05 Februar 2015

BRASILIEN IN NÖTEN, WAS NUN?

Nach den Präsidentschaftswahlen, die die Amtsinhaberin Dilma Rousseff knapp gewann, geht alles drunter und drüber. Leistungs-, Handels- und Zahlungsbilanz negativ, Industrie durch Importe geschwächt, Petrobrás ohne Führung und jeden Tag im Kriminalteil der Zeitungen, zuletzt mit Nachrichten über 160 Mrd. R$ Verluste durch schlechte Geschäftsführung und Korruption, keine Reformen in Aussicht, prekäre Infrastruktur, die Aufzählung könnte beliebig fortgeführt werden.

Das schreckt Firmen davon ab, in Brasilien wie auch immer tätig zu werden und macht denen, die schon hier sind, das Leben schwer. Die Gretchenfrage ist für die erste Kategorie “Soll ich den brasilianischen Markt bedienen?” und für die zweite “Wie schütze ich mich vor Verlusten?”.

Wie kam es zu dieser Situation? Unter Präsident Fernando Henrique Cardoso, polyglotter Universitätsprofessor und Wirtschaftsminister unter Präsident Itamar Franco, wurde die Inflation ua. durch eine Währungsreform besiegt, die defizitären Staatsbetriebe – leider nicht die Petrobrás – privatisiert, das Gesetz der fiskalischen Verantwortung eingeführt, die Mitarbeiteranzahl im Öffentlichen Dienst reduziert und die Kursschwankungen des R$ durch die Einführung einer Bandbreite für den Kurs kalkulierbar gemacht. Und dann? Dann kam der ehemalige Gewerkschaftsführer und Präsident der Arbeiterpartei zum Zuge, der im Parlament gegen alle diese Maßnahmen seines Vorgängers stimmen ließ und wurde sein Nachfolger als Präsident Brasiliens. Denn in Brasilien kann – in diesem Fall leider –  ein Präsident nur einmal wiedergewählt werden und der Kandidat Cardosos konnte sich gegen den populären Lula nicht durchsetzen.

Lula verschreckte zunächst die Wirtschaftführung Brasiliens und des Auslandes und als unmittelbare Reaktion stieg das Länderrisiko Brasiliens an. Erst als klar wurde, dass der pragmatische Arbeiterparteipräsident die Wirtschaftspolitik seines Vorgängers fortsetzen würde, beruhigten sich die Gemüter wieder. Lula hatte auch das Glück, dass sich das Schiff der Weltwirtschaft in ruhigen Fahrtwassern befand, Petrobrás unter der Salzschicht der Tiefsee riesige Erdöl- und –gasvorräte fand und die Commodities, vor deren Export Brasilien lebte, hohe Preise dank der Nachfrage Chinas erzielten.

Aber auch Lula durfte nur zwei Amtsperioden lang regieren, Popularität hin und Popularität her. Diese hatte er auch dadurch erzielt, dass er Sozialprogramme seines Vorgängers bündelte und über 20 Millionen Arme mit Maßnahmen wie Bolsa Família massiv finanziell unterstützte – selbst die Familien von Strafgefangenen bekamen und bekommen ungerechnet über 250 € im Monat als Unterstützung. Außerdem setzte Lula auf die Erhöhung des Mindestlohnes – leider über die Erhöhung der Produktivität hinaus – und auf Konsum. Dieser Konsum wurde durch Kredite finanziert, Geld für den Ausbau der Infrastruktur war aber leider nicht verfügbar. Die von Lula initierte und erfolgreiche Bewerbung Brasiliens als Austragungsland der Fußballweltmeisterschaft bescherte dem Land nur Kosten, der erhoffte Geldsegen blieb aus – jedenfalls für die Masse der Bevölkerung. Mit der Olympiade, die nächstes Jahr in Rio de Janeiro stattfinden wird, soll es anders werden; Zweifel sind erlaubt.

Als Nachfolger propagierte Lula seine Schülerin Dilma Rousseff, wohlbekannt als Terroristin, die in der Illegalität gegen die Militärdiktatur Brasiliens kämpfte, und die als “Mutter des PAC” Vorschußlorbeeren erhielt. Leider war dieses Programm des beschleunigten Wachstums ein Flop, weil viele riesige Projekte zwar angefangen, aber oft nicht beendet wurden. So wurde aus politischen Gründen mit dem Bau zweier nutzloser Raffinerien begonnen, der jetzt sang- und klanglos beendet wurde – nach dem mehrer Milliarden R$ ausgegeben wurden.

Auch Dilma erwies sich als Flop, ihr autoritärer und ideologisch geprägter Regierungsstil hat das Land in den Ruin getrieben, weil ihre Maßnahmen mehr dem Populismus dienten, um den Machterhalt der Arbeiterpartei zu sichern, als dem Lande. Auch lernte sie nichts aus dem Mensalão – Skandal unter Lula; die zweite Auflage unter ihrer ersten Regierungszeit – unter dem Namen Petrolão in die Geschichte eingegangen und am Beginn ihrer zweiten Amtsperiode noch nicht bewältigt – übertrifft in seiner Dimension noch die Korruption unter Lula.

Aktuell macht sich die Präsidentin wegen ihrer Maßnahmen zur Krisenbewätigung, nämlich Negierung der eigenen Verantwortung für den aktuellen Korruptionsskandal, Steuererhöhung, Benzinpreiserhöhung, Tariferhöhung für Elektrizität etc. so unbeliebt, dass viele Brasilianer von Wahlbetrug sprechen und schon Stimmen laut werden, die ein Amtsenthebungsverfahren fordern. Dass die Weltwirtschaft schlecht läuft, kommt noch erschwerend hinzu. Die Preise für Eisenerz sanken auf lange nicht gesehene Werte, was die Handelsbilanz beeinträchtigte; das Erdöl ist so billig, dass die Förderung der Pré-Sal-Vorkommen unwirtschaftlich ist und die Zinsen sind so hoch, dass niemand investieren kann, wenn er dazu einen Kredit benötigt. Die Autoindustrie entläßt im großen Maßstab, der Maschinenbau befindet sich in einer Dauerkrise, nur die Banken verdienen glänzend. Argentinien, einst wichtigster Handelspartner Brasiliens, ist pleite und die Chinesen haben ihre Einkäufe reduziert.

Was nun? Zunächst soll nicht vergessen werden, dass Brasilien 2014 der viertgrößte Automarkt der Welt, gemessen an den Zulassungen, war und das Land der größte Fleischexporteur der Welt ist und bei Eisenerz nur von China und Australien übertroffen wird. Einige Branchen verdienen trotz der widrigen Umstände gut, u.a. die Pharmaindustrie. Brasilien ist ein reiches Land, es wird nur schlecht regiert und leidet unter der Selbstbedienungsmentalität seiner Oligarchen, die oft gleichzeitig Unternehmer und Politiker sind. Also ist ein Rückzug aus Brasilien oder das Ignorieren dieses Landes als Abnehmer für Exportware, von Ausnahmefällen abgesehen, sicher nicht die richtige Strategie. Das Land bietet tüchtigen Unternehmern, die mittel- und langfristig denken, ausgezeichete Chancen.  Dass dem so ist, beweist die große Anzahl der ausländischen Firmen, auch aus China, die in Brasilien Unternehmen kaufen. Nur müssen Neuankömmlinge wissen, dass sie investieren müssen und nicht im ersten Jahr das große Geld verdienen werden.

Nach Analysen der FIESP – Federação das Indústrias do Estado de São Paulo und der CNI -  Confederação Nacional da Indústria ist die Produktivität der lokalen Produktion so niedrig und das Kostenniveau so hoch, dass importierte Maschinen im Durchschnitt 30 bis 35 % billiger sind als im Lande gefertigte. Wenn dann noch ein höherer Technologiegehalt der ausländischen Maschinen gezeigt werden kann, kann der Kunde des Exporteurs Zollermäßigung beantragen und eventuell steht dann sogar, wen man den ex tariff – Status erhält, weil es keine gleichwertigen Erzeugnisse aus brasilianischer Fertigung gibt, einer teilweisen Finanzierung mit subventionierten Zinsen durch die BNDES, der staatlichen Entwicklungsbank, nichts im Wege.

Wer heute Erfolg in Brasilien haben will, muss also
  • gute Technik und Qualität bieten
  • sich die richtigen Kunden aussuchen, die gewillt und in der Lage sind, dafür zu bezahlen
  • für Finanzierung sorgen oder diese möglich machen
  • eventuell auf Nischen ausweichen, in denen man konkurrenzlos ist
  • in Brasilien, wenn eine eigene Fertigung im Lande besteht, durch Rationalisierung, Standortwahl und geschickte Beschaffung, auch von Dienstleistungen wie z.B. der Logistik, für niedrige Kosten sorgen
und vor allem, Durchhaltekraft beweisen und nicht den Mut verlieren. Die Schwierigkeiten der anderen sind die eigenen Chancen!

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