08 Dezember 2012

Brasiliens Jahresende verspricht, turbulent zu werden!

Gestern hatten wir einen heißen Frühlingstag in São Paulo. Als ich, aus Guarulhos kommend, in die Stadt fuhr, war der Himmel wie die Stimmung unserer Präsidentin:
 Die Temperatur lag trotzdem noch bei 39 Grad:
Ein kurzer Regen brachte Erleichterung, die Temperatur fiel auf 35 Grad. Zurück zur Präsidentin, die auf den ECONOMIST sauer ist, weil dieser Brasiliens Wirtschaft als moribund bezeichnete und ihr empfahl, Minister Mantega auszutauschen. Was natürlich Anlass war, diesen ostentativ zu unterstützen und ihn nicht auszutauschen, wenigstens nicht sofort.

Die Präsidentin sprach die starken Worte auf einer Mercosul- oder, wie man in Deutschland sagt, Mercosurveranstaltung, auf der eine Vereinbarung unterschrieben wurde, damit Bolivien Vollmitglied werden kann. Deshalb ist dieser gemeinsame Markt auch mehr Witz als alles andere, denn mit den linken Regierungen der Möchtegern - Diktatoren Boliviens, Venezuelas und Argentiniens wird der freie Güterverkehr am Sanktnimmerleinstag Realität werden. Der sogenannte Mercosur sollte eigentlich auch in Deutschland besser Mercosul genannt werden, denn sein Mitglied Brasilien ist wirtschaftlich stärker als alle anderen Mitglieder zusammen.

Brasiliens wirtschaftliche Stärke ist ambivalent, z.B. wäre die Überschrift denkbar: "Brasiliens Autoproduktion fällt erstmalig seit 2002!" Aber wer schreibt: "Brasiliens Autoabsatz steigt weiter!" begeht auch keinen Irrtum. Die brasilianische Autoindustrie ist übrigens auch Schuld daran, dass es mit dem Mercosul nicht vorangeht. Denn Argentiniens Autoindustrie ist der brasilianischen hoffnungslos unterlegen und Frau Kirchner sucht ihr Heil im Protektionismus, dem Frau Rousseff nichts entgegenzusetzen hat oder will. Aber zu den Fakten! Brasiliens Autoindustrie wird 2013 wahrscheinlich mit einer Produktion von 3,36 Mio. Fahrzeugen (Autos, Lkws, Busse) abschliessen, 1,5 % weniger als 2011. Auch Anfavea irrte wie die Regierung mit der BIP-Prognose, denn bis dato hieß es, man würde um 2 % zulegen. Noch hat deshalb keine ausländische Zeitschrift den Rücktritt des Verbandspräsidenten Cledorvini Belini gefordert. Vielleicht, weil die Zulassungszahlen anders aussehen, denn der Fahrzeugabsatz wird bis Jahresende gegenüber dem Vorjahr um 4,9 % zugenommen haben und 3,8 Millionen Fahrzeuge erreichen. Er, der Anfavea-Präsident, erklärte den Produktionsrückgang mit dem schrumpfenden Export, der 2012 wahrscheinlich 435.000 Einheiten betragen wird, 21,3 % weniger als 2011, der geringste Wert seit 2009. Und das, obwohl der R$ im Laufe des Jahres gehörig an Wert gegenüber dem € verlor:
Deshalb und wegen der willkürlich verordneten zusätzlichen 30 % IPI auf Importe sollte man eigentlich erwarten, dass der Import stark beeinträchtigt sein würde und nicht der Export. Aber trotz der negativen Einflüsse auf den Import ging dieser nur um 5,8 % per November 2013 zurück. Von allen 2012 bisher verkauften Fahrzeugen sind 719.400 importiert. Der Absatz in Brasilien hergestellter Fahrzeuge stieg um 8 % auf 2,723 Mio. Einheiten, ein Beweis für die gewachsene Kaufkraft und die billigeren Kredite. 

Am stärksten verhagelte die sinkende Nachfrage den Lkw- und Busherstellern das Geschäft, deren Produktion ging per November 2013 um 39,4 bzw. 23,4 % zurück. Die Produktion an Autos und Klein-Lkws stieg dafür um 0,9 %. Damit wird Brasilien den siebten Platz unter den Produzenten nicht halten können, aber wohl den vierten als Absatzland. 

Trotz des Produktionsrückganges hat unsere Autoindustrie 5.500 neue Mitarbeiter eingestellt und beschäftigt gegen Jahresende 150.100 Menschen. 

Die Inflation beträgt per November 2011 in Brasilien 5,01 %, die der letzten 12  Monate summierte sich auf 5,53 %. Der Preis der Flugpassagen stieg im November um 11,8 %, das macht 0,06 Prozentpunkte des Indexes aus.

Selbst die Banken spüren, dass der Wind sich gedreht hat und ihnen noch nicht in's Gesicht bläst, aber auch kein Rückenwind mehr ist. Mit dem historisch tiefen Leitzins rutschte auch ihr Gewinn ab und ging im dritten Quartal um 31 % gegenüber dem Vorjahresvergleichszeitraum zurück. Es gibt fast 100 kommerzielle Banken in Brasilien, deren Gewinn im dritten Quartal 2011 nur noch 12,1 Mrd. R$ betrug, vorher waren es 17,5.

Zum Schluss noch eine Bemerkung zu den Löhnen und Gehältern in Brasilien. Diese wuchsen 2011 um 2,7 %, während der weltweite Duchschnittswert 1,2 % betrug. Aber in vielen Krisenländern gingen die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit sogar zurück, siehe Griechenland, Spanien und UK. Trotzdem sagt das relative Wachstum nicht viel aus, wenn man die absoluten Werte nicht kennt. Hier sind sie in US$ / Arbeitsstunde für Industriearbeiter laut der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO):
  1. Philippinen 1,41
  2. Ungarn 4,74
  3. Polen 4,86
  4. Brasilien 5,41
  5. Slowakei 6,03
  6. Estland 6,10
  7. Tschechische Republik 6,81
  8. Portugal 7,16
  9. Argentinien 8,68
  10. Singapur 12,68
  11. Griechenland 13,01
  12. Spanien 14,53
  13. Israel 15,28
  14. Neuseeland 17,29
  15. Japan 18,23
  16. Italien 18,96
  17. Frankreich 21,06
  18. Vereinigtes Königreich 21,16
  19. Österreich 21,67
  20. USA 23,32
  21. Holland 23,49
  22. Belgien 24,01
  23. Kanada 24,23
  24. Schweden 24,78
  25. Finnland 25,05
  26. Deutschland 25,80
  27. Irland 26,29
  28. Australien 28,55
  29. Schweiz 34,29
  30. Dänemark 34,78

Bitte keinen vorschnellen Schlüsse, dies sind Bruttoeinkünfte, nicht Personalkosten!!! In Brasilien können Sie getrost die Bruttobezüge verdoppeln, um auf die Personalkosten zu kommen.

Ganz zum Schluss möchte ich Ihnen noch zwei Ikonen der brasilianischen Kultur zeigen, Graffiti und das regionale Hauptquartier der größten privaten brasilianischen Fernsehgesellschaft Rede Globe in São Paulo:


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen