29 April 2009

Brasilianischer Leitzins erneut gesenkt

Ein Prozent weniger, d.h. seit heute 10, 25 % im Jahr, das hat es seit Ende 1997 nicht gegeben! Die Großbanken folgten dem Beispiel und senkten ihre Zinssätze, allerdings nicht um ein, sondern um 0,05 bis 0,63 %. Wobei der mutigste hier die Banco do Brasil war, deren alter Präsident gehen mußte, weil er den Wünschen der Regierung - die Banco do Brasil ist eine Staatsbank - nach niedrigen Zinsen und kleinem spread nicht schnell genug erfüllte. Er dachte betriebs- oder von mir aus auch bankwirtschaftlich und nicht politisch.
Die Grafik zeigt die Leitzinsentwicklung seit Beginn der Amtszeit Lulas in % pro Jahr.

26 April 2009

Marktanteile WELTAUTOMARKT in %

Zum Vergrößern in Grafik klicken!
dunkel: stagnierende oder schrumpfende Märkte
hell: wachsende Märkte

Quelle: KPMG-Studie (global auto executive survey 2009)

Kleinautos für Großstädte

Ich hatte den Smart heute schon erwähnt, er kostet je nach Ausstattung in Brasilien 57.900 bis 64.900 R$ (19.966 bis 22.379 €). Der Mini Cooper ist sogar noch teurer, sein Preis bewegt sich zwischen 92.500 und 134.000 R$ (31.897 bis 46.207 €). Würden Sie sich in Europa für solche Preise einen Smart oder einen Mini Cooper kaufen? Und ich habe mit 1 € = 2,90 R$ gerechnet! Was ist, wenn der Kurs wieder bei 1 € = 2,50 R$ landet und der Smart dann bis zu 25.960 € kostet??? Dann hilft nur ein, diese Autos müssen zum Statussymbol werden, dann gibt es vielleicht genug Käufer. 

Aber es spricht immer noch ein Fakt gegen diese Fahrzeugklasse, sie ist in unserem Verkehr einfach zu unsicher. Manche meiner Kunden fühlen sich, wenn sie neben, hinter und vor sich hunderte von LKWs auf der Stadtautobahn fast in Tuchfühlung mit sich haben, schon in einem SUV unwohl!

Trotzdem will auch Fiat mitmischen und schickt den Fiat 500 in's Rennen, der in Europa 12.000 bis 15.000 € kostet und dessen Preis für Brasilien noch nicht bekannt gegeben wurde. 

Hoffentlich ereilt diese Autos nicht das Schicksal der hierzulande kläglich gescheiterten Modelle Audi A3, VW Golf und Mercedes A-Klasse, die samt und sonders zu teuer waren und derselben Idee, Luxus in Kleinautos zu bieten, gefolgt waren. Und der Smart ist wirklich klein. Ich warte auf die erste Zeitungsmeldung, dass ein Smart in ein Schlagloch auf der Marginal Tietê gefallen ist und dann von einem LKW noch tiefer hineingedrückt wurde. Das "in's Loch fallen" ist schon größeren Fahrzeugen in São Paulo gelungen.

Wer auf 5.000 Jahre Geschichte zurückblicken kann, denkt auch langfristig

Und die Chinesen, die für den größten unabhängigen Autofabrikanten des Reiches der Mitte verantwortlich sind, tun dies sicher, denn sie wollen in Brasilien montieren, trotz der dieses Jahr sicher nicht ausgelasteten Fahrzeugmontagekapazitäten unseres Landes. Und ob das nächste Jahr 3,5 Mio. Fahrzeuge einschließlich des Exportes mit sich bringen wird, ist fraglich.

Trotzdem will CHERY der erste chinesische Autofabrikant Brasiliens werden und zwar mit einer Fabrik, die Ende 2011 produktionsbereit sein soll. Und wenn schon, denn schon, in der Fabrik sollen Flexfahrzeuge montiert werden, also mit Motoren, die ein Gemisch von Alkohol und Benzin im beliebigen Verhältnis zueinander verdauen. Deshalb strebt man eine Zusammenarbeit mit Firmen wie Bosch, Delphi oder Magneti Marelli an, die über die Technologie dazu verfügen. Magneti Marelli z.B. hat eine Fabrik neben dem Komplex von Chery in Wuhu, 400 km von Shanghai entfernt. Den Präsidenten von Chery in Brasilien gibt es bereits, er heißt Luis Curi. Er verkündete schon, dass man zwischen 500 und 700 Mio. US$ in Brasilien investieren und 100.000 bis 150.000 Fahrzeuge jährlich bauen werde.

Mal sehen, was das für Auswirkungen auf den SMART hat, der in Brasilien für einen mittleren Preis von 60.000 R$ verkauft soll, das sind heute mit 1 € = 2,9 R$ immerhin fast 21.000 €, für Brasilien kein Pappenstiel!

25 April 2009

Gesine Schwan macht in Pessimismus...

...und Lula zeigt seinen Kollegen und Möchtegernkollegen, dass auch die Linke Optimismus verbreiten kann. Denn trotz aller Unkenrufe, Brasilien trotzt DER KRISE! Das mögen einige Erfolgsmeldungen unterstreichen:
  • Die metropolitane Arbeitslosenquote steigt im März auf 9 %. Und das soll eine Erfolgsmeldung sein? Ja, denn in Spanien stieg sie im Zuge der Weltwirtschaftskrise auf 17,4 %. In Brasilien haben wir damit in den sechs wichtigsten Ballungsgebieten Salvador, São Paulo, Recife, Rio de Janeiro, Belo Horizonte und Porto Alegre, die immer betrachtet werden und für die auch die Arbeitslosenquote gilt, 2,08 Mio. Arbeitslose. Aber die Tendenz zeigt auf Besserung und die Anzahl der in Lohn und Brot stehenden Menschen, die im Mittel allerdings nur 1.321,40 R$ monatlich verdienen, blieb mit 20,95 Mio. von Februar auf März stabil und war 0,9 % höher als im März 2008. Wenn man nur die Beschäftigten des Handels im Bundesstaat São Paulo betrachtet, stieg die Anzahl von März 2008 auf März 2009 sogar um 5,9 %.
  • Petrobrás stellt einen neuen Förderrekord in Brasilien auf. Im März waren es 1,992 Mio. barrels pro Tag, 2,7 % mehr als im Februar. Wenn man das geförderte Erdgas äquivalent einrechnet, betrug die Binnenförderung im März 2009 damit 2,315 Mio. barrels
  • Die Börsenkurse steigen auf einen Halbjahreshöchstwert, der Bovespa - Index erreicht 46.771 Punkte, lag aber im Juni des Vorjahres schon über 70.000 Punkten (und im Oktober 2008 knapp unter 30.000).
  • Die brasilianische GM-Tochter will trotz der maroden Mutter 500 Mio. US$ in neue Fahrzeugmodelle investieren, die unter der Leitung brasilianischer Ingenieure entwickelt werden sollen. Ab 2012 können wir diese Modelle dann auch hoffentlich kaufen.
  • Der Immobilienmarkt in Bundesstaat São Paulo zieht an, im Februar wurden 55 % mehr gebrauchte Immobilien als im Januar verkauft. In der Stadt São Paulo stieg der Absatz von neuen Immobilien um 40 % im selben Zeitraum. Im Januar wurden im Bundesstaat São Paulo schon 41 % mehr gebrauchte Immobilien als im Dezember verkauft, es handelt sich also offensichtlich um eine robuste Entwicklung zum Besseren.
  • Peru will die japanisch-brasilianische Digitalfernsehnorm übernehmen und könnte dann künftig Fernsehapparate aus Brasilien direkt aus der Montagelinie ohne Modifikation importieren
  • Der US-Dollar liegt wieder unter 2,20 R$ und stärkt damit Brasiliens Importwirtschaft, gut für unseren Handel und für deutsche und andere Exporteure
  • Die BNDES, unsere KfW, öffnet eine Kreditlinie von 300 Mio. US$, damit die Argentinier brasilianische Waren nicht nur kaufen, sondern auch bezahlen können.
Wie man sieht, ist Brasilien durchaus kein Land DER KRISE, sondern der - manchmal nicht ausreichend genutzten -  MÖGLICHKEITEN!

23 April 2009

Macht Alkohol leichtsinnig?

Sicher, wenn man sich die Schulden in Höhe von 40 Mrd. R$ der Zucker- und Ethanolindustrie Brasiliens ansieht. Seit 2007 macht diese vermehrt Schulden, um Verluste auszugleichen und das Umlaufkapital in der erforderlichen Höhe zu halten. 30 Gruppen, die zusammen 212.000.000 Tonnen Zuckerrohr, die Hälfte der kompletten Ernte, im Erntejahr 2007/2008 verarbeitet haben, machten mit den Fertigprodukten Zucker und Alkohol 14,2 Mrd. R$ Umsatz, hatten aber gleichzeitig 17,5 Mrd. R$ Schulden! 36 % dieses Betrages werden der BNDES geschuldet, 19,5 % kommen aus der Exportvorfinanzierung, 9 % sind langfristige Verbindlichkeiten und 35,5 % kurzfristige. Für jede Tonne verarbeitetes Zuckerrohr schulden die Firmen 76,10 R$, ein Jahr vorher waren es "nur" 39,40 R$. Für das Erntejahr 2008 / 2009 wird das Verhältnis wohl auf 85 R$ pro Tonne steigen, das ist über dreimal mehr als der von Fachleuten als akzeptabel betrachtete Wert. Die Bankschulden der betrachteten 30 Gruppen wiesen folgendes Wachstum auf:
  • 2005/6 => + 70 %
  • 2006/7 => + 112 %
  • 2007/8 => + 32 %
Die Zunahme der verarbeiteten Zuckerrohrmenge betrug im Mittel aber nur 20 % von Jahr zu Jahr. Hier ist also etwas ganz falsch gelaufen! 

22 April 2009

Was ist schoener als Durst?

Ihn zu loeschen, natuerlich! Und wenn man dazu Wasser nehmen muss! Aber wenn wir nicht aufpassen, haben wir bald weder Bier noch Wasser, wie die Erfahrung der Stadt São Paulo zeigt. 2008 wurden 5,4 Mrd. Liter Wasser buchstaeblich gestohlen. Das wurde bei 155.569 technischen Ueberpruefungen von Wasseranschluessen und -uhren festgestellt. 21.165 Wasseranschluesse waren irregular. Mit der abgezweigten Menge kann eine Stadt wie Guarulhos mit 1,5 Mio. Einwohnern und dazu noch Suzano mit 270.000 Einwohnern einen Monat lang spielend ausreichend versorgt werden. Der Wasserversorger SABESP hofft, durch die Regularisierung 26,1 Mio. R$ im Jahr zusaetzlich einzunehmen. Um Wasserdiebe anzuzeigen, reicht ein Telefonat, die Nummer ist +55 11 181. Der ertappte Suender muss keine Strafe zahlen, aber das "abgezweigte" Wasser, was einen Restaurantbesitzer im Stadtteil Moema 70.000 R$ oder ca. 24.000 EUR gekostet hat.

21 April 2009

Mindestlohn und Sozialversicherungsdefizit steigen

Der Mindestlohn soll von heute 465 R$ am 1.1.2010 auf 506,44 R$ steigen. Da hat offensichtlich wieder jemand einen Faktor benutzt und keiner traut sich, den neuen Mindestlohn mit 500 oder 510 R$ festzulegen. Aber was wichtiger ist, die Sozialversicherung wird wieder leiden. Denn als Lula 2006 mit den Gewerkschaftszentralen die Mindestlohnerhöhung abmachte, war es ihm wohl ziemlich egal, dass die Leistungen der Sozialversicherung immer noch an die Höhe des Mindestlohnes gebunden sind. Die Generosität Lulas wird die Sozialversicherung nächstes Jahr mit 7,2 Mrd. R$ belasten. 2008 betrug das Defizit 10,39 Mrd. R$, dieses Jahr werden 12,09 Mrd. R$ erwartet. Und die von Lula im Wahlprogramm angekündigte und vorher in der Opposition vehement bekämpfte Sozialversicherungsreform lässt weiter auf sich warten. Aber Geld für den Weltwährungsfond haben wir in Brasilía und Lula kann sich damit brüsten, wie "schick" es sei, dem Fond Geld zu leihen. Ob er wohl mal einen Blick auf den Kontoauszug der Regierung geblickt hat, um die Höhe der Inlandsverschuldung zu wissen?

20 April 2009

Laender mit Besuchern des Eurolatinasites

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Gute Nachrichten für Exporteure

Der Real wird wieder stärker:

DIE KRISE: Ist das Schlimmste schon vorbei?

In Brasilien vielleicht, im Rest der Welt sicher noch nicht. Aber auch Brasilien wird noch einige Zeit an den Auswirkungen zu knappern haben. Und durchaus aus auch aus internen Gründen, denn Präsident Lula weiß, dass 2010 sein letztes Amtsjahr sein wird und da möchte er natürlich einen guten Abgang haben. Und einen guten Einstieg in die von ihm angestrebte „diplomatische Tätigkeit“ nach Beendigung seiner Amtszeit. Beides kann er sich verschaffen, in dem er viel Geld ausgibt, um Staatsbedienstete einzustellen und durch Investitionen und Steueranreize auch in der Privatwirtschaft Arbeitsplätze zu schaffen. Dass das Geld nicht vorhanden ist, sondern Kredite aufgenommen werden, bekümmert ihn nicht sonderlich, denn diese müssen von seinen Nachfolgern – eine Amtsperiode reicht dazu sicher nicht – bezahlt werden. Und selbst, wenn das nächste Parlament seinen Mitgliedern nicht mehr üppige Reisen nach New York oder Paris – die bevorzugten Ziele - auf Staatskosten für Familienmitglieder und Freunde erlaubt und die monatlichen Mobiltelefonrechnungen einiger Senatoren nicht mehr den Wert eines Autos übersteigen, wird dies schwer werden. Denn noch sind die Zinsen weit oben und unsere Binnenverschuldung ist astronomisch hoch. Die Regierung brüstet sich wohlweislich nur mit dem Abbau der Außenverschuldung, denn die Schulden in Landeswährung hat sie bisher nur gesteigert. Übrigens ein Grund für das Wohlergehen der hiesigen Banken und den schlechten Kundendienst für Privatleute und kleinere Firmen, denn der Löwenanteil der Bankkredite wird hierzulande von der Regierung in Anspruch genommen. Das hat unsere Banken auch vor DER KRISE bewahrt, sie hatten überhaupt keine Veranlassung, riskante Geschäfte zu machen, bei der Regierungsunterstützung!

Mir wird von (wenigen) Lesern vorgeworfen, das Gute an der Regierung Lula nicht zu sehen und zu kritisch zu sein. Lula tue doch eine Menge für die Armen. Das stimmt, er hat Sozialprogramme seines Vorgängers zusammengefasst und ausgeweitet, mit der deutlichen Absicht, damit Wählerstimmen zu gewinnen. Und er hat Maßnahmen seiner Vorgänger, den Staatsapparat zu verkleinern, rückgängig gemacht und neue Staatsdiener eingestellt, mit der deutlichen Absicht, seiner Partei eine permanente Unterstützung durch die öffentliche Verwaltung zu sichern. Außerdem hat er das PAC-Programm geschaffen, um über Investitionen die Konjunktur anzukurbeln, aber nur 28 % von dem investiert, was bis heute möglich und vorgesehen gewesen war. Was beweist, dass Politiker und Beamte, insbesondere mit linker Tendenz, lausige Unternehmer sind. Siehe auch die mit großem Tam Tam oder Oba Oba wie man in Brasilien sagt, propagierten PPPs , die bis heute nicht funktionieren.

Aber er hat die Wirtschaftspolitik seines Vorgängers schamlos und erfolgreich kopiert. Ich schreibe schamlos, weil er diese Politik vorher vehement bekämpft hat wie auch die Steuerreform, die Arbeitsrechtsreform, die Wahlrechtsreform und die Sozialversicherungsreform, auf die wir in Brasilien bis heute vergeblich warten. Auch das Gesundheitswesen und das Schulwesen sind marode. Es reicht eben nicht, nur dagegen zu sein, wenn man in der Opposition ist, man muss auch ein Programm haben und die Fähigkeit es durchzuführen, wenn man „an der Macht“ ist. Um an dieser bleiben, werden in Brasilien mindestens 17 der 35 (!!!) Bundesminister im April 2010 aus dem Amt scheiden, um sich zu kandidieren. Stellen Sie sich mal vor, Steinmeier müsste ein halbes Jahr vor den Bundestagswahlen sein Amt als Außenminister aufgeben, weil er Kanzler werden möchte.

Aber zurück zur Krise: Seit Dezember 2008 sind die Steuereinnahmen deutlich gesunken, in den en ersten drei Monaten 2009 summiert sich der Verlust im Vergleich zum ersten Vierteljahr 2008 auf 11,33 Mrd. R$.

Weniger Steuern deutet auf weniger Geschäft hin und weniger Geschäft heißt weniger Transport, der in Brasilien größtenteils Straßentransport ist, sei es Passagier- oder Gütertransport. Um hier Erleichterung zu verschaffen, studiert die Regierung Maßnahmen zur Senkung des Dieselpreises, der mit 2,20 R$/l für uns wirklich hoch ist ; wobei man noch nicht entschieden hat, ob dies durch Steuersenkung oder durch Verringerung der Petrobrásmarge geschehen soll. Zuletzt wurde der Dieselpreis am 2.5.2008 geändert, als er um 15 % angehoben wurde. Seitdem ist der Erdölpreis (1 Barrel Brent: 110 US$ im Mai 2008, 52 US$ aktuell) in den Keller gefallen, nur in Brasilien hat dies leider keine Auswirkungen für den Verbraucher gehabt. Unser Diesel kostet nach wie vor 50 % mehr als in den USA.

Allein 21 der größten Schlachthöfe und Kühlhäuser Brasiliens, von denen 7 insolvent sind, entließen laut ABIEC – Associação Brasiliera dos Exportadores de Carne als Folge der Krise 52.000 Mitarbeiter. Wenn man die Firmen, die der ABRAFRIGO – Associação Brasiliera de Frigoríficos angeschlossen sind, dazu nimmt, vergrößert sich die Zahl um 12.000. Zusammen mit den Firmen, die als Lieferant von Produkten oder Dienstleistungen dem Sektor verbunden sind, kann man wohl von 100.000 verlorenen Arbeitsplätzen ausgehen. Unmittelbarer Grund ist der Rückgang der Rindfleischexporte um 20 % im Vergleich des ersten Vierteljahres 2008/2009. Aber der Export hat schon wieder steigende Tendenz. Um eine Größenordnung zu zeigen: 2008 haben die 750 Schlacht- und Kühlhäuser, die von der Bundesregierung geprüft werden, 38.500.000 Rinder verarbeitet.

Um diese Industrie sowie den Landmaschinensektor, Genossenschaften und Milchverarbeiter u.ä. vor dem Schließen zu bewahren, hat die Regierung eine Kreditlinie von 10 Mrd. R$ zu 11,25 % Jahreszinsen über die BNDES zur Verfügung gestellt.

Die gebeutelte Embraer, die internationale Aufmerksamkeit durch Massenentlassungen und den dadurch hervorgerufenen Streit mit der Gewerkschaft auf sich zog, erhält ebenfalls Regierungshilfe in Form von Aufträgen, insgesamt für 1,4 Mrd. US$ für die Entwicklung und Modernisierung von Flugzeugen der Luftwaffe und Marine.

Hilfe aus dem Ausland erhält unser Bergbaugigant Vale. Die Dubai Aluminium Company Dubal erwarb 19 % des Kapitals der Vale – Tochter Cia. de Alumina do Pará CAP. Der dritte im Bunde ist die norwegische Hydro Aluminium, die ihre 20 % unverändert behält. Die CAP wurde gegründet, um in Barcarena – Pará, 5 km von der Alunorte entfernt, eine Aluminiumraffenerie zu bauen, die 2,2 Mrd. US$ kosten wird, anfänglich 1,86 Mio. to Aluminium im Jahr herstellen kann und nach bisheriger Planung Ende 2012 in Betrieb gehen soll.

Ein Sektor, der auch erhöhte Aufmerksamkeit verdient, ist der von Zucker und Alkohol, der bei Banken mit 40 Mrd. R$ verschuldet ist. Deshalb verhandelt z.B. Infinity Bio-Energy mit einem Kapitalgeber, bei dem es sich um die belgische Trading Alcotra handeln soll. Alcotra hat 400 Mio. US$ für Investitionen in Brasilien übrig. Infinities Sechsmonatsbilanz vom 30.9.08 weist einen Verlust von 111 Mio. US$ aus, was die Beteiligungsverhandlungen offensichtlich nicht erleichtert. Die Firma hat vier Projekte für den Bau von neuen Zucker- und Alkoholraffinerien und die Ausweitung bestehender Kapazitäten von 2009 auf unbestimmte Zeit verschoben.

Der Zellulosemarkt spürt eine leichte Erholung. Die Verkäufe nach China steigen wieder und der Preisverfall legte eine Verschnaufpause ein. Immerhin war der Preis seit September 2008 sieben Monate hintereinander um insgesamt über 50 % gefallen! Der Markt für wieder aufbereitetes Papier dagegen schwächelt, es ist zu teuer, ökologisch korrekt zu sein. Seit Januar ist die Nachfrage nach Schreibpapier insgesamt um 25 % gefallen und große Verbraucher achten darauf, zertifiziertes Papier zu kaufen, welches aus gepflanztem Holz hergestellt wurde und wo die Verpackung darüber informiert, wie viel C02 bei der Herstellung freigesetzt wurde.

Die Krise hat sich auch auf Mergers & Acquisitions ausgewirkt, Brasilien ist heute auf dem Stand von 2006 mit 114 Geschäften im ersten Vierteljahr 2009, 27 % weniger als im Vorjahresvergleichsraum. Aber es kündigt sich eine Verbesserung an, denn im Januar wurde 36 Geschäfte abgeschlossen, im Februar 28 und im März schon 50.

Nach fünf Monaten schlechter Nachrichten stieg die Beschäftigtenquote in der Industrie von São Paulo im März endlich wieder, wenn auch nur um 0,31 % gegenüber dem Vormonat. Auch die Stahlproduktion stieg im März wieder, immerhin um 4,7 %. Aber gegenüber dem März 2008 betrug der Rückgang immer noch 41,5 %.

Eine sehr gute Nachricht kommt von der Börse, Brasiliens Aktien gehören wieder zu den besten der Welt, wenn man ihre Rentabilität betrachtet:

Wertsteigerung an der Börse 2009 per 15.4.:
27,41 % Brasilien
25,70 % Russland
21,23 % Chile
17,68 % Indien
05,02 % Australien
01,01 % Südafrika

Wertverfall an der Börse 2009 per 15.4.:
- 05,16 % USA
- 06,17 % GLOBAL
- 09,32 % EUROPA
- 10,84 % Japan

Und der Real konnte sich soweit gegenüber dem US-Dollar festigen, dass die Regierung schon wieder um die Wettbewerbsfähigkeit unserer Exportindustrie fürchtet.

Zum Schluss noch einige interessante Zahlen: In unserer Hauptstadt Brasília kommen 1,1 Mio. Autos auf 2,5 Mio. Personen, das sind schon europäische Verhältnisse. Jeder Hauptstadteinwohner hat im Schnitt 1,25 Mobiltelefone! 29,7 % der Haushalte der Hauptstadt haben Internetzugang, 36,4 % haben mindestens einen Computer und 94,1 % einen Telefonfestanschluss. 99,8 % der Haushalte Brasílias haben elektrischen Strom und 96 % Trinkwasser aus dem Wasserhahn. Brasílias HDI (Human Development Index) ist mit 0,936 der beste Brasiliens, gefolgt von Rio Grande do Sul mit 0,904 und São Paulo mit 0,901. Der Mittelwert für Brasilien ist 0,792. Brasília würde als Staat damit mit Neuseeland gleichauf liegen und vor Deutschland und Portugal. Man sieht den positiven Einfluss, den der Eigennutz unserer Regierung und unseres Parlamentes ausübt sowie die Anwesenheit von 175 Botschaften, 58 Konsulaten, zweier Handelsmissionen und 26 internationaler Organisationen.

Da kann es sich – so glaubt sie jedenfalls, die halbstaatliche Petrobrás auch leisten, ein Verwaltungsgebäude in Vitória mit 100.000 m2 für 486 Mio. R$ zu bauen, in dem 1.500 Mitarbeiter untergebracht werden sollen. Und das bei einer Zunahme der Zahlungsunfähigkeit oder –unwilligkeit von 20,6 % allein im Februar diesen Jahres im Vergleich zum Februar 2008.

Die Bauindustrie stellt übrigens wieder ein. Im März wurden 16.100 mehr Mitarbeiter eingestellt als entlassen. Im Vormonat war die Zahl auch positiv, aber der Saldo betrug nur 2.800 Mitarbeiter. Per Ende März betrug der Saldo 30.300 Leute, im Vorjahresvergleichsraum waren es noch 99.600. Das Regierunsprogramm "Minha casa, minha vida" (Mein Haus, mein Leben) wird hoffentlich eine weitere Erholung bringen, in seinem Rahmen sollen eine Million Häuser bzw. Wohnungen gebaut werden. Weitere Sektoren, die vermehrt einstellen, sind die Schuhindustrie, die Gummiverarbeitung, der Tabakbereich, Lederverarbeitung und die Textil- und Bekleidungsbranche. Metallverarbeiter und Papierindustrie entlassen weiterhin mehr als sie einstellen.

Dass Brasilien wieder vermehrt Maschinen und Anlagen aus Deutschland einkauft, können Sie hier lesen (Meldung von der Hannovermesse).

18 April 2009

Biogasanlagen in Brasilien

"Die Brasilien-Pläne der Torgelower ME-LE-Gruppe werden immer konkreter" schreibt Thomas Krause am 18.4.2009.
Zum Artikel!

Ein gutes Beispiel für das Engagement einer deutschen Firma, die in Brasilien investiert und dies aus guten Gründen weit weg von São Paulo, denn hier gibt es nicht genug Rindviecher für die Erzeugung von Gülle, welches Methan freisetzt. Schade, dass es nicht wesentlich mehr Unternehmer gibt, die im Ausland selbst und nicht nur über Handelspartner agieren wollen.

Mehr über Biogas und andere erneuerbare Energieträger finden Sie bei Associacão Brasileira de Energias Renováveis e Meio Ambiente.

17 April 2009

Steuern runter - Steuern hoch!

Am heutigen Freitag hat die Regierung sich dazu durchgerungen, die Steuer auf industriell hergestellte Produkte, kurz IPI und unter Bundeskompetenz, zu senken. Konkret geht es um Kühlschränke (15 % => 5 %), Waschmaschinen (20 % => 10 %), Waschtanks (10 % => 0 %) und Herde (5 oder 4 % => 0 %), also um die so genannte weiße Ware. Diese Steuersenkung gilt ab heute für drei Monate. Das Datum für ähnliche Erleichterungen bei Gefriertruhen und Mikrowellenherden steht noch nicht fest. Auch Baumaterial wird billiger, die Regierung hat für etliche Produkte eine komplette IPI-Befreiung für 3 Monate verordnet.

Das "Gutmenschentum" für die Käufer weißer Ware kostet die Regierung 173 Mio. R$, wofür der Regierung noch keine nicht wahlschädigende Kompensation eingefallen ist. Für die Verbilligung der Baumaterialien werden nämlich die Raucher zur Kasse gebeten. Nachdem das Rauchen in São Paulo in der Öffentlichkeit komplett verboten wurde, d.h. es gibt auch keine Raucherecken in Restaurants und Firmen mehr, wird es also für die, die diesem Laster weiterhin in den eigenen vier Wänden, in ihrem Auto oder in der freien Natur fröhnen wollen, nicht nur schwieriger, sondern auch noch teurer. Aber der Finanzminister hofft, dass durch die Mehrverkäufe weißer Ware der Steuerausfall kompensiert wird, was bei Waschtanks und Herden schwer sein wird, denn viele Male Null bleibt immer noch Null.

PIS/Cofins dürfen übrigens nicht ohne Kompensation gesenkt werden, das bestimmt ein Gesetz. Aber angehoben werden darf der Hebesatz, und das wurde für Zigaretten gemacht.

Aber wenigstens sind jetzt nicht nur Kraftfahrzeuge und Motorräder billiger, sondern auch weiße Ware und Baumaterialien. Das kostet insgesamt voraussichtlich 1,675 Mrd. R$ Steuerausfall, aber kurbelt die Wirtschaft an und wird hoffentlich dadurch einen überproportionalen Gegeneffekt auslösen. Ronald Reagan würde sich bestätigt fühlen, er hatte vor seinem Präsidentenamt als Ministerpräsident Kaliforniens durch Steuersenkungen einen Wirtschaftsboom ausgelöst. Sozialisten lösen solche Probleme normalerweise anders - siehe früher Steuerbescheide für Prominente in Schweden, die angeblich in Extremfällen mehr als 100 % der Bezüge forderten. Aber Lula ist pragmatisch und nicht dogmatisch.

Neuer Wirtschaftsboom am Zuckerhut?

Es ist nicht von ungefähr, dass eine Veranstaltung am 25. Mai in Wien diesen Titel trägt, denn ich werde dort auf Einladung des österreichischen Konsulats in São Paulo einen Vortrag mit dem Titel

WIRTSCHAFTSBOOM TROTZ KRISE
Brasilien ist nicht zu bremsen! 

halten, der sich an den Inhalt meines Buches WIRTSCHAFTSBOOM AM ZUCKERHUT anlehnen und die aktuelle wirtschaftliche Entwicklung Brasiliens berücksichtigen wird. Mein Beitrag ist einer von dreien und wird den praktischen Aspekten der Entwicklung eines Brasiliengeschäfts gewidmet sein. Hier sind die Veranstaltungsdaten, das komplette Programme können Sie durch Klicken in den obigen Link aufrufen:

AWO‐LÄNDERFORUM BRASILIEN
Neuer Wirtschaftsboom am Zuckerhut?
Rot‐weiß‐rote Chancen in Brasilien
25. Mai 2009, 13:30 Uhr
Haus der Wirtschaft, Wiedner Hauptstr. 63, 1045 Wien – Franz Dworak‐Saal

Auch österreichischen Firmen steht dabei der von mir in Brasilien aufgebaute und geleitete Firmenpool Brasilien/Merocur der IHK Essen, durch den schon über 150 Firmen auf ihrem Weg nach Brasilien betreut wurden, offen, um diesen als kostengünstiges Einstiegsinstrument nutzen zu können.

15 April 2009

Schlagzeilen

Gelbfieberrisiko in Brasilien deutlich gestiegen
Brasiliens Präsident Lula wünscht sich Dilma Rousseff als Nachfolgerin
Neue Rüstungsaufträge für brasilianische Firma Embraer
Entlassener Arbeiter besetzt Fabriktor von GM-Brasilien

Der Mensch lebt nicht vom Brot allein

 - aber ohne dieses geht es auch nicht. Für Europäer ist dies auch erstaunlich billig, denn um einen Salat, eine Hauptspeise und einen Nachtisch zu verzehren, dazu ein nicht alkoholisches Getränk zu sich zu nehmen und zum Abschluß einen brasilianischen Kaffee - cafezinho - zu trinken, gibt der brasilianische Arbeitnehmer über seinen Essensgutschein, der von vielen (einfachen) Restaurants eingelöst wird, im Mittel nur 16,26 R$ aus, umgerechnet zur Zeit 5,60 €. Das ergab die Auswertung der Daten von 2.525 Restaurants, die solche Gutscheine annehmen. Die Analyse wurde im Auftrag der Assert (Associação das Empresas de Refeição e Alimentação Convênio para o Trabalhador) von Ipsos durchgeführt. Unter den 22 betrachteten Städten waren Vitório - ES mit 20,94 R$ und Cuibá - MT mit 20,65 R$ die teuersten. São Paulo stach mit 15,96 R$ hervor - Konkurrenz belebt das Geschäft und senkt die Preise! Der mittlere Wert der Gutscheine, den die Arbeitgeber ausgeben, beträgt 10 R$. Im Oktober/November 2007 betrug der mittlere Essenspreis noch 14,87 R$, die Steigerung bewegt sich also noch in einem moderaten Rahmen. Arbeitgeber, deren Geschäft nach dem Realgewinn veranlagt wird, können bis 4 % von der Körperschaftssteuer abziehen, wenn sie sich im AT (Programa de Alimentação do Trabalhador) einschreiben und es werden keine Sozialabgaben für den Wert der bereitgestellten Mahlzeiten erhoben. Zur Zeit sind 109.000 Firmen in diesem Programm registriert und 11,5 Mio. Arbeitnehmer profitieren davon. 79 % dieser Mitarbeiter verdienen bis zu fünf Mindestgehälter. Die Regierung kostet dieses Programm 2009 ungefähr 489 Mio. R$, letztes Jahr waren es 321 Mio. R$.

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14 April 2009

Krieg und Frieden

Lateinamerika ist von bewaffneten zwischenstaatlichen Konflikten weitgehend frei, aber trotzdem sind Militärwaffen täglich im Gebrauch, um den Willen Krimineller durchzusetzen. Dagegen ist die Polizei mangels gleichwertiger Ausrüstung oft hilflos und das Militär läßt sich die Waffen von Kriminellen abnehmen, weil man wegen fehlender Übung (Gott sei Dank!) auf Überfälle in den friedlichen Quartieren nicht vorbereitet ist.

Aber viele Regierungen der Region möchten vorbereitet sein und schicken deshalb ihre Offiziere - andere Besucher sind nicht zugelassen - auf die von der britischen Clarion organisierten LAAD - Latin America Aero & Defense, die heute in Rio de Janeiro ihre Pforten öffnet. Die nächsten vier Tage können 320 Aussteller aus 30 Ländern den Offizieren der 43 eingeschriebenen Länder zeigen, was alles möglich ist, wenn es um Angriff und Verteidigung geht und man das nötige Kleingeld hat. Brasilien hat es offensichtlich, denn nach einem Abkommen mit Frankreich über den Erwerb von U-Boot- und Hubschraubertechnologie wird das Land über die Beschaffung von Kampfflugzeugen entscheiden - Boeing, Dassault oder Saab sollen liefern. Und den Messebesuchern wird natürlich der Mund mit Spitzentechnologie wässrig gemacht. Bleibt nur zu hoffen, dass deren Einsatz oder besser Existenz bewaffnete Konflikte durch Abschreckung verhütet und dass diese nicht in die Hände des organisierten Verbrechens oder von Terroristen gelangt.

12 April 2009

Brasiliens Industrie erholt sich

Es gibt wenigstens Anzeichen dafür, dass die Binnenmarktnachfrage für steigende Produktionszahlen sorgt, z.B. bei den Motorradfabrikanten, die im März die Produktion um mehr als 50 % steigern mussten, um mit der Nachfrage Schritt zu halten. Eine Analyse der Daten von 1.066 Firmen mit zusammen über 540 Mrd. R$ Umsatz im Vorjahr bestätigt die Erholung in einigen Sektoren. Die höchste Nachfrage kann die Lebensmittelindustrie für sich verbuchen, gefolgt vom Pharmasektor und der Autobranche. Das Schlusslicht sind der Maschinenbau und die Elektroindustrie.

Spät, aber mit Wucht

Lange blieb Brasilien von der Krise verschont - Jetzt beginnt eine Entlassungswelle - Hoffnung ruht auf dem Konsum

São Paulo - Als sich vor der Zentrale des Flugzeugbauers Embraer in São José dos Campos eine Gruppe von Männern versammelt, macht sich schnell Wut unter ihnen breit. Früher gingen sie hier, rund 100 Kilometer von São Paulo entfernt, jeden Morgen an ihre Arbeitsplätze. Mittlerweile ist ihnen der Zutritt versagt. Ein hohes Eisengitter schirmt die Einfahrt ab, und Polizisten mit Maschinenpistolen versuchen, die Männer auf Distanz zu halten. Deren Tage beginnen nun mit Protesten.

Mitte Februar hatte der viertgrößte Flugzeugbauer der Welt angekündigt, 4200 Beschäftigte zu entlassen, rund 20 Prozent der Belegschaft. Ein Arbeitsgericht hat die Entlassung zwar gestoppt. Doch die Stellenstreichungen scheinen unumgänglich. Es ist der bislang größte Arbeitsplatzabbau eines brasilianischen Unternehmens. Und es ist ein Vorbote für das, was auf Lateinamerikas größte Volkswirtschaft in den kommenden Monaten zukommen könnte.

Lange schien Brasilien eines von wenigen Ländern zu sein, das von der weltweiten Krise verschont bleiben würde. Präsident Luiz Inácio Lula da Silva versprach für 2009 vier Prozent Wachstum - nur ein Prozent weniger als im Vorjahr. Und auch das Gros der Ökonomen nährte die Hoffnung, dass die weltweiten Turbulenzen vorüberziehen könnten. Denn anders als die Länder Europas oder die USA, so erklärten sie, sei Brasiliens Wirtschaft mit nur 13 Prozent Exportanteil gegen globale Schocks gefeit. Und auch das Bankensystem sei stabil, nachdem es in den 90er-Jahren reformiert wurde.

Doch mehr und mehr zeigt sich, dass die Abkoppelungstheorie selbst für eine relativ geschlossene Wirtschaft wie Brasilien nicht gilt. Denn die Krise hat mittlerweile den Binnenmarkt erreicht, das wirtschaftliche Rückgrat Brasiliens. Die US-Bank Morgan Stanley warnt schon seit Wochen vor einer Rezession. Und Experten wie der Lateinamerika-Chefökonom der WestLB, Roberto Padovani, die noch an Wachstum glauben, sehen sich gezwungen, ihre Prognosen herunterzuschrauben. Statt 2,1 Prozent Wachstum erwartet Padovani jetzt nur noch ein Prozent.

Die Dynamik des weltweiten Abschwungs droht einen der letzten Dominosteine zu Fall zu bringen. Die Krise erreichte Brasilien zwar spät, doch dann mit Wucht. Ende vergangenen Jahres brach die Autoproduktion um 54 Prozent im Vergleich zum Vorjahr ein. Die Gesamtwirtschaft bekam dies unmittelbar zu spüren. Von Oktober bis Dezember schrumpfte die Wirtschaft erstmals um 3,2 Prozent - der größte Rückgang in mehr als zehn Jahren.

Das Tempo des Abschwungs hat viele Brasilianer überrascht. Doch Ökonomen wie Zeina Latif von der ING Bank in São Paulo wollen sich von der Krisenstimmung nicht anstecken lassen. Sie gehört zu den Optimisten, die Brasilien bald wieder auf der Überholspur sehen. Denn die Krise, so erklärt sie, habe längst nicht alle Sektoren erfasst.

Ein Blick auf jüngste Wirtschaftsdaten ergibt tatsächlich ein gemischtes Bild. Betroffen sind vor allem die Auto-, Elektro- und die Bauindustrie sowie die Rohstoff- und Agrarproduzenten. Sektoren, die entweder stark vom Export oder von Krediten abhängig sind. Der Konsum scheint dagegen weitgehend unbeeinträchtigt. Die Nahrungs- und Textilindustrie musste bislang keinen Einbruch beklagen.

So ist es vielleicht gar nicht überraschend, dass einige deutsche Unternehmen gerade jetzt Brasiliens Absatzmarkt für sich entdecken. "Viele Firmen spielen mit dem Gedanken, in Brasilien einzusteigen", sagt Karlheinz Naumann. Er lebt und arbeitet seit mehr als 20 Jahren in Brasilien. Für die Industrie-und Handelskammer in Essen leitet er ein Firmenpool, mehr als 150 Unternehmen hat er den Markteintritt in Brasilien geebnet. Jüngste Gespräche hätten gezeigt, dass "viele Firmen hoffen, den Umsatzeinbruch in Deutschland mit Aufträgen aus Brasilien kompensieren zu können", sagt Naumann.

Die Hoffnung, Brasilien könne eine Art Rettungsboot in der Krise werden, könnte jedoch leicht enttäuscht werden. Denn täglich treffen Meldungen ein, die zeigen, dass der heimische Markt längst nicht so robust ist, wie viele hoffen. Die Kündigungswelle ist im vollen Gang. Allein im Dezember und Januar wurden 755 000 Arbeitsplätze abgebaut. Im Januar stieg die Arbeitslosenrate laut Statistikamt auf 8,2 Prozent, von 6,8 Prozent im Dezember. Während Ökonomen wie Zeina Latif davon ausgehen, dass damit der Höhepunkt bereits erreicht ist, sind andere skeptischer. "Das Schlimmste steht erst noch bevor", sagt der Chefökonom von Morgan Stanley, Marcelo Carvalho. "Wir sind gerade erst am Anfang des Stellenabbaus." Bis Mitte des Jahres sieht er die Arbeitslosigkeit auf zehn Prozent klettern.

Längst sind es nicht mehr nur die gebeutelten Auto- und Bauindustrien, die ihre Arbeiter auf die Straße setzen. Über alle Branchen hinweg werden Stellen gestrichen. Allein mit der Finanzkrise und der Kreditklemme sei dieser drastische Stellenabbau nicht zu begründen, erklärte das staatliche Forschungsinstitut Instituto de Pesquisa Económica Aplicada (IPEA). Nach ihrer Ansicht ist die schlechte Stimmung für den Rückgang verantwortlich. Bis Mitte des Jahres, so prognostiziert Padovani, werde der Stellenabbau und sinkende Reallöhne verstärkt im Binnenmarkt zu spüren sein.

Selbst die Regierung ist vorsichtiger geworden. Ein Wachstum von vier Prozent postuliert sie jetzt nur noch als "Ziel". Die Mitte-Links-Regierung von Lula hat den Ernst der Lage erkannt. Mit Finanzspritzen von rund 100 Mrd. US-Dollar für Währung und Geldmarkt haben Regierung und Zentralbank in den vergangenen Monaten versucht, der Kreditklemme entgegenzuwirken. Und Steuersenkungen von rund 3,5 Mrd. Dollar sollen dazu beitragen, der angeschlagenen Industrie wieder auf die Sprünge zu helfen. Zur Wiederbelebung der Bauwirtschaft hat Lula zudem jüngst die Errichtung von einer Million neuen Häusern angekündigt.

Doch all dies zeigt nur begrenzte Wirkung. Die Kreditklemme gibt es nach wie vor. Im Januar sind die Investitionen um rund 13,3 Prozent gesunken. Seit Anfang des Jahres konnte sich zwar die Autoindustrie wieder etwas erholen. Doch die Regierung will die Steuererleichterungen Ende März auslaufen lassen. Ein Produktionseinbruch auf Raten könnte die Folge sein. Insgesamt sei das Wachstumsprogramm zu klein und der finanzielle Spielraum der Regierung zu eng, um die Konjunktur ankurbeln zu können, sagt WestLB-Ökonom Padovani. Das Einzige, was damit erreicht werde, sei, den Abschwung zu mildern und hinauszuzögern.

Autorin: BIRGIT JENNEN
Quelle: DIE WELT 7. April 2009

Froehliche Ostern!



Quelle: Henric Schwartz, New York - USA

07 April 2009

Die Höhen und Tiefen der Autoindustrie

Brasilien schlägt sich tapfer in DER KRISE, was man mit den Verkaufszahlen der Autoindustrie vom März 2009 beweisen kann. Denn gegenüber Februar 2009 wuchs der Absatz um 36,2 % und erreichte 271.400 Fahrzeuge. Gegenüber dem März 2008 bedeutet dies ein Zuwachs von 16,9 %, was klar zeigt, dass dieser Rekordwert nicht auf den krisenbedingten Absatzeinbruch ab Oktober 2008 zurückzuführen ist. Der wahre Grund war die Angst der Autokäufer, dass die Steuervorteile über den 31.3.09 nicht verlängert werden – wurden sie aber! Ende April wird sich zeigen, ob es sich tatsächlich nur um vorgezogene Käufe gehandelt hat und die wirkliche Nachfrage doch unter der des Vorjahres liegt. Auch darf nicht verschwiegen werden, dass im ersten Vierteljahr 2009 die Produktion gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres um 16,8 % zurückging.

Wenn man den Autoabsatz im März 2009 mit dem im März 2008 vergleicht, kommt man auf einen Rückgang von 30,5 %! Allerdings nicht in Brasilien, sondern in Großbritannien. Für das erste Vierteljahr betrug der Rückgang im Inselstaat 29,7 %.

Noch eine Erklärung zur Pause meiner Brasilienberichterstattung. Ich bin nicht in São Paulo und mein Internetzugang ist sehr limitiert, aber ab nächste Woche ist alles wieder normal.