OPERATION CAR WASH OR WHITE WASH?
KANN SÉRGIO MORO DER NÄCHSTE PRÄSIDENT BRASILIENS WERDEN?
Lula hat die OPERATION WHITE WASH bereits erfolgreich von den von ihm ernannten obersten Bundesrichtern, die vorher zum Teil als Anwälte für seine Arbeiterpartei gearbeitet hatten, einleiten lassen. Er wurde aus der Haft entlassen, einige Straftaten sind verjährt und er wird laut Vorhersagen der nächste Präsident Brasiliens sein. Das hat sogar seinen ehemaligen Erzgegner Alckmin so überzeugt, dass dieser mit ihm öffentlich über den Posten des Vizepräsidenten spricht. Und Lulas Wahlkampfstrategen verschweigen bereits die Epoche Dilma Rousseff schamhaft und hoffen auf die Vergesslichkeit der Wähler nach dem Motto: „Queridos, encolhi a Dilma“.
Ich habe übrigens mit Bedacht geschrieben, dass Lula aus der Haft entlassen wurde und nicht aus dem Gefängnis bzw. der Strafvollzugsanstalt. Denn in Brasilien genießen ehemalige Inhaber hoher Staatsämter und Absolventen eines akademischen Studiums das Privileg, bei einem Freiheitsentzug den ungewollten Aufenthalt hinter schwedischen Gardinen in einer eher gemütlichen Umgebung z.B. bei der militarisierten Feuerwehr oder in einem Polizeirevier verbringen zu dürfen. Also kein Vergleich zu den überfüllten Gefängnissen des Landes, in denen weder die Häftlinge noch deren Bewacher ihres Lebens sicher sind.
Um die OPERATION CAR WASH in eine OPERATION WHITE WASH zu verwandeln, mussten man dem Verantwortlichen ans Leder gehen und das war damals der als Verfolger der Korrupten gefeierte Bundesrichter Sérgio Moro, ein zweiter Zoro sozusagen. Dieser beging leider den Fehler, das Angebot Bolsonaros anzunehmen, Bundesjustizminister zu werden, im Vertrauen auf freie Hand im Amt und auf die spätere Ernennung zum Richter am Obersten Bundesgericht. Gut, wir wissen, wie es ausging. Moro trat als Minister zurück, wurde Gesellschafter einer US-Beratungsfirma und verließ diese mit dem Eintritt in die Partei mit dem schönen Namen Podemos, um als Präsidentschaftskandidat im Oktober diesen Jahres gegen den Amtsinhaber Bolsonaro und seinen Herausforderer Lula anzutreten.
Getreu dem brasilianischen Sprichwort „Für unsere Freunde alles, für unsere Feinde das Gesetz“ wird Moro am Zeug geflickt, dass die Schwarte kracht. Jeder, der Lula fördern möchte, kühlt sein Mütchen am ehemaligen Bundesrichter der ersten Instanz Moro, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen. So fühlt man Absicht, und man ist verstimmt, schrieb Goethe und das gilt für die vielen Verteidiger Moros ebenso wie für die Korruptionsgegner in Brasilien. Denn hinter diesen Angriffen steht natürlich die Absicht, Moro so zu diskreditieren, dass seine Urteile aufgehoben werden können, die white collar - Banditen reingewaschen werden und die Kandidatur Moros aussichtslos wird.
Ausgerechnet zu Heiligabend 2021 verkündigte die Hellseherin Lene Sensitiva diese Weisheiten:
„Lene ist der Meinung, dass Jair Bolsonaro im nächsten Jahr, also 2022, seine Amtszeit nicht zu Ende führen werde, da es in seiner politischen Laufbahn zu Skandalen gekommen sei, die noch vor dem Wahlkampf für das Amt des Präsidenten auftauchen werden. Damit dürfte der Streit um den Posten des Regierungschefs zwischen Lula (PT) und Sérgio Moro (Podemos) ausgetragen werden. "Sérgio Moro wird 2022 sehr beliebt werden", versicherte sie. Auch wenn die Sympathie für den ehemaligen Minister wächst, wird Lula die Wahl gewinnen. "Präsident ist wirklich Lula, er ist unser neuer Präsident", sagte sie. Der Weg zur Präsidentschaft könnte jedoch durch eine Tragödie unterbrochen werden. "Lula wird Präsident werden, wenn sie ihn nicht vorher umbringen", verriet die Sensible. Es wird erwartet, dass der Wahlkampf die Gemüter der Brasilianer erhitzt und zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Lula- und Bolsonaro-Anhängern führt. Lene sagte, sie prophezeie für das Jahr 2022 eine Menge Kämpfe auf den Straßen und ein großes "Gemetzel" im politischen Sinne. "Es gibt eine Menge Tote. Lula sollte besser aufpassen", betonte sie.“
Wer an Lula als nächsten Präsidenten glaubt, setzt voraus, dass die Wähler ein kurzes Gedächtnis haben. Am 17.3.2020 hat die OPERAÇÃO LAVA JATO 6 Jahre komplettiert und dieses Zwischenergebnis bekanntgegeben: „293 Festnahmen, mehr als 4 Mrd. R$ von insgesamt 14,3 Mrd. R$ aufgrund von 185 Zusammenarbeitsabkommen und 14 aufgrund von Kronzeugenregelungen zurückerstattet. Während der 6 Jahre wurden 70 Phasen abgearbeitet und zusätzlich zu den Verhaftungen wurden 1343 Durchsuchungen und Beschlagnahmen vorgenommen. Außerdem gab es 118 Anklagen, 500 Beschuldigte, 52 Verurteilungen und 253 Schuldsprüche. Die verhängten Strafen belaufen sich auf insgesamt 2.286 Jahre und sieben Monate.“
Wer überzeugt ist, dass Lula einer der Hauptstrippenzieher der kriminellen Aktionen ist, die von der OPERATION CAR WASH verfolgt wurden, kann sich eigentlich nicht im Ernst den ehemaligen Präsidenten zurück in sein Amt wünschen. So haben die Wähler der Gemeindewahlen 2020 gedacht und der Arbeiterpartei PT Lulas eine schwere Niederlage bereitet. Nicht ein Bürgermeister wurde in den Bundesstaatshauptstädten von der PT gestellt. In 15 Städten war ein zweiter Wahlgang nötig, in 11 wurde die PT besiegt; 2 davon waren Hauptstädte, nämlich Recife und Vitória.
Oben sehen Sie die Anzahl der PT - Bürgermeister in den Landeshauptstädten Brasiliens seit der Redemokratisierung. Im Jahr 2008 gelang es der PT, landesweit 360 Bürgermeister zu wählen. Vier Jahre später war die Zahl auf 555 gestiegen. Bei den Wahlen 2012 verzeichnete die PT mit 637 Bürgermeisterämtern erneut einen Zuwachs an Bürgermeistern. Im Jahr 2016 verlor die Partei in mehreren Städten und kam nur noch auf 254 Bürgermeisterämter. 2020 beendet die Partei die Wahl mit 183 Bürgermeisterämtern, dem niedrigsten Stand seit 16 Jahren. Mit der Niederlage bei den Wahlen 2020 liegt die PT, gemessen an der Zahl der Gemeinden, auf Platz 11 unter den Parteien.
Wenn trotzdem heute die Prognosen auf einen Sieg Lulas im ersten Wahlgang setzen, muss sein Widersacher Bolsonaro schwerwiegende Fehler gemacht haben. Aber welche?
Zunächst hat er in seinem Wahlkampf immer wieder darauf hingewiesen, dass er sich im Falle seiner Wahl nicht um eine zweite Amtszeit bewerben werde, aber seit Amtsantritt den Eindruck erweckt, dass er alles tue, um ab 2023 wieder als Präsident zu regieren. Damit steht er aber nicht alleine da, auch andere Politiker haben öffentlich Ambitionen abgeschworen und kurz danach ihr Versprechen gebrochen. Das kann also nicht der Hauptgrund sein.
Bolsonaro ist vor allem als Antilula gewählt worden, als der Messias, der alles anders als seine Vorgänger machen wird, der Korruption unnachgiebig verfolgt, der Fachleute ins Amt beruft und nicht, politischen Zwängen folgend, Protagonisten der Parteien, die er zum Regieren braucht. Und bei dem es kein Schachern um Ämter und Gelder geben wird, ein Präsident, der das Land aufräumen und auf neuen Kurs bringen wird. Und der dazu Leute wie Sérgio Moro und Prof. Paulo Roberto Nunes Guedes in sein Kabinett rufen wird, die über jeden Zweifel erhaben sind und einen Blankoscheck des Präsidenten erhalten werden.
Was ist wirklich geschehen? Bolsonaro hat es geschafft, die von seinem Vorgänger Temer eingeleitete Sozialversicherungsreform abzuschließen und der Zentralbank Brasiliens die lange herbeigesehnte Unabhängigkeit zu geben. Er hat das aufgeblähte Kabinett Dilmas (und Temers) verkleinert und die Bewässerung im Norden Brasiliens verbessert. Außerdem hat er mehr oder weniger erfolgreich versucht, die Einfuhrkosten in Brasilien zu reduzieren.
Aber er hat sich nicht um die Unterstützung des Kongresses bemüht, er hat sein Image weder national noch international gepflegt, er hat Polemiken geradezu gesucht, er hat die Coronapandemie verharmlost, er hat die versprochenen Privatisierungen von Staatsfirmen nicht angepackt, aber er hat sich um unwichtige Details der Regierungsarbeit eines Präsidenten wie Benzinpreise und Radaranlagen auf den Bundesautobahnen gekümmert und um den leichteren Zugang zu Schusswaffen für jedermann. Als ehemaligem Berufssoldaten war ihm auch wichtig, dass das Militär stark in die Regierungsarbeit eingebunden und besser bezahlt wurde. Und zusätzlich hat er noch seine Söhne zu offensichtlich in deren politischen Laufbahnen Unterstützung gewährt, obwohl diese zum Teil unter den Verdacht von Straftaten geraten sind. Seine Reformen sind größtenteils Absichten geblieben und einige hat er sogar rückgängig gemacht wie die „kostenlose“ Wahlpropaganda für Parteien im Fernsehen und im Radio. Alles das hat ihm eine breite Ablehnung im In- und Ausland beschert, die sich auf das Land Brasilien übertragen hat. Nicht zuletzt hat dazu die Abholzung des Amazonasurwaldes beigetragen, auch wenn andere Länder in dieser Hinsicht noch rigoroser als Brasilien handeln. Als Beispiel sei nur Bolivien genannt.
Trotzdem sollte man die guten Seiten Bolsonaros sehen und die Front der vereinigten Linken, die ihn geradezu hassen. Bolsonaro hat vielen Anhängern Lulas finanziell geschadet, weil er sie von ihren Pfründen abgeschnitten hat. Er hat sich fast alle echten und sogenannten Kulturschaffenden zum Feind gemacht, weil er die üppigen Staatsvergütungen der PT-Anhänger unter ihnen abschaffte ebenso wie das Kultusministerium. Viele Hunde sind des Hasen Tod, sagt man und die Feinde Bolsonaros können durchaus - steter Tropfen höhlt den Stein - für den Tod seiner Wahlkampfkampagne sorgen.
Fazit ist für mich, dass Lulas Wahl eine Katastrophe für Brasilien wäre, auch wenn er sich doppelt und dreifach weiß waschen lässt. Dass er nicht weiter in Haft ist, hat er nicht der Gerechtigkeit zu verdanken, sondern dem Gesetz, welches es z.B erlaubt, dass der ehemalige Abgeordnete des Bundesparlaments Roberto Jefferson ohne Anklage auf unbestimmte Zeit inhaftiert wurde, weil es einem der obersten Bundesrichter so gefällt, der sich von ihm beleidigt fühlt.
Aber auch die Wiederwahl Bolsonaros, der von vielen seiner internationalen Kollegen als Regierungschef geschnitten und gemieden wird, ist sicher nicht gut für Brasilien. So gut die Absichten Bolsonaros vielleicht gewesen sind, er hat während seiner bisherigen Amtszeit nicht gezeigt, dass er dem Amt gewachsen ist.
Alle anderen bisher bekannten Kandidaten haben kaum Chancen auf Erfolg mit der einzigen Ausnahme Sérgio Moro. Aber auch dieser hat bisher nicht gezeigt, dass er ein guter Präsident sein könne. Er ist sicher ein hochqualifizierter Jurist, aber zu einem guten Präsidenten gehört mehr.
Wie sähe denn der Idealkandidat aus? Er muss beim Wähler „ankommen“ und im Ausland respektiert werden. Er muss Führungsqualitäten und Charisma haben. Er muss zuhören können und verstehen, was ihm Fachleute sagen und raten. Er muss der Präsident aller Brasilianer sein und nicht nur der seiner Wähler. Und er muss vor allem eine Vision haben und den Willen und die Fähigkeit, diese zu realisieren. Und dazu gehört Überzeugungskraft, Hartnäckigkeit und Geduld. Und er muss Prioritäten erkennen und setzen. Und wenn er außerdem noch belesen ist - im Gegensatz zu Lula - kennt er auch Beispiele aus der Geschichte, denen er nacheifern kann. Ein Beispiel aus der jüngeren Geschichte ist Südkorea, welches erfolgreich auf Ausbildung gesetzt hat. Und ein anderes Land ist Deutschland, welches nach dem letzten Krieg alles verloren hatte außer dem Wissen seiner Bevölkerung und deren Willen, das Land wieder in den Zustand zu ersetzen, den Brasiliens Flagge als Wahlspruch des Landes zeigt: ORDEM E PROGRESSO - ORDNUNG UND FORTSCHRITT.
Und wer ist dieser ideale Kandidat? Ich muss zugegeben, ich habe keine Ahnung. Aber so geht es sicher allen Einwohnern Brasiliens, von den radikalen Anhängern Lulas und Bolsonaros einmal abgesehen. Lassen wir uns also überraschen und warten wir auf sein Erscheinen. Ich persönlich hoffe, dass ein erfolgreicher Unternehmer oder Manager ein Einsehen hat und in die Politik geht. Genug profilierte Frauen und Männer gibt es auf jeden Fall in Brasilien, es muss sich nur jemand finden, der bereit ist, in die Politik zu gehen und das Land so zu führen, wie ein erfolgreicher Konzern geführt wird. Natürlich unter Beachtung der inhärenten Unterschiede zwischen einer Unternehmen und einem Land.
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