Wenn es zu viele Firmen in einem Sektor gibt und die Arbeit/Nachfrage/Aufträge nicht ausreichend für alle ist/sind, was geschieht dann? Man lese es bei Darwin nach, die Schwächsten geben auf und werden eliminiert, die Stärksten setzen sich durch. Oder die in Deutschland berühmte Variante "Starker Mann setzt sich für wankendes Bauunternehmen ein", dann wird ein Unternehmen favorisiert/subventioniert, aber nicht saniert/umstrukturiert/optimiert. Und das Ergebnis ist wieder das alte, das Unternehmen macht dicht, es dauert nur etwas länger und kostet etwas mehr. Den Bürger/Steuerzahler natürlich, denn der zahlt auf einmal mehr oder bekommt weniger.
Genau das ist gerade in Brasilien geschehen und passt in jedes Volkswirtschaftslehrbuch. "Die Regierung hat es gegeben, die Regierung hat es genommen, die Regierung sei gelobt!" kann man unter Missbrauch von Hiob 1, Vers 21 sagen. Denn entgegen der wundersamen Vermehrung von Brot und Fisch, die in Matthäus, Kapitel 14, Verse 15 bis 21 beschrieben wird, kann die Regierung nur verteilen, was sie hat. Und da diese Menge begrenzt ist, muss sie, was die den LKW-Fahrern gibt, anderen wegnehmen. Diese anderen haben es nur noch nicht bemerkt und haben deshalb den Streik oft sogar begrüßt und unterstützt.
Um die LKW-Fahrer künstlich in Fahrt zu halten, obwohl nicht genug Fracht für alle da ist und volkswirtschaftlich günstigere Alternativen zum Straßentransport wie Küsten- und Binnenschifffahrt und der Eisenbahnverkehr ausgebaut werden sollten, was natürlich zwangsläufig zu einer Reduzierung der LKW-Nutzung führen würde, verschließt die Regierung die Augen vor der offensichtlichen Lösung und redet alles schön. Dieses "alles ist gut" trifft zunächst die Exporteure, denen die benefits entzogen werden. Sie erhalten dieses Jahr durch die von 2% auf 0,1% reduzierte reintegra-Quote 2,27 Mrd. R$ weniger. Durch die Reduktion der IPI-Steuer von 20% auf 4% für Getränkekonzentrate der Freihandelszone Manaus wird der crédito tributário, den die Firmen vom Finanzamt zurückfordern können vermindert, was zu Mehreinnahmen des Staates in 2018 von 740 Mio. R$ führt. Und durch höhere Belastung der von den Firmen gezahlten Löhne und Gehälter (was in Brasilien nicht unterschieden wird) kommen bis Jahresende weitere 830 Mio. R$ in die Regierungskasse. Damit hat die Regierung die 4,01 Mrd. R$ zusammen, um die 2,76 Mrd. R$ zu kompensieren, die die Reduktion von PIS/Cofins für das Dieselöl kostet und der Wegfall des Cide für Dieselöl in Höhe von 1,25 Mrd. R$ in diesem Zeitraum. Damit wird der Liter Diesel um 16 Centavos billiger. Die weitere Preisreduktion von 30 Centavos pro Liter wird von der Regierung direkt an die Petrobrás gezahlt, damit die Firma aus dem Bundeshalt weiterhin saniert werden kann. Da der Bundeshaushalt aber wie schon geschrieben, nicht wächst, muss diese Subvention der Petrobrás anderen Haushaltstiteln weggenommen werden, d.h. Krankenhäuser und Universitäten, um nur einige Betroffene zu nennen, erhalten jetzt weniger als geplant. ABER NIEMAND DENKT DARAN, DEN AUFGEBLASENEN REGIERUNGSAPPARAT ZU VERSCHLANKEN ODER DIE PERSONALKOSTEN DES ÖFFENTLICHEN DIENSTES ZU REDUZIEREN.
Entgeltzahlungen an die Beschäftigten folgender Sektoren weiterhin weiterhin nicht zusätzlich belastet: Call Center, Schuhindustrie, Textilindustrie, Konfektionen, tierisches Protein, Leder, IT, Personentransport, Straßentransport von Maschinen und Anlagen sowie die Herstellung von Karosserien und Fahrzeugen. Allerdings muss die Lederindustrie künftig anstelle 1,5% jetzt 2,5% üer den Umsatz zahlen.
Die Chemieindustrie zahlt ab September ebenfalls mehr, der "angenommene PIS/Cofins- und PIS/Cofins-Import - Kredit" im Rahmen des Reiq (regime especial da indústria química) entfällt dann nämlich, was erstmal 170 Mio. R$ bringen wird.
Das alles bringt also den LKW-Fahrern eine Preisreduzierung von 46 Centavos pro Liter (allerdings am Ausgang der Raffinerien und nicht zwangsläufig an der Zapfsäule) und dem Bürger eine erhebliche Mehrbelastung. 2019 sollen die genannten Maßnahmen 16,2 Mrd. R$ freimachen, um den Dieselpreis künstlich unten zu halten und damit wirksam jede strukturelle Änderung des Transportwesens Brasiliens weiterhin zu be- oder sogar zu verhindern. Ob die Reduzierung des Abgabepreises an die Tankstellen beim Verbraucher ankommt, kann die Regierung aber nicht garantieren.
Übrigens musste Brasilien im April 2018 insgesamt 1,15 Mrd. Liter Diesel importieren, weil es nicht genug selbst herstellen kann. Im April wurden auch 446 Mio. Liter Biodiesel in Brasilien hergestellt, aber 35 Biodieselfabriken standen still und versachten damit einen täglichen Verlust von 43 Mio. R$. Dieser Aspekt wurde meines Wissens in den ganzen Diskussionen um den LKW-Fahrerstreik nie erwähnt. Aber die Stammtischpolitiker ritten darauf herum, wie abwegig es doch sei, den Kraftstoffpreis im Allgemeinen und den Dieselpreis im Besonderen an die Entwicklung des Rohölpreises und des Dollarkurses zu knüpfen, schließlich sei Brasilien doch ein großen Erdölförderland.
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31 Mai 2018
Wer zahlt die Zeche?
Engineer, consultor, author e.g. "Aus internationaler Praxis", "Wirtschaftsboom am Zuckerhut", "Facetten des Imports" in "Business Guide Brasilien", articles in "HardvardBusinessManager", "Fortschrittliche Betriebsführung und Industrial Engineering", entrepreneur and inventor
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