure verstehen ihr Handwerk nicht. Wer Autos baut, die keiner will, weil sie schlechter als die der Konkurrenz sind, verdient keine Überlebenshilfe. Und er braucht diese Hilfe auch nur, weil seine Autos sich nicht verkaufen, Grund siehe oben!


Automarkt Brasilien

Unter der Überschrift "Aufholjagd mit Alkohol" berichtet Tom Grünweg aus Rio de Janeiro. Wichtige Aussage: "Brasilien gibt mächtig Gas: In diesem Jahr werden dort wohl erstmals mehr Autos verkauft als in Deutschland. Für die CO2-Bilanz ist das jedoch keineswegs fatal, denn mehr als die Hälfte des Treibstoffs in Südamerikas Supermacht wird klimaneutral aus Zuckerrohr gewonnen." Eine Tabelle zeigt die Zulassungen von 2009:
Zulassungen 2009 in Brasilien (Pkw & leichte Nutzfahrzeuge)
VerkäufeMarktanteil in StückMarktanteil in %
Fiat Group750.00024,7
Volkswagen693.00022,8
Chevrolet611.00020,1
Ford317.00010,4
Honda128.0004,2
Renault117.0003,8
Toyota96.0003,2
Peugeot82.0002,7
Hyundai78.0002,6
Citroën70.0002,3
Mitsubishi37.0001,2
Nissan24.0000,8
Mercedes-Benz11.0000,4
Iveco Mercosul2.0000,1
Audi2.0000,1
Total3.040.000
CAR/ Universität Duisburg-Essen


03 Juni 2010

Warum sind die Paulistas so nervös?

Hier ist die Antwort:
Die Fahrzeugdichte in São Paulo hat so zugenommen, dass das so genannte rodízio schon keine Wirkung mehr hat. Ausserdem wird es trotz automatischer Erfassung der Sünder durch optische Erkennungssysteme, die die Nummernschilder der Autos, die am jeweiligen Tag zwischen 7 und 10 Uhr und zwischen 17 und 20 Uhr Fahrverbot haben, an die Strafzettel austeilende Behörde Detran melden, nicht sooo ernst genommen. Morgens befolgen je nach Strasse 87 bis 92 % der Autofahrer das Fahrverbot, nachmittags zwischen 77 und 89 %.

Das rodízio wurde 1998 eingeführt, ursprünglich zur Verbesserung der Luftqualität. Diese verbesserte sich nur unmerkbar und fast nicht messbar, aber der Verkehr wurde besser und die Maßnahme blieb. Aber seitdem fiel die Durchschnittsgeschwindigkeit in der nachmittäglichen rush hour auf dem Korridor Consolação - Rebouças - Eusébio Matoso, der zur Ermittlung dieser Kennzahl von der CET - Companhia de Engenharia de Tráfego benutzt wird, um 33 %. Zwischen 17 und 20 Uhr war die Durchschnittsgeschwindigkeit vor der Einführung des stundenweisen Fahrverbots je nach Endnummer des Nummernschildes (z.B. 0 + 1 darf nicht am Sonntag fahren, 2 + 3 nicht am Montag, 4 + 5 nicht am Dienstag etc.) 17,5 km/h. 2009 war sie nur noch 11,7 km/h.

Zurück zur Fahrzeugdichte. Leider kenne ich nicht die Erklärung für den atypischen Wert von 2005, aber ich weiss, dass der Zunahme der Fahrzeugdichte um 43 % ein Bevölkerungswachstum von 8 % gegenüber steht. Das Strassennetz der Stadt wuchs ebenfalls, von 13.000 im Jahr 1976 auf 16.000 km heute.

Stahlpreise und Autos

Als ich Geschäftsführer der LUK-Tochter IUSA S.A. de C.V. in Mexiko war, importierte VW Mitte der 80er Jahre bereits/noch Stahl für seine Autos und ich für meine Kupplungen. Die brasilianische VW-Tochter importierte 2009 ca. 10 % ihres Stahlbedarfes, dieses Jahr sind es bereits 20 % und in Kürze werden es 30 % sein, die dann aus Indien und Südkorea nach Brasilien eingeführt werden. Der Preis sei günstiger als der lokale und außerdem verringere der Import die Abhängigkeit von nur einem Lieferanten, erklärte Thomas Schmall , der örtliche VW-Chef.

Schuld ist Vale (früher ...do Rio Doce) mit dreimonatigen Eisenerzpreiserhöhungen. Trotzdem bleibt die Kfz-Industrie bei der Prognose, dass 2010 ca. 8 % mehr Fahrzeuge als im Vorjahr verkauft werden. Wir kämen dann auf 3,4 Mio. Fahrzeuge, obwohl seit 1. 4,2010 wieder die normalen IPI-Werte gelten und der Absatz deshalb leicht zurückging. Diesen Effekt hat man in Deutschland, als es keine Verschrottungsprämie mehr gab, auch verspürt. IPI ist übrigens eine brasilianische Steuer auf industrialisierte Güter.

Mercedes ist dabei, die LKW-Produktion in Juiz de Fora, wo früher die inzwischen aufgegebene A-Klasse gebaut wurde, die niemand haben wollte, auszubauen. Man rechnet trotz der wieder normalen IPI-Steuersätze bis 2020 mit einem Wachstum des LKW-Marktes von mindestens 4 % jährlich! Jürgen Ziegler, der Chef von Mercedes Benz do Brasil, bezifferte den brasilianischen LKW-Markt für das laufende Jahr auf 135.000 Fahrzeuge. Davon will er mindestens 30 % liefern, letztes Jahr waren es 28,5 %.

Am 4.6.2010 stand übrigens in der Zeitung, dass die brasilianische Regierung erwägt, den Zollsatz für Stahlimporte auf Null zu setzen. Außerdem wurde ein Interview mit Ekkehard Schulz aus dem Spiegel abgedruckt, in dem der ThyssenKrupp-Chef vor Spekulationen mit Eisenerz warnt, das könnte eine größere Katastrophe als die Immobilienblase in den USA auslösen. Leider seien die Eisenerze in der Hand dreier gigantischer Gesellschaften in Brasilien und Australien, die sich auf vierteljährliche Preisanpassungen geeinigt hätten. Dies würde in Deutschland auch bereits vom Kartellamt untersucht werden und die deutsche Bundesregierung werde das Thema beim nächsten G20-Treffen zusätzlich zur Sprache bringen.

Schnäppchen

Wer seinen noch nicht schulpflichtigen Sohn das Auto einparken lässt, fährt sicher einen VW Touran. In Deutschland sind Sie mit ca. 20.000 € dabei, in Brasilien wird der Wagen für 100.000 R$ oder mit dem Kurs von heute für 45.000 € angeboten. Der Durchschnittsbruttolohn liegt in Brasilien bei ca. 1.200 R$ im Monat, das sind dann 533 €, also ist der Touran nur 84 Monate entfernt vom Normalverdiener, wenn dieser Brutto für Netto verdienen würde und keinen Lebensunterhalt bezahlen müsste. Das sind 7 Jahre! Und Autos werden meist nur über 5 Jahre finanziert und nur die japanischen Wagen bieten 5 Jahre Garantie!

Also haben meine deutschen Kunden recht, wenn sie sich über die hohen Kosten in Brasilien beklagen. Nur können unsere Besucher anschließend in Deutschland wieder hohe Einkommen und niedrige Preise geniessen, während der Brasilianer umgekehrte Verhältnisse vorfindet. Aber wir wohnen ja auch in den Antipoden, da ist dies wohl der natürliche Lauf der Welt. Hoffentlich verstehen auch unsere deutschen Kunden, wenn die brasilianischen Exportpreise in € ansteigen, dass dies kein Mehreinkommen für uns bedeutet, sondern höchstens Wiederherstellung des status quo aus der Zeit, als der € deutlich mehr als 3,20 R$ gekostet hat. Jetzt verharrt der € bei 2,25 R$. Gegenüber dem Höchststand von 3,85 R$ vor einigen Jahren ein Wertverlust von 42 %! Hier der aktuelle Kursverlauf der letzten 12 Monate:

Um übrigens nicht einseitig VW zu zitieren, ein weiteres Beispiel: der Mercedes B 180 Comfort kostet in Deutschland mit 19 % Mehrwertsteuer ab Werk ca. 24.000 €. Hier in São Paulo kostet er 105.000 R$ oder - wieder mit 2,25 R$ = 1,00 € gerechnet - fast 47.000 €, also 96 % mehr; sagen wir ruhig, das Doppelte!!!

Gute und schlechte Nachrichten über Brasilien

Die Schlechten zuerst:

Der primäre Haushaltsüberschuss der letzten Jahre wurde nicht durch Sparsamkeit erzielt, sondern durch Mehreinnahmen, d..h. die Steuerschraube wurde angezogen, denn während DER KRISE war die Geschäftstätigkeit von Handel, Industrie, Landwirtschaft und Dienstleistung ja zurückgegangen. Die Ausgaben der Regierung erreichten im April den höchsten Wert im Verhältnis zum BIP seit Beginn von Präsident Lulas Amtszeit, nämlich 20 %. Kumuliert für die letzten 12 Monate wurden 18, 6 % vom BIP "erreicht". Im letzten Amtsjahr von Lulas Vorgänger Fernando Henrique Cardoso lag der Wert bei 15,7 %.

Das vielzitierte PAC-Programm zur Beschleunigung des Wirtschaftswachstums läuft auf Krücken. Bisher wurden nur 46,1 % der 656,5 Mrd. R$, die bis 2010 vorgesehen waren, ausgegeben. Weit im Plan zurück sind z.B. die Baustellen der Flughäfen von Brasília und Vitória, die für die Fußballweltmeisterschaft 2014 wichtig sind.

Brasilien hat bereits 600.000 Crack - Süchtige. Die Zahl hat sich in nur 5 Jahren fast verdoppelt, vorher lag sie bei 380.000. Aber Präsident Lula macht sich mit seinem bolivianischen Kollegen über den Präsidentschaftskandidaten der Opposition, José Serra, öffentlich lustig, weil dieser sich kritisch über den Rauschgiftzustrom von Bolivien aus geäußert hatte. Die Bundesregierung will jetzt anstelle 2.500 Internierungen künftig 5.000 Abhängige in Krankenhäuser einweisen. Dazu wurde ein 410 Mio. R$ kostendes Programm in's Leben gerufen. Das sind 82.000 R$ pro Süchtigem bzw. fast 37.000 €. Man doktort also an an den Symptomen herum, anstatt das Übel an der Wurzel zu packen. Und der hart arbeitende Steuerzahler, der keine Drogen nimmt und im Mittel 1.200 R$ monatlich bzw. 530 € verdient, zahlt die Zeche. Fast 6 Jahre müsste er sein Bruttoeinkommen sparen, um auf 37.000 € zu kommen! In São Paulo (Stadt) wurden übrigens 240 Crack - Süchtige in den letzten 10 Monaten in Kliniken behandelt, der berühmte Tropfen auf dem heißen Stein.

Aber es gibt auch Gute:

Kindersitze für Autos sind in vielen Läden ausverkauft. Die Benutzung von Kindersitzen ist jetzt nämlich Pflicht und wer dem zuwiderhandelt, fliesst mit 191,54 R$ in die Gemeindekasse, wie es mal so schön in einer Verordnung eines bayerischen Bürgermeisters einer kleinen Gemeinde hieß.

Und Brasiliens Weltmeisterelf hat einen 2:00 - Sieg über Zimbabwe errungen! Wobei man wissen sollte, dass die gegnerische Mannschaft auf Platz 110 der Weltrangliste steht und Brasilien fünffacher Weltmeister ist.

Brasilien hat zum ersten Mal mehr als 250 Mrd. US$ Devisenreserven! Am 1. Juni waren es genau 250,35 Mrd. US$. Das Land schuldet ausländischen Gläubigern 211,6 Mrd. US$, befindet sich also in einer komfortablen Situation - wenn man die Binnenverschuldung vergisst!

In den letzten 12 Monaten per Mai 2010 ist der Verbrauch an Elektroenergie um 5,3 % gestiegen, allerdings beim Vergleich Mai - April 2010 um 1,2 % zurückgegangen. Der Vergleich Mai 2010 mit Mai 2009 ist besser, der Verbrauch stieg um 10 % an, d.h. DIE KRISE ist überwunden! Dazu passt, dass die Baugenehmigung für Angra III, unser drittes Atomkraftwerk, erteilt wurde.

Die öffentliche Nettoverschuldung Brasiliens (dívida líquida do setor público) fiel im April auf 1,37 Billionen R$. Das sind 42,2 % vom BIP, damit stehen wir besser da als die Europäer:
  • 115,8 % Italien
  • 115,1 % Griechenland
  • 96,7 % Belgien
  • 77,6 % Frankreich
  • 76,8 % Portugal
  • 73,2 % Deutschland
  • 65,5 % Österreich
  • 64,0 % Irland
  • 60,9 % Holland
  • 53,2 % Spanien

Vielen Dank! Für solche Leser schreibe ich gerne!

Was bewegt die brasilianische Mittelklasse?

Die Regierung freut sich über allerbeste Umfragewerte, nur, wenn ich mit Brasilianern spreche, höre ich immer wieder "Ich bin nicht gefragt worden, von mir hätte man andere Antworten bekommen". Und da solche Antworten wohl nicht abgefragt werden, werden sie per E-Mail unter die Leute gebracht. Hier ein typisches Beispiel, sicher polemisch, aber bezeichnend:

WIRST DU MIT DEINER FREUNDIN SCHLAFEN?
DIE REGIERUNG GIBT DIR KONDOME!
HAST DU SCHON MIT IHR GESCHLAFEN?
DIE REGIERUNG GIBT DIR DIE PILLE FÜR DEN TAG DANACH!
HAST DU KINDER?
DIE REGIERUNG GIBT DIR KINDERGELD!
BIST DU ARBEITSLOS?
DIE REGIERUNG GIBT DIR ARBEITSLOSENUNTERSTÜTZUNG!

MACHST DU DIE AUFNAHMEPRÜFUNG FÜR EINE UNIVERSITÄT?
DIE REGIERUNG VERSCHAFFT DIR ZUGANG ÜBER EINE QUOTENREGELUNG!

HAST DU KEIN LAND?
DIE REGIERUNG UNTERSTÜTZT DICH BEI DER LANDBESETZUNG UND GIBT DIR NOCH EINE RENTE!
HAST DU DICH ENTSCHIEDEN, VERBRECHER ZU WERDEN UND BIST IM GEFÄNGNIS GELANDET?
SEIT DEM 1.1.2010 BEKOMMST DU GEFANGENENUNTERSTÜTZUNG!
JEDER GEFANGENE MIT KINDERN HAT DAS RECHT, PRO KIND 798,30 R$ MONATLICH FÜR DEREN UNTERHALT ZU BEKOMMEN! DENN DER ARME KANN JA NICHT ARBEITEN, WEIL ER IM GEFÄNGNIS SITZT. DU GLAUBST ES NICHT? DANN LIES MAL NACH IM SITE DER SOZIALVERSICHERUNG!

ABER VERSUCHE MAL, DICH AUSZUBILDEN, AUF DEM RECHTEN WEG ZU BLEIBEN UND SIEH, WAS MIT DIR PASSIERT!
JETZT BIST DU DER CLOWN!
ARBEITE HART, DENN 2.000.000 PERSONEN, DIE VOM NULLHUNGER-PROGRAMM UND DEM FAMILIENGELD (BOLSA-FAMÍLIA) LEBEN, OHNE ZU ARBEITEN, HÄNGEN VON DIR AB!

02 Juni 2010

IHK / AHK – AKTIONSTAG MERCOSUR

Am 11.6.2010 vormittags findet obige Veranstaltung in der IHK Essen statt. Die Teilnahme ist kostenlos. Wenn Sie interessiert sind, nehmen Sie Kontakt mit Tobias Slomke von der Kammer auf. Ich werde dort einen Vortrag mit dem Thema Markteinstieg in Brasilien - Praktische Hinweise halten. Vom 8. bis 10.6. berate ich wieder kostenlos Brasilieninteressierte in der Kammer, Anmeldungen bitte auch bei Herrn Slomke. Es sind allerdings nur noch ein oder zwei Termine frei! Wenn Sie kein Glück haben, können Sie mich am 14.6. in Wien und am 16.6. in Salzburg treffen. Anmeldungen bitte über das Generalkonsulat Österreichs in São Paulo vornehmen.