31 Dezember 2010

2011

444 Besucher lasen diese Woche BRASILIEN AKTUELL. Das passt zu meinem Geburtsjahr 1944. Aus diesem Jahr erhielt ich heute zu meinem Geburtstag eine Sammlung alter Wochenschauen auf einer DVD; ein interessantes, aber nicht unbedingt schönes Vergnügen, diese anzusehen. Aber anstelle einer Rückschau möchte ich lieber meinen Lesern in aller Welt einen guten Rutsch in's Neue Jahr wünschen! Möge 2011 Ihnen allen nur Freude bringen und auch für mein Gastland Brasilien überaus positiv werden! Und wollen wir hoffen, dass in 66 Jahren jemand eine Wochenschau aus dem Jahr 2011 ansieht und dabei sehnsüchtig von den guten alten Zeiten schwärmt!

29 Dezember 2010

Kommt Lula wieder?

Am Samstag bekommt Brasilien eine neue Präsidentin - vorerst.


Noch immer sind 87 Prozent der Brasilianer für Lula. Ein Comeback schließt er nicht aus.


Es mutet ein bisschen an wie das unfreiwillige Ende einer Liebesaffäre. Ein großes Abschiedsfest im Sambadrom von Rio, wo die "Lula, Lula"-Rufe die Musik seiner Lieblingssänger übertönten; eine emotionsgeladene Abschiedsrede an die Nation; ein rührseliger Film über das Leben des Gewerkschaftsführers, der Brasilien zur Weltmacht führte. Nach acht Jahren Amtszeit sind 87 Prozent der Brasilianer mit ihrem Präsidenten zufrieden, doch am Samstag ist es aus: Dann wird Luiz Inácio "Lula" da Silva die Schärpe seiner gewählten Nachfolgerin Dilma Rousseff umlegen. Für seine ehemalige Ministerin und politische Ziehtochter, von der "nur" 62 Prozent der Bevölkerung eine gute Regierung erwarten, rührt Lula seit Wochen die Werbetrommel. Der "Companheira" gebühre die größtmögliche Unterstützung, dann könne nichts und niemand Brasilien auf seinem siegreichen Weg aufhalten, sagte Lula in seiner Abschiedsrede. Elf Minuten brauchte er, um die Erfolge seiner Amtszeit aufzuzählen: 28 der fast 200 Millionen Brasilianer schafften den Sprung aus der Armut, 36 Millionen den Aufstieg in die Mittelschicht, 15 Millionen neue Arbeitsplätze wurden geschaffen. Brasilien wurde zur achtgrößten Volkswirtschaft der Erde, wandelte sich vom Schuldner zum Gläubiger des Internationalen Währungsfonds (IWF), der brasilianische Real gilt als eine der härtesten Währungen der Welt.


Lula Superstar. Seine Lebensgeschichte hätte sich Hollywood nicht schöner ausdenken können. Der Analphabet und Hungerflüchtling aus dem Nordosten, der in einer Fabrik das oberste Glied seines Zeigefingers verlor, als linker Gewerkschaftsführer unter der Militärdiktatur im Gefängnis landete und nach langem Kampf Präsident wurde. Doch nicht alle teilen die Lula-Manie.


Man dürfe seine Rolle nicht überbewerten, warnt keine Geringere als Lulas langjährige Umweltministerin Marina Silva. "Brasilien ist mehr als Lula", sagt sie. Der habe von der Stabilisierungspolitik seines Vorgängers Fernando Henrique Cardoso profitiert. Seiner Nachfolgerin hinterlässt Lula ein weiterhin äußert ungleiches Land, in dem absolute Marginalität, brutalste Gewalt, sklavenartige Ausbeutungsverhältnisse und politisches Mittelalter koexistieren mit einer pulsierenden Volkswirtschaft. Auch für die Umwelt zeigte Lula wenig Interesse - weshalb Marina Silva und andere wie der Befreiungstheologe Leonardo Boff sich mit ihm überwarfen.


Unternehmer kritisieren ausgebliebene Strukturreformen, den Hang zum Staatsdirigismus und die prekäre Infrastruktur. Ausländische Investoren beklagen die ausufernde Bürokratie und die hohen Steuern. "Bei der Business-Effizienz steht Brasilien schlechter da als der Rest Lateinamerikas", sagt Alberto Bernal-Leon, Chefvolkswirt beim Finanzdienstleister Bulltick. Der Schulterschluss mit Paria-Ländern wie Iran und Lulas enge Beziehungen zu Kuba und Venezuela ließen Vorbehalte in Washington und Brüssel wachsen.


Viele haarige Reformen für Rousseff, die auf ihrem Weg zur Präsidentschaft nicht nur eine Krebserkrankung besiegte, sondern auch den Machismus. Nun könnte ihr größtes Problem aber ausgerechnet ihr Mentor Lula werden. Zwar kann er laut Verfassung nicht für eine dritte Amtszeit in Folge kandidieren, doch hielt er sich jüngst in einem Interview die Option offen, sich 2014 erneut um die Präsidentschaft zu bewerben. Ein Schachzug, mit dem er seine Nachfolgerin als bloße Platzhalterin schwächt.

Quelle: Die Welt vom 29.12.2010

28 Dezember 2010

Pishing

Vorsicht, wenn Sie eine solche E-Mail mit dem Absender seguranca@bancobrasil.com.br erhalten, dies ist ein Versuch, Ihre persönlichen Bankzugangsdaten zu erhalten:

Betreff: BB - atualização do Plugin de segurança
Von:  bb

494.237 von insgesamt 6.934.196.000 Menschen auf der Erde

ist nicht viel, aber auf die 192 Mio. Einwohner Brasiliens bezogen, sind es schon 0,26 %. Was viel ist, wenn man weiss, dass es sich um knapp eine halbe Million Strafgefangene in Brasiliens Justizvollzugsanstalten handelt. Während der letzten acht Jahre, d.h. seitdem Lula Präsident ist, hat Brasilien 1,2 Mrd. R$ für die Anpassung und Modernisierung seines Gefängnissystems ausgegeben. Das war auch dringend nötig, denn laut dem Departamento Penitenciário Nacional (Deppen) des Justizministeriums wuchs die Anzahl der Inhaftierten zwischen 1995 und 2005 von etwas mehr als 148.000 auf 361.402, ein Zuwachs von 144 % in einem Jahrzehnt. Heute sind es bereits 494.237 Strafgefangene, die von ca. 60.000 Justizbeamten betreut werden. Dabei fehlen trotz aller Ausgaben immer noch Plätze für 194.000 Häftlinge. Um dieses Defizit abzubauen, wurden Bundesgefängnisse als Hochsicherheitsgefängnisse geschaffen, wo die Unterbringung eines Häftlings 5.000 R$ monatlich kostet; in einem "normalen" Gefängnis sind es nur 1.200 R$.

Vielleicht sollte man doch mehr Geld in die Verbrechensverhütung investieren? Denn uns steht nicht wie den Engländern in ihrer "glorreichen" Vergangenheit ein Kontinent wie Australien zur Verfügung, um Verbrecher zu deportieren.

Trommeln gehört zum Handwerk...

...aber man kann es auch übertreiben! Diese Graphik wurde von der Secretaría de Comunicação Social da Presidência veröffentlicht:


Danach erhielten zum Zeitpunkt des ersten Amtsantritts Lulas im Januar 2003 nur 499 Medien in 182 Städten und Gemeinden Anzeigenmittel der Bundesregierung, heute sind es 8.094 Medien in 2.733 Städten und Gemeinden. Zu diesen Medien gehören altbekannte wie Zeitungen, Zeitschriften, Radio- und Fernsehstationen und neue wie Internetportale, Blogs, Kinos, Lautsprecherwagen, Boote und statische Werbeträger, z.B. Outdoors und Anzeigetafeln in Flughäfen. Allein im Wahljahr 2010 wurden 1.047 zusätzliche Kommunikationsmittler mit Geld bedacht, um Regierungspropaganda zu verbreiten. Die erwähnten neuen Medien schnellten von 11 in 2003 auf 2.512 heute hoch, mit dem Schwergewicht Sites und Blogs. Es erübrigt sich, zu erwähnen, dass mein Blog kein Geld bekommt, erwartungsgemäss weder von Lula noch von anderer Seite. Lula hat aber trotzdem etwas für Blogs übrig, er gab sogar ein Exklusivinterview im Palácio do Planalto, welcher das Präsidentenbüro beherbergt - aber nicht "normalen" Blogs, sondern "fortschrittlichen". Von seiner Partei werden diese blogs progressistas genannt.

Was man anerkennen muss, ist die Offenheit, mit der solche Zahlen veröffentlicht werden, denn das gab es vor dem Amtsantritt Lulas nicht. Aber trotzdem weiss die Öffentlichkeit nicht, wer genau wieviel bekam, was ja durchaus interessant für den Leser ist, der z.B. auf eine unabhängige Zeitung Wert legt. Während der beiden Amtszeiten Lulas wurden bis einschliesslich Oktober 2010 insgesamt 9,325 Mrd. R$ oder 1,2 Mrd. R$ pro Jahr für Werbung von der Bundesregierung ausgegeben. Darin sind die Produktionskosten, gesetzlich vorgeschriebene Veröffentlichungen wie die der Bilanzen von Staatsunternehmen und Sponsoring nicht enthalten. Die ersten beiden Posten machen ca. 200 Mio. R$/a aus, das Sponsoring kostete 910 Mio. R$/a von 2007 bis 2009. Alles in allem gab die Regierung Lula 2,31 Mrd. R$ im Jahr für Propaganda aus, angeblich nicht mehr als die Regierung seines Vorgängers Fernando Henrique Cardoso. Nur hatte dieser die Mittel wohl nicht so breit gestreut.

Das schöne Sprichwort "Lasst Taten (statt Worte) sprechen!", ist wohl beiden Regierungen unbekannt.

Stabwechsel in Brasilien

Belindia, Mischung aus Belgien und Indien


Ein Kommentar von Peter Burghardt


Die Zukunft Brasiliens heißt Dilma Rousseff. Lula, ihr Vorgänger als Präsident, hinterlässt ihr eine sagenhafte Bilanz. Einerseits. Andererseits auch sagenhafte Probleme.


Brasiliens Weltstar Lula und seine Erbin Dilma Rousseff waren noch nicht geboren, als Stefan Zweig seine Ode auf den Giganten Südamerikas verfasste. Brasilien, ein Land der Zukunft, heißt das Buch des österreichischen Schriftstellers, es wird heutzutage gerne zitiert.


Zweig schrieb seine Verheißung wenige Jahre vor seinem Selbstmord 1942 in Petrópolis bei Rio de Janeiro, er war gerührt von Frieden, Wucht und Schönheit seines Exils. Brasilianern diente seine Vorsehung später als Scherz: Brasilien sei das Land der Zukunft und werde es immer bleiben, spotteten sie. Inflation, Korruption und Schulden fraßen alle Hoffnung auf. Mittlerweile wird der Boom gefeiert. Man feiert vor allem den Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva, dessen Ära nun zu Ende geht.


Jetzt heißt die Zukunft Brasiliens Dilma Rousseff. Sie soll weiterführen, was er geschaffen hat. Lula ist vielleicht einer der populärsten Staatschefs des Planeten, doch eine dritte Amtszeit verbietet die Verfassung. Zur Nachfolgerin wurde mit seiner Hilfe gerade die Kandidatin Rousseff gewählt, die als erste Frau an der Spitze der 192 Millionen Einwohner Brasiliens stehen wird. Ihr hinterlässt Lula einerseits eine sagenhafte Bilanz: Das einst schlampige Riesenreich hat sich zu einer stabilen Demokratie entwickelt und zum Aufsteiger der sogenannten Bric-Staaten Brasilien, Russland, Indien, China.


Vor der Küste wurden gewaltige Mengen Öl gefunden, tief unter einer Salzschicht. Dem halbstaatlichen Ölkonzern Petrobras gelang die umfangreichste Kapitalerhöhung der Weltgeschichte, der Börsenwert stieg um 70 Milliarden Dollar. Brasiliens Devisenreserven sind höher als die Schulden. Geht es so weiter, dann könnte die fünftgrößte Nation der Erde in einigen Jahren die fünftgrößte Wirtschaftsmacht sein.


Brasilien baut Flugzeuge und ist mit seinen Plantagen der bedeutendste Ernährer des Globus. São Paulo zählt mehr große und mittlere deutsche Firmen als jede Stadt Deutschlands, 1200 an der Zahl. Brasilien veranstaltet 2014 die Fußball-WM und Rio 2016 Olympia. Die brasilianische Entwicklungsbank vergibt mehr Kredite als die Weltbank. 50 Jahre nach ihrer Gründung pilgern die Staatsgäste in die Hauptstadt Brasilia.


Spagat zwischen Bankentürmen und Favelas


Lula hat es aus dem bettelarmen Nordosten vom Dreher und Barrikadenkämpfer zum pragmatischen Patron geschafft, er ist willkommen von Washington bis Peking. Dem einstigen Gewerkschaftsführer gelang der Spagat zwischen Bankentürmen und Favelas, Weltwirtschaftsforum und Weltsozialforum. Zwölf Millionen Familien bekommen Sozialhilfe, 29 Millionen Brasilianer sind der Armut entkommen und selbstbewusste Konsumenten einer aufstrebenden Mittelschicht geworden. Andererseits: Lula hat Brasilien nicht neu erfunden und übergibt seiner Dilma auch alte Probleme.


Der Aufstieg ruht auf der ersten stabilen Währung seit Jahrzehnten, dem Real, kreiert von Lulas Vorgänger Fernando Henrique Cardoso. Inzwischen ist dieser Real so stark geworden, dass er Käufern allmählich zu teuer wird. Die Sorge vor einem Rückfall bleibt bei aller Euphorie ein steter Begleiter. Noch immer exportiert Brasilien hauptsächlich Rohstoffe wie Eisenerz, Soja, Kaffee, Fleisch - das Angebot stillt vor allem Chinas Hunger. Die Finanzkrise hat der geläuterte Koloss vorbildlich gemeistert, doch die Abhängigkeit von Ressourcen ist riskant. An grundlegende Reformen hat sich Lula nicht herangewagt.


Ein Soziologe nannte Brasilien ehemals Belindia, eine Mischung aus Belgien und Indien, also Industriestaat und in großen Teilen Entwicklungsland. Das hat sich trotz aller Fortschritte nicht wirklich verändert. 30 Millionen Brasilianer leben in der Misere.


Die Mordrate ist katastrophal hoch, in der sonst so lebenslustigen Republik gibt es viel zu viele Waffen. Mindestlöhne und Schulsystem sind erbärmlich. Jedem zehnten Bürger ist das Alphabet fremd. Die meisten Stimmen bei der Parlamentswahl bekam ein Clown, der kaum lesen und schreiben kann, weil vielen Wählern die korrupten Mandatsträger zuwider sind. Es gibt keine Landreform und nach wie vor Sklavenarbeit. Veraltete Straßen, Häfen und Flugplätze bremsen den Aufschwung. Und zu viel Wachstum ist ungesund für die Natur, den wertvollsten und sensibelsten Schatz.


Auf den Regenwald am Amazonas nehmen Lula und seine Chefplanerin Rousseff bei ihren Megaprojekten wenig Rücksicht. Zu wenig. Deshalb verehren vor allem jüngere Leute eher Marina Silva, vormalige Umweltministerin und Aktivistin einer evangelikalen Pfingstkirche. Auf deren Klientel muss die Technokratin Rousseff achten. Auch international sollte die neue Präsidentin mehr Nähe zu ökologischen Ideen entwickeln als etwa zu Irans Atomplänen. Da setzte Lula zuweilen die falschen Akzente.


Rousseff sollte Lula nicht nur kopieren. Die Tochter eines bulgarischen Einwanderers wirkt spröde, aber sie verkörpert viel von dem, was die neue Politik der Region ausmacht. Sie ist eine weitere frühere Diktaturgegnerin, die es über die gemäßigte Linke in einen Präsidentschaftspalast geschafft hat. Brasilien wird Lulas Charisma vermissen, könnte indes weibliche Umsicht gebrauchen.

Quelle: Süddeutsche Zeitung vom 01.11.2010

15 Dezember 2010

Brasilien - im Norden Entwicklungsland, im Süden erste Welt?

Hier sehen Sie die Verbindungen der 500 Millionen Facebookbenutzer - im Norden Brasiliens sieht's düster aus, aber wer hat schon Internet im Amazonasdschungel!

14 Dezember 2010

Es muss nicht immer iPad sein!

Es reichen auch MacBook Pro und Airbook, hier in meinem Eurolatinabüro friedlich vereint:
Karlheinz K. Naumann, Alberto E. Aguilar-Sartori, Paulo Pinheiro
Diese Macs wurden in Kalifornien entworfen, in China gebaut und werden von einem in Brasilien lebenden Deutschen, einem in den USA lebenden Kolumbianer und einem in Brasilien lebenden Brasilianer in diesem Augenblick in São Paulo benutzt. Und alle drei werden sicher - wenn die neue Version verfügbar ist - auch ein iPad kaufen, und wenn es nur aus Spaß an der Freud ist. Was ein Fensterfreund oft nicht verstehen kann. Hoffentlich ist, wenn der iPad-Kauf ansteht, Brasilien nicht mehr das Land mit den teuersten iPads der Welt! Präsident Lula hat seines übrigens schon, Geschenk einer Firma. Was er damit macht, weiss ich nicht; sicher nicht Zeitungslesen, denn a) liest er nicht gerne und b) steht sicher wenig (über ihn) drin, was ihn freut.
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Addi hat mir einen Kommentar geschickt und hat Recht: 
Kommentar zum Blog: Thema iPad Herr Naumann, seit einen Jahr lese ich Ihren Blog. Aber eines hab ich schon lange festgestellt, unseren Präsident mögen sie nicht wirklich, oder? 
Grüße Addis 

12 Dezember 2010

Breitbandinternet in Brasilien

ist schon weit verbreitet, aber 580.000 Anschlüsse, das sind 14 % aller Breitbandinternetzugänge, benutzen als Vehikel noch eine Radioverbindung. Die Verkabelung ist in einem Land mit kontinentalen Abmassen noch ein Problem und wahrscheinlich nicht die Lösung, denn die Radioverbindung, die auf der Wellenlänge eines Wi-Fi-Routers arbeitet, ist sicher billiger und arbeitet mit bis zu 30 Megabits pro Sekunde. Wer dafür nicht 100 R$ im Monat zahlen will, bekommt für 49,30 R$ im Monat eine Übertragungsgeschwindigkeit von kümmerlichen 256 Kilobits pro Sekunde von Zuknet, um ein Beispiel zu nennen. Aber 98 % davon ist garantiert, während die Konkurrenz zwar 2 Megabits pro Sekunde anbietet, aber nur 10 % davon gerantiert. Hier ist die Aufschlüsselung:
  • Internet über Kabel, Lichtleitfaser, Telefon und Radio ist in 73 Gemeinden nebeneinander verfügbar
  • 22 Gemeinden haben immerhin Zugang über Kabel, Telefon oder Radio
  • 434 Gemeinden bieten den Zugang über Lichtleitfaser, Telefon oder Radio an
  • 1.125 Gemeinden haben nur das Radio als einzigen Zugang
  • 3.047 Gemeinden haben neben dem Radio auch das Telefon als Breitbandinternetzugang
  • 246 Gemeinden müssen sich mit dem Zugang über das Telefon begnügen
  • 587 Gemeinden haben kein Breitbandinternet

Wechselkurse

Sehr gute Darstellung des Kursverlaufes, hier ist der LINK:
Das letzte relative Zwischenhoch des € war nur von kurzer Dauer, Trichet und Weber haben noch viel zu tun!


Weihnachten, das Fest der Liebe

und des Geschäftes! Und wie es aussieht, wird es dieses Jahr besonders viel Geschäft geben. Die Vorhersage für den Weihnachtsumsatz des Einzelhandels liegt bei 96,2 Mrd. R$. 2005 lag er noch bei knapp 70 Mrd. R$, seit dem stieg er fast gradlinig auf den jetzigen Wert. Und das ist sicher auch ein Verdienst der Regierung Lulas. Womit ich vielleicht meinen Kritikern den Wind aus den Segeln nehme, die mir vorwerfen, ich würde ihn (Lula) immer schlecht machen. Und dieses Jahr wird das Rekordjahr des letzten Jahrzehnts werden, obwohl die Regierung das Geld durch neue Finanzierungsvorschriften verknappt hat und dem Kreislauf knapp 2 Mrd. R$ entzogen hat. Aber die gestiegene Kaufkraft der Bevölkerung und die Abnahme der Arbeitslosigkeit kompensieren dies mit Leichtigkeit. Einige grosse Einzelhändler rechnen mit mindestens 20 % oder sogar 30 % Mehrumsatz gegenüber Weihnachten 2009. Da kann man getrost fröhliche Weihnachten wünschen!

Übrigens werden Elektronikkonsumartikel immer billiger, z.B. (Dezember 1010 gegenüber Dezember 2009):
  • Digitalkameras - 33 %
  • Netbooks - 31 %
  • LCD-Fernseher mit 32 Zoll - Bildschirmen - 25 %
  • Laptopcomputer - 20 %
  • Videospiele - 12 %
Leider kann man das von Nahrungs- und Genussmitteln nicht behaupten, diese wurden teurer (Dezember 1010 gegenüber Dezember 2009):
  • Schweinefilet + 10,99 %
  • Früchte + 10,9 %
  • ganze Hähnchen + 10,21 %
  • Schweineschinken + 9,71 %
  • Wein + 6,39 %

Weihnachtsstimmung am Spätnachmittag, von meinem Bürofenster aus "geknipst"

FRÖHLICHEN III. ADVENT!
Links oben sehen Sie natürlich die Sonne und nicht etwa den Stern von Bethlehem! Der Weihnachtsbaum am Seeufer ist 56 m hoch und nachts beleuchtet.

09 Dezember 2010

Mehr als ein Mobiltelefon pro Einwohner Brasiliens

Die unmittelbare Folge ist, dass eine achtstellige Nummer bald nicht mehr ausreicht und Mobiltelefone bald eine neunstellige Nummer haben werden, zuerst in São Paulo und dann in ganz Brasilien.

Die Vorwahl 11 für Groß - São Paulo wird heute bereits von 35 Millionen Personen benutzt, für die nur 37 Millionen Nummern bereitstehen. Insgesamt gibt es bereits 194,4 Millionen vergebene Mobiltelefonnummern bei einer Bevölkerung von 193,6 Millionen Personen. Auf 1000 Einwohner kommen also 1004 Mobiltelefone, das ist die achtgrößte Mobiltelefondichte der Welt. Spitzenreiter ist Russland mit 1625 Mobiltelefonen pro 1000 Einwohner. Brasilien liegt zur Zeit vor Frankreich, den USA und Japan! Im Bundesdistrikt kommen bereits 1,7 Mobiltelefone auf jeden Einwohner, anschliessend kommt São Paulo mit 1,2, dann Mao Gross do Sul und Rio de Janeiro mit je 1,1 Mobiltelefonen pro Einwohner. Allein im Bundesstaat São Paulo sind 48,8 Mio. Mobiltelefone gemeldet, das sind 25 % aller Mobiltelefone Brasiliens.

ThyssenKrupp in Rio liefert erste Brammen nach Deutschland

Diesen Zeitungsausschnitt schickte mir Wilhelm Laszlob schon am 23.11.2010
Diese Bilder erhielt ich ebenfalls von ihm, zum Vergrössern bitte einfach hineinklicken!

Die Stadt São Paulo zieht immer mehr Touristen an

In diesem Jahr werden es geschaetze 12 Millionen sein, die fuer eine Hotelbettenbelegung von 72 % sorgen und bis Jahresende dem Finanzamt Steuereinnahmen in Hoehe von 9 Mrd. R$ bescheren werden. Damit waechst die Zahl der auswaertigen Besucher gegenueber 2009 um 6 %.

93 % der Analphabeten in Brasilien verdienen bis zu 2 Mindestgehaelter

Das war sicher auch nicht anders zu erwarten, insofern ist dieses Ergebnis einer Studie des Instituto de Pesquisa Econômica Aplicada nicht ueberraschend. Denn nicht jeder Bankeigentuemer macht einen ehemaligen Sportlehrer zum Bankpraesidenten, weil dieser mit seiner Frau verwandt ist. Brasilieninsider wissen, an welchen Fall ich denke. Aber zur Ausuebung eines gut bezahlten, also qualifizierten Berufes, gehoert eben auch eine gute Ausbildung. Und damit ist es in Brasilien schlecht bestellt. Nicht, dass wir uns in Deutschland mit den Ergebnissen der PISA-Studie von 2009 bruesten koennen, aber Brasilien sieht noch schlechter aus:

LITERATUR

  • Platz 1: China - Shanghai: 556 Punkte
  • Platz 20: Deutschland: 497 Punkte
  • Platz 53: Brasilien: 412 Punkte (2000: 396 Punkte) 
MATHEMATIK
  • Platz 1: China - Shanghai: 600 Punkte
  • Platz 16: Deutschland: 513 Punkte
  • Platz 57: Brasilien : 386 Punkte (2000: 334 Punkte)
NATURWISSENSCHAFTEN
  • PLATZ 1: China - Shanghai: 575 Punkte
  • Platz 13: Deutschland: 520 Punkte
  • Platz 53: Brasilien: 405 Punkte (2000: 375 Punkte)
Wie man sieht, hat sich Brasilien gegenueber dem Jahr 2000 verbessert, aber ist immer noch im Vergleich zu den Nationen, denen man sich ebenbuertig fuehlt, abgeschlagen. Heute bleiben immer noch 40 % der brasilianischen Schueler wenigstens einmal sitzen, schlechter sind nur Tunesien und Macau. In Japan, Suedkoera und Norwegen gibt es keine Sitzenbleiber, das gibt zu Denken! Bei einem Vergleich muss bedacht werden, dass das brasilianische Schulsystem kompliziert ist, denn zum einen gibt es das Seriensystem, zum anderen das zyklische Modell, auch kontinuierliches Fortschrittssystem genannt. Beim ersten System wird jeder Klasse (serie) ein theoretisch angebrachtes Alter zugeordnet. Beim zweiten System gibt es kein Sitzenbleiben von einem zum anderen Jahr, was rein optisch nett ist, auch wenn die aufrueckenden Schueler keinerlei Wissen aufnehmen. Aber so will es das Gesetz Lei de Diretrizes e Bases da Educação. In der Grundschule (ensino fundamental) gibt es zwei Zyklen, vom 1. bis 5. und vom 6. bis 9. Jahr. Hier kann man nur jeweils am Ende eines Zyklus zurueckgewiesen werden.

Kinder werden hier in Brasilien im Mittel mit 7,4 Jahren eingeschult, in Chile und Peru aber mit 6. In Brasilien lesen sie 216 Minuten die Woche in der Schule, in Chile 312 und in Mexiko 236. Den Naturwissenschaften werden in der brasilianischen Schule in der Woche 169 und der Mathematik 213 Minuten gewidmet. Da eruebrigt sich jeder bissige Kommentar und man fragt sich, ob hinter diesem Schulsystem nicht ein System steht, naemlich das der bewussten Verdummung. Zum Beispiel gedeihen unsere Oligarchien dort am besten, wo die meisten Analphabeten wohnen. Zum Schluss soll nicht verschwiegen werden, dass viele Schulen schlecht ausgestattet sind, Lehrer nicht gerade ueppig bezahlt werden und die Motivation vieler Schueler gering ist. Da vielfach beide Elternteile arbeiten (muessen) oder das Kind nur einen Alleinerzieher hat, sind auch Vater und/oder Mutter haeufig ueberfordert.  

08 Dezember 2010

Autos, Autos, Autos - Brasilien auf der Überholspur (Fortsetzung)

Zunächst einmal die schlechten Nachrichten: Die Zentralbank sorgte jüngst für knappes Geld und damit erhöhte sich der Zinssatz für Autokredite, was zu einem Rückgang der Neuwagenverkäufe bis zu 20 % führen kann. Bis September, also vor der Zentralbankmaßnahme, wurden 46 % der Neuwagen durch Kundendirektkredite finanziert, 60 % davon ohne Anzahlung. Die Zinsen für Kredite ohne Anzahlung bewegen sich zurzeit zwischen 1,6 und 2,5 % im Monat, vor der Kreditverknappung lagen die Werte zwischen 1,3 und 1,4 %. Die genaue Höhe hängt von der Laufzeit ab.

So kostet ein Celta 1 l  Bi-Kraftstoff (also Alkohol oder Benzin in einem beliebigen Mischungsverhältnis), wenn er über fünf Jahre hinweg ohne Anzahlung finanziert wird, jetzt 762 anstatt 610 R$ im Monat. Nach 60 Monaten hat der Käufer dann 9.120 R$ mehr gezahlt als vor der Geldverknappung.

Roberto Sinicio, Verkaufschef des GM-Vertragshändlers Palazzo, der diese Berechnung anstellte, nannte als Barpreis 23.900 R$. Bisher zahlte der Käufer also bei einem Kredit mit 5 Jahren Laufzeit insgesamt 36.600 R$ für sein Auto, ab sofort allerdings 45.720 R$, also mehr als den doppelten Barpreis! Gut, dass Brasilien von Sozialisten regiert wird; wenn doch mal wieder die Kapitalisten "rankommen", werden die Autos sicher unbezahlbar, oder? Wer mehr über solche Preisbildungsmechanismen wissen möchte, sollte nach Kuba fliegen, dort dürfen gebrauchte Autos jetzt privat verkauft werden, las ich neulich. Neue gibt es anscheinend nicht, jedenfalls nicht für die "normale" Bevölkerung.

Die Ratenzahlungsbedingungen änderten sich nur für Käufe ohne Anzahlung, wer 20 % bei einer Laufzeit von 36 Monaten, 30 % bei 48 Monaten und 40 % bei 60 Monaten anzahlen kann, ist von der Zinserhöhung nicht betroffen. Finanzierungen mit 24 Monaten Laufzeit erfordern keine Anzahlung, um in den "Genuss" der bisherigen Zinssätze zu kommen.

Aber jetzt kommen wir zu den guten Nachrichten: Die brasilianische Automobilindustrie rechnet damit, 2010 insgesamt 3,45 Millionen Fahrzeuge zu verkaufen, das sind 50.000 Fahrzeuge mehr als geplant. Das wäre der fünfte Jahresrekord in unmittelbarer Folge für unsere Industrie. Wenn man von den Schätzwerten für 2010 ausgeht, wird sich die Produktion um 14,4 % auf 3,64 Millionen Einheiten erhöhen. Für 2011 bis die Produktion von 3,68 Millionen Fahrzeugen geplant. Die Zulassungen stiegen gegenüber dem Vorjahr um 9,8 % auf 3,45 Millionen, 2011 sollen es 3,63 Millionen werden, eine erneute Steigerung von 5,2 %.  Der Export wird dieses Jahr auf 780.000 Einheiten geschätzt, das wären 64,2 % mehr als 2009. Für 2011 rechnet man nur mit 730.000 Einheiten, das heißt, der Export würde um 6,4 % zurückgehen.

Kopfschmerzen bereitet der lokalen Autoindustrie der hohe Importanteil, der dieses Jahr bei 18 % der Verkäufe liegen und 2011 wahrscheinlich auf 20 bis 22 % klettern wird. 2005 lag der Anteil der Importe an den Fahrzeugverkäufen nur bei 5,1 %. Wenn man die Autozulieferindustrie einbezieht, liegt das Handelsbilanzdefizit der Branche bei fast 5 Milliarden US-Dollar, letztes Jahr waren es 3 Milliarden US-Dollar. Das Gespenst der holländischen Krankheit wird also nicht grundlos an die Wand gemalt.

Dazu passt die Nachricht, dass Novelis, der weltgrößte Aluminiumblechhersteller mit Stammsitz in Kanada, seine Fabrik in Aratu bei Salvador schließt. Als Grund wird der starke Real und die hohen Energiekosten angegeben. In den letzten sechs Jahren stieg der Preis für die Elektroenergie um 51 % an. Die Fabrik in Ouro Preto wird beibehalten, weil sie 65 % ihres Energiebedarfes selbst generiert, während die geschlossene Fabrik die Energie komplett zu kaufen musste.

03 Dezember 2010

Wie kann die hollaendische Krankheit Brasiliens kuriert werden?

Wie sie lesen, gehe ich schon davon aus, dass Brasilien tatsächlich von der holländischen Krankheit befallen ist. Der Dachverband der Industrie CNI  teilt meine Ansicht und stützt sich dabei auf eine  Befragung von 454 Firmen. 92 % dieser Firmen werden auch 2011 investieren, 2010 hatten 89,6 % investiert. Diese Investitionen reichten aber nicht aus, um die brasilianische Industrie im Vergleich zum Ausland auf breiter Basis wettbewerbsfähig zu machen. Gründe dafür gibt es viele, auf  der  V. Nationalkonferenz der Industrie wurden vor ungefähr 1.500 Unternehmern einige genannt: Bürokratie, Rechtsunsicherheit, volkswirtschaftliche Instabilität, fehlende Steuergerechtigkeit, Steuerkomplexität, Infrastrukturmängel...

Die genannten Gründe fallen in die Zuständigkeit der Regierung. Da diese ihre Hausaufgaben nicht gemacht hat, wächst der Import überproportional zum Export in Brasilien. Aufgrund seiner im Vergleich zum Ausland hohen Kosten und wegen des starken Real  bleibt einem Unternehmer eigentlich nur noch übrig, seine Fabrik ins Ausland zu verlagern, wenn er nicht unpatriotisch seine Produktion einfach durch Importe ersetzt.

In der ersten Dezemberwoche sind die neuesten Außenhandelszahlen per November veröffentlicht worden. Von Januar bis einschließlich November sind Exporte in Hoehe von 481 Milliarden US-Dollar getätigt worden, das bedeutet eine Steigerung von 30,7 % gegenüber dem Vorjahresvergleichszeitraum. Gleichzeitig wurde fuer 466,1 Milliarden US-Dollar importiert, hier beträgt die Steigerung sogar 43,9 %. 46,2 % der Importe bestanden aus Rohmaterial und Zwischenerzeugnissen, 22,4 % aus Kapitalgütern und 17,1 % aus Konsumgütern. Der Handelsbilanzüberschuss der ersten 11 Monate 2010 war mit 17,1 Milliarden US-Dollar 32,7 % geringer als im Vorjahresvergleichszeitraum. Die industrielle Produktion wuchs weit weniger als die Importe, nämlich von Januar bis Oktober 2010 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum nur um 11,8 %.  Beim Vergleich der Monate Oktober erschreckt man, denn das Wachstum beträgt in diesem Fall nur magere 2,1 %.

Es wird schwierig für die brasilianische Industrie, denn sie hat bereits Marktanteile im Ausland verloren und gleiches passiert ihr jetzt im Inland, deshalb sind die geplanten Investitionen dringend nötig, aber nicht ausreichend.

iPad in Brasilien mit Rekordpreis

Kaum freut sich der Mensch, dass man das iPad in Brasilien kaufen kann, aergert er sich auch schon, wenn er die Preise verschiedener Laender miteinander vergleicht:
Die brasilianischen Laendernamen sind sicher auch ohne Uebersetzung verstaendlich; zur Sicherheit die Erklaerung, dass "Reino Unido" Vereinigtes Koenigsreich und "EUA" USA bedeutet.

Natuerlich spielt ein wenig der Wechselkurs eine Rolle, deshalb sollte man fuer solche Vergleiche den Hamburgerdollar nehmen, aber sei es wie es sei, teuer ist das iPad schon in Brasilien. Aber bei uns wird ja auch gut verdient. Das meine ich nicht als Witz, denn heute erhielt ich einen Anruf aus Deutschland, in dem mir mitgeteilt wurde, dass ein Verkaufsleiterkandidat, heute beschaeftigt bei einer mittelgrossen brasilianischen Firma, umgerechnet 218 T EUR im Jahr verdiene, plus fringe benefits! Das ist sicher nicht schlecht, der Mann kann sich ein iPad auch hier leisten.