11 Juni 2014

Sind deutsche Journalisten überheblich oder uninformiert oder beides?

Eben las ich den Artikel Brasilianer fürchten das Erbe der WM in der FAZ vom 11.6.2014 und fand darin folgende Passagen: "...Zumal etliche der neuen Stadien nach der WM kaum mehr gebraucht werden, weil in Provinzstädten wie Cuiabá und Manaus, aber auch in der Hauptstadt Brasília gewöhnlich nur drittklassige Klubs vor einer Handvoll Zuschauern kicken...."

Manaus ist also eine Provinzstadt? Mit fast 2 Mio. Einwohnern und einer florierenden Freihandelszone? Mit dem größten Hafen der Welt mit schwimmenden Stegen? Der Autor des obigen Artikels sollte mal Optimierung der Wirtschaft: Brasilien und Venezuela gründen Arbeitsgruppe lesen. Dort steht u.a. "In den in Manaus ansässigen Unternehmen werden nun vor allem chemische und technische Produkte wie Motorräder, Fernseher und Computermonitore, Handys und Klimaanlagen im Wert von mehr als 20 Milliarden US-Dollar pro Jahr hergestellt und zum Teil auch entwickelt. Manaus ist heute aufgrund der großen Wirtschaftskraft und des Tourismus nach São Paulo, Rio de Janeiro und Brasília die viertreichste Stadt Brasiliens."

Übrigens ist es selbst in Brasilien erlaubt, sicht nicht für Fußball zu interessieren oder sogar zu begeistern. Und die Bevölkerung von Manaus hat mit Fußball nicht viel am Hut, das kann aber nicht mit der angeblichen Provinzialität der Stadt begründet werden. Und bitte nicht vergessen, Brasilien ist 24 x grösser als Deutschland und würde, auf Europa gelegt, vom Nordkap bis in die Sahara reichen. Und in diesem Gebiet findet man sicher auch Menschen, denen Fußball schnurzpiepegal ist und die trotzdem keine Provinzler sind.

Dem Rest des FAZ-Artikels kann ich voll zustimmen, aber selbst als Berliner mit Großschnauze würde ich Manaus nie als Provinzstadt bezeichnen - das bin ich schon meinem Freund Carijó schuldig, der mal OB dieser Dschungelstadt war. Ich glaube, noch nicht mal ein Texaner würde dies tun. 

Über die andere "Provinzstadt" Cuiabá steht bei Wikipedia "Cuiabá ist die Hauptstadt des brasilianischen Bundesstaates Mato Grosso. Sie hat eine Bevölkerung von rund 554.361 Menschen, im Ballungszentrum leben 1.000.000 Menschen." Und dort schlägt auch das Herz des brasilianischen Agrobusiness, verantwortlich für eine Billion R$, also ca. 333 Mrd. € Beitrag zum Bruttoinlandsprodukt! In Cuiabá ohne Berücksichtigung des Ballungsraums wohnen übrigens mehr Einwohner als in Bremen, Dresden, Leipzig, Hannover, Nürnberg, Duisburg, Bochum, Wuppertal, Bielefeld, Bonn, Münster, Karlsruhe, Mannheim, Augsburg, Wiesbaden, Gelsenkirchen, Mönchengladbach, Braunschweig, Chemnitz, Aachen, Kiel, Halle, Magdeburg, Krefeld, Freiburg, Lübeck, Oberhausen, Erfurt, Rostock oder Mainz, die alle mehr als 200.000 Einwohner haben, diese Provinzstädtchen!

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