11 Juli 2006

Inflation, Zinsen und Wachstum

Der IPCA - Index wies im Juni mit - 0,21 % Deflation aus, ein seit August 1998 unerreichter Wert, der darauf hindeutet, daß das Jahresziel von 4,5 % unterboten werden wird. Der Leitzins wird von den „Experten“ schon bei 13,75 bis 14,5 % am Jahresende gesehen. Ich habe die Anführungsstriche gesetzt, um anzudeuten, daß auch Experten die Zukunft nicht voraussagen können und außerdem ist es bei dem Abstand des Leitzinses zu den von den brasilianischen Banken, egal ob privat oder staatlich, praktizierten Sollzinsen völlig unerheblich, ob der Leitzins 14,5 oder 9 % im Jahr beträgt, wenn der Kreditnehmer über 50 % zahlen muß. Wer wissen will, warum wir Deflation haben, kann die Gründe hier finden: Billige Importe durch den starken Real und niedrige Alkohol- und Lebensmittelpreise.

Mit fallender Inflation wächst Brasiliens Wirtschaft zur Freude der Regierung, zum Leidwesen der Industrie, des Handels und der Verbraucher / Arbeitnehmer aber nicht so stark, wie sie könnte und sollte. Zwischen 1999 und 2002 wuchs das BIP durchschnittlich um 2,2 % im Jahr, aber weltweit um 3,5 %. Zwischen 2003 und 2006 wird Brasilien durchschnittlich um 2,9 % gewachsen sein, vorausgesetzt, wir schaffen dieses Jahr 4 %. Aber weltweit werden 4,8 % erreicht werden, also hängt sich Brasilien in Wirklichkeit vom Rest der Welt ab. Aber das ist ja eine Spezialität der jetzigen Regierung, wie die Entscheidung für das japanische digitale TV-System zeigt, welches in einer modifizierten (hier heißt es „weiterentwickelten“) Form in Brasilien eingeführt werden und dann einmalig in der Welt sein wird. Was unsere Exportchancen für im Lande hergestelle Fernseher enorm verbessert, oder?

Aber trotzdem ist Brasilien kurz davor, von R&I als sicheres Land für ausländische Investitionen eingestuft zu werden, denn das Rating wurde Anfang Juli 2006 von BB- auf BB+ heraufgesetzt. Andere Ratingagenturen sehen Brasilien weniger optimistisch, bei Fitch und Standard & Poors ist Brasilien 2 und bei Moody’s sogar noch 3 Stufen von der ersehnten Einstufung als sicheres Investitionsland entfernt. Aber da Länder mit schlechteren volkswirtschaftlichen Daten besser als Brasilien eingestuft sind, verdient das Land vielleicht wirklich ein besseres Rating. Oder benötigt es nur eine bessere Regierung?

Unerwarteterweise wächt die brasilianische Industrie signifikant, aber in den exportintensiven Sektoren wie Zellulose, Leder, Tabak, Holz und Fleisch deutlich weniger als in den anderen. Einige vom Glück begünstigte Branchen konnten ihre Produktion in den letzten Monaten fast verdoppeln, z.B der Philipps - Konkurrent Semp &Toshiba, der per Mai 1,3 Mio. Fernsehgeräte auslieferte, 80 % mehr als im identischen Vorjahreszeitraum. Bis Dezember rechnet die Firma mit einem 20%igen Wachstum. Die DVD - Produktion wuchs per Mai schon um 60 % und die von PCs um 100 %. Radios, Stereogeräte etc. wuchsen bei den teuren Geräten um 60 %, die billigeren Modelle legten um 100 % zu, trotz des schlechten Abschneidens der brasilianischen Fußballnationalmannschaft.
Aber auch der Zucker- und Alkoholsektor profitierte, die Usina Cerradinho z.B. weihte eine neue Anlage zur Verarbeitung von 1,7 Mio. to Zuckerrohr jährlich ein, damit übersteigt die Verarbeitungskapazität der Gruppe 4 Mio. Jahrestonnen. Der Zuckerpreis erhöhte sich übrigens in den letzten 12 Monaten um ca. 90 %, das sei wenigstens nebenbeibemerkt. Als letztes Beispiel will ich Caterpillar nennen, die aufgrund der wahlbedingten Infrastrukturinvestitionen der Regierung mehr schwere Baumaschinen verkauft und dadurch die Produktion für den Inlandsmarkt um 10 % steigern konnte.

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