Nach den Präsidentschaftswahlen, die die Amtsinhaberin Dilma
Rousseff knapp gewann, geht alles drunter und drüber. Leistungs-, Handels- und
Zahlungsbilanz negativ, Industrie durch Importe geschwächt, Petrobrás ohne
Führung und jeden Tag im Kriminalteil der Zeitungen, zuletzt mit Nachrichten
über 160 Mrd. R$ Verluste durch schlechte Geschäftsführung und Korruption,
keine Reformen in Aussicht, prekäre Infrastruktur, die Aufzählung könnte
beliebig fortgeführt werden.
Das schreckt Firmen davon ab, in Brasilien wie auch immer tätig zu
werden und macht denen, die schon hier sind, das Leben schwer. Die
Gretchenfrage ist für die erste Kategorie “Soll ich den brasilianischen Markt
bedienen?” und für die zweite “Wie schütze ich mich vor Verlusten?”.
Wie kam es zu dieser Situation? Unter Präsident Fernando Henrique
Cardoso, polyglotter Universitätsprofessor und Wirtschaftsminister unter
Präsident Itamar Franco, wurde die Inflation ua. durch eine Währungsreform besiegt,
die defizitären Staatsbetriebe – leider nicht die Petrobrás – privatisiert, das
Gesetz der fiskalischen Verantwortung eingeführt, die Mitarbeiteranzahl im
Öffentlichen Dienst reduziert und die Kursschwankungen des R$ durch die
Einführung einer Bandbreite für den Kurs kalkulierbar gemacht. Und dann? Dann
kam der ehemalige Gewerkschaftsführer und Präsident der Arbeiterpartei zum
Zuge, der im Parlament gegen alle diese Maßnahmen seines Vorgängers stimmen
ließ und wurde sein Nachfolger als Präsident Brasiliens. Denn in Brasilien kann – in diesem Fall
leider – ein Präsident nur einmal wiedergewählt werden und
der Kandidat Cardosos konnte sich gegen den populären Lula nicht durchsetzen.
Lula verschreckte zunächst die Wirtschaftführung Brasiliens und des
Auslandes und als unmittelbare Reaktion stieg das Länderrisiko Brasiliens an.
Erst als klar wurde, dass der pragmatische Arbeiterparteipräsident die
Wirtschaftspolitik seines Vorgängers fortsetzen würde, beruhigten sich die
Gemüter wieder. Lula hatte auch das Glück, dass sich das Schiff der
Weltwirtschaft in ruhigen Fahrtwassern befand, Petrobrás unter der Salzschicht
der Tiefsee riesige Erdöl- und –gasvorräte fand und die Commodities, vor deren Export Brasilien lebte, hohe Preise dank der
Nachfrage Chinas erzielten.
Aber auch Lula durfte nur zwei Amtsperioden lang regieren,
Popularität hin und Popularität her. Diese hatte er auch dadurch erzielt, dass
er Sozialprogramme seines Vorgängers bündelte und über 20 Millionen Arme mit
Maßnahmen wie Bolsa Família massiv
finanziell unterstützte – selbst die Familien von Strafgefangenen bekamen und
bekommen ungerechnet über 250 € im Monat als Unterstützung. Außerdem setzte
Lula auf die Erhöhung des Mindestlohnes – leider über die Erhöhung der
Produktivität hinaus – und auf Konsum. Dieser Konsum wurde durch Kredite
finanziert, Geld für den Ausbau der Infrastruktur war aber leider nicht
verfügbar. Die von Lula initierte und erfolgreiche Bewerbung Brasiliens als
Austragungsland der Fußballweltmeisterschaft bescherte dem Land nur Kosten, der
erhoffte Geldsegen blieb aus – jedenfalls für die Masse der Bevölkerung. Mit
der Olympiade, die nächstes Jahr in Rio de Janeiro stattfinden wird, soll es
anders werden; Zweifel sind erlaubt.
Als Nachfolger propagierte Lula seine Schülerin Dilma Rousseff,
wohlbekannt als Terroristin, die in der Illegalität gegen die Militärdiktatur
Brasiliens kämpfte, und die als “Mutter des PAC” Vorschußlorbeeren erhielt.
Leider war dieses Programm des beschleunigten Wachstums ein Flop, weil viele
riesige Projekte zwar angefangen, aber oft nicht beendet wurden. So wurde aus
politischen Gründen mit dem Bau zweier nutzloser Raffinerien begonnen, der
jetzt sang- und klanglos beendet wurde – nach dem mehrer Milliarden R$
ausgegeben wurden.
Auch Dilma erwies sich als Flop, ihr autoritärer und ideologisch
geprägter Regierungsstil hat das Land in den Ruin getrieben, weil ihre
Maßnahmen mehr dem Populismus dienten, um den Machterhalt der Arbeiterpartei zu
sichern, als dem Lande. Auch lernte sie nichts aus dem Mensalão – Skandal unter Lula; die zweite Auflage unter ihrer
ersten Regierungszeit – unter dem Namen Petrolão
in die Geschichte eingegangen und am Beginn ihrer zweiten Amtsperiode noch
nicht bewältigt – übertrifft in seiner Dimension noch die Korruption unter
Lula.
Aktuell macht sich die Präsidentin wegen ihrer Maßnahmen zur
Krisenbewätigung, nämlich Negierung der eigenen Verantwortung für den aktuellen
Korruptionsskandal, Steuererhöhung, Benzinpreiserhöhung, Tariferhöhung für
Elektrizität etc. so unbeliebt, dass viele Brasilianer von Wahlbetrug sprechen
und schon Stimmen laut werden, die ein Amtsenthebungsverfahren fordern. Dass
die Weltwirtschaft schlecht läuft, kommt noch erschwerend hinzu. Die Preise für
Eisenerz sanken auf lange nicht gesehene Werte, was die Handelsbilanz
beeinträchtigte; das Erdöl ist so billig, dass die Förderung der Pré-Sal-Vorkommen unwirtschaftlich ist
und die Zinsen sind so hoch, dass niemand investieren kann, wenn er dazu einen
Kredit benötigt. Die Autoindustrie entläßt im großen Maßstab, der Maschinenbau
befindet sich in einer Dauerkrise, nur die Banken verdienen glänzend. Argentinien,
einst wichtigster Handelspartner Brasiliens, ist pleite und die Chinesen haben
ihre Einkäufe reduziert.
Was nun? Zunächst soll nicht vergessen werden, dass Brasilien 2014
der viertgrößte Automarkt der Welt, gemessen an den Zulassungen, war und das Land
der größte Fleischexporteur der Welt ist und bei Eisenerz nur von China und
Australien übertroffen wird. Einige Branchen verdienen trotz der widrigen Umstände
gut, u.a. die Pharmaindustrie. Brasilien ist ein reiches Land, es wird nur
schlecht regiert und leidet unter der Selbstbedienungsmentalität seiner
Oligarchen, die oft gleichzeitig Unternehmer und Politiker sind. Also ist ein
Rückzug aus Brasilien oder das Ignorieren dieses Landes als Abnehmer für
Exportware, von Ausnahmefällen abgesehen, sicher nicht die richtige
Strategie. Das Land bietet tüchtigen Unternehmern, die mittel- und langfristig
denken, ausgezeichete Chancen. Dass
dem so ist, beweist die große Anzahl der ausländischen Firmen, auch aus China,
die in Brasilien Unternehmen kaufen. Nur müssen Neuankömmlinge wissen, dass sie investieren müssen und nicht im ersten Jahr das große Geld verdienen werden.
Nach Analysen der FIESP – Federação
das Indústrias do Estado de São Paulo und der CNI - Confederação Nacional da
Indústria ist die Produktivität der lokalen Produktion so niedrig und das
Kostenniveau so hoch, dass importierte Maschinen im Durchschnitt 30 bis 35 %
billiger sind als im Lande gefertigte. Wenn dann noch ein höherer
Technologiegehalt der ausländischen Maschinen gezeigt werden kann, kann der
Kunde des Exporteurs Zollermäßigung beantragen und eventuell steht dann sogar,
wen man den ex tariff – Status erhält,
weil es keine gleichwertigen Erzeugnisse aus brasilianischer Fertigung gibt,
einer teilweisen Finanzierung mit subventionierten Zinsen durch die BNDES, der
staatlichen Entwicklungsbank, nichts im Wege.
Wer heute Erfolg in Brasilien haben will, muss also
- gute Technik und Qualität bieten
- sich die richtigen Kunden aussuchen, die gewillt und in der Lage sind, dafür zu bezahlen
- für Finanzierung sorgen oder diese möglich machen
- eventuell auf Nischen ausweichen, in denen man konkurrenzlos ist
- in Brasilien, wenn eine eigene Fertigung im Lande besteht, durch Rationalisierung, Standortwahl und geschickte Beschaffung, auch von Dienstleistungen wie z.B. der Logistik, für niedrige Kosten sorgen
und vor allem, Durchhaltekraft beweisen und nicht den Mut verlieren. Die Schwierigkeiten der anderen sind die eigenen Chancen!
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