Heute hatte ich bei einem Mittagessen des
Austrian Business Circle auf Einladung des Generalkonsuls Klaus Hofstadler und in Gegenwart der neuen österreichischen Botschafterin Dr. Irene Giner - Reichl, die vorher ihr Land in Peking vertrat, die Gelegenheit, einen Vortrag von Fabio Klein von
Tendências mit dem Titel
Conjuntura e Perspectivas Econômicas para o Brasil zu hören.
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Mein Neffe Frederico Reis Rodrigues, Großneffe von Ulysses Guimarães, gehörte mit zu den aufmerksamen Zuhörern. Er arbeitet bei mir in der Eurolatina. Auch dabei war u.a. der Berater Thomas Berger, der mir erzählte, dass ihm die Lektüre meines Buches WIRTSCHAFTSBOOM AM ZUCKERHUT geholfen habe, sich auf seinen Brasilienaufenthalt vorzubereiten. Danke für dieses unerwartete Lob, Herr Berger!
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Herr Klein führte aus:
Von 2011 bis 2014 war Brasiliens Wirtschaft von einer falschen Wirtschaftspolitik der PT-Regierung geprägt, nämlich steuerliche und monetäre Expansion, Preiskontrolle, Subventionen, fragile Regulierung. Dazu kamen fehlende Strukturreformen und - mit geringerem Einfluss - die Weltwirtschaftslage, z.B. Rückgang der chinesischen Wirtschaft, die zu den großen Kunden Brasiliens bei Commodities gehört.
2015 bis 2016 kam es aus politischen und wirtschaftlichen, hier vor allem aus fiskalischen Gründen, zu einer Vertrauenskrise. Dazu kam die bekannte Operation "Lava Jata" und das erfolgreiche Amtsenthebungsverfahren gegen Präsidentin Dilma.
2017 bis 2018 erleben wir die Anpassung der Wirtschaftspolitik an die Realität, Strukturreformen, stark sinkende Inflation und Lockerung der Geldpolitik und in der Folge eine reale Einkommensverbesserung und ein erhöhter Konsum der brasilianischen Familien.
Die Winde wehen zur Zeit günstig für Brasilien. Das internationale Szenarium begünstigt Brasilien. Das Weltwirtschaftswachstum liegt bei 3,4% in diesem Zeitraum, niedrige Zinsen und hohe Liquidität begünstigen Schwellenländer wie Brasilien.
Aber die brasilianischen Wahlen 2018 bedeuten ein Risiko, vor allem die Wahl des Präsidenten. Tendências meint, dass ein liberaler Kandidat von Mitte-Rechts das Rennen machen wird und die augenblickliche Wirtschaftspolitik fortgesetzt werden wird. Das bedeutet Fortführung der graduellen Strukturreformen und ein vom Markt induziertes Wachstum. Die größte Herausforderung der künftigen Regierung ist auch wie vor die Haushaltssituation des überschuldeten Landes. Neben der Reform der Sozialversicherung sind andere Reformen nötig, die die Abhängigkeit von gesetzlich festgeschriebenen Regierungsausgaben verringern und der Regierung mehr Handelsfreiheit geben.
Trotz der geringen Popularität der jetzigen Regierung muss anerkannt werden, dass sie wichtige Reformvorhaben durchgeführt hat wie
- gesetzliche Begrenzung der Haushaltsausweitung
- neue Gesetzgebung über Staatsbetriebe
- neues Management bei Petrobrás
- Reform des Gymnasiums
- Neuregelung der Gesetze zum Pré-Sal
- Gesetz der Fremdvergabe
- Änderung der Kreditkartenregeln
- Freigabe des FGTS
- Reform der Arbeitsgesetzgebung
- Plan zur finanziellen Gesundung der Bundesstaaten
- Langfristzinsen TLP
Das die Wirtschaft sich erholt, sieht man an der Zunahme des Vertrauenindexes von Verbrauchern und Industrie, an der Kreditausweitung für natürliche Personen, am Ansteigen des Autoabsatzes und an der Zunahme der industriellen Produktion. 2008/2209 sind diese Indizes stark eingebrochen, haben sich aber sehr schnell erholt, diesmal dauert es deutlich länger.
Die Triebfedern des Wachstums sind heute das Verhältnis Import / Export, die flexibel Geldpolitik, die fallende Inflation, die bereits das Niveau von entwickelten Industrienationen erreicht hat, reale hohe Einkommensgewinne und der beginnende Rückgang der Arbeitslosigkeit bei gleichzeitigem Abbau der informellen Beschäftigung.
Das BIP wächst auch endlich wieder, für 2018 sieht Tendências den Zuwachs bei 2,8%, in einzelnen Sektoren wie der Industrie mit 3,8% sogar deutlich mehr.
Die rekordverdächtige niedrige Inflation, u.a. durch eine Superernte im laufenden Jahr, hat bereits einen starken Rückgang des Leitzins ermöglicht. Der Dienstleistungssektor, der einen extrem hohen Anteil am BIP Brasiliens hat, hat seine Preise ebenfalls erheblich gesenkt. Die Zunahme des Kreditvolumens wird begleitet durch einen Rückgang der Zahlungsunfähigkeit bei juristischen und natürlichen Personen.
Der Dollar wurde global billiger, das Länderrisiko Brasilien ist stark gesunken, die Währungsreserven Brasiliens sind hoch, alles spricht für ein Engagement in Brasilien und seine Währung. Das kann sich allerdings ändern, wenn die USA die Zinsen erhöhen und wenn die Reform der Sozialversicherung ausbleibt, was ein weiteres Wachstum des Haushaltsdefizit zur Folge hätte. Die Regierung, in diesem Augenblick durch stark gestiegene Steuereinnahmen wegen des Wiederanziehens der Wirtschaft begünstigt, muss trotzdem hart an der Verringerung des Primärdefizits arbeiten, d.h. Ausgaben kürzen und das vorhandene Geld besser ausgeben. Ohne die Reform der Sozialversicherung wird wahrscheinlich bereits 2019 das Haushaltsdefizit unkontrollierbar sein.
Wenn alle nötigen Maßnahmen ergriffen werden, sollte das Primärergebnis 2020 aus den negativen Zahlen herauskommen, aber die Bruttoverschuldung, die 2011 bei 51,3% des BIP lag, wird dann bei 85,6% liegen und erst 2016 unter 80% kommen.
Die Schlussfolgerung ist, dass Brasilien sich auf dem richtigen Weg befindet, aber es Risiken gibt: Alles verbessert sich, nur nicht die Haushaltslage! 2018 werden durch die Wahl die Weichen gestellt. Mit 60% Wahrscheinlichkeit wird die Reform der Sozialversicherung durchgezogen und die Kontinuität der Regierung garantiert.
Den Worten Herrn Kleins kann ich mich nur anschließen.