Die Lage der SPD in Deutschland ist prekär, manche sagen sogar, hoffnungslos. Was hat das mit Brasilien und der PT zu tun? Es gibt einige interessante Parallelen.
Sowohl die PT Brasiliens als auch die SPD Deutschlands sind entstanden und gewachsen, weil es zum Gründungszeitpunkt in beiden Ländern eine Bevölkerungsschicht gab, die von der Hand in den Mund lebte und sich von den neuen Parteien ein besseres Leben versprach. 1875 entstand aus dem Zusammenschluss der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei und des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins die Sozialistische Arbeiterpartei, die sich 1890 in SPD umbenannte. Die PT Brasiliens wurde 1980 hauptsächlich von Gewerkschaftsmitgliedern unter Führung von Lula gegründet, die den Sozialismus propagierten, aber schnell unter den Einfluss radikaler Mitglieder gerieten, die sich dem Kommunismus - Trotzkismus verschrieben hatten und sich u.a. für Landreformen per Enteignung aussprachen.
Die SPD hat es mit der ihr eng verbundenen Gewerkschaftsbewegung geschafft, die Kluft zwischen Kapital und Arbeit schrumpfen zu lassen und stellte mit Willy Brandt und Helmut Schmidt von 1969 bis 1982 und mit Gerhard Schröder von 1998 bis 2005 den Bundeskanzler. Und das war schlecht - nicht für Deutschland, aber für die SPD. Denn sie machte sich durch die Erfolge aller Kanzler Deutschlands überflüssig, auch wenn in Deutschland auf hohem Niveau weiterhin geklagt und gejammert wird. Aber die alten Wahlkampfthemen locken heute keinen Arbeiter mehr von seiner Zentralheizung oder dem Kamin im abbezahlten Eigenheim weg; höchstens, um in den Urlaub zu fliegen. Und deshalb verliert die SPD bei jeder Wahl der jüngsten Vergangenheit immer mehr Stimmen, weil die Parteiführung geistig in der Vergangenheit des letzten und vorletzten Jahrhunderts lebt und sich für Ziele einsetzt, die entweder schon lange erreicht wurden oder heute völlig irrelevant sind. Und dass man mit einem klassenkämpferischen Wahlkampf unglaubwürdig ist, wenn man seinen persönlichen Wohlstand zu auffällig zeigt, sei nur nebenbei bemerkt.
Der PT ging es ähnlich. Sie stellte mit Lula nach vier Anläufen den Präsidenten, der das Land von 2003 bis 2010 regierte, seine von ihm ausgewählte Nachfolgerin Dilma schaffte es von 2011 nur bis Mitte 2016, weil sie des Amtes enthoben wurde. Verfassungskonform übernahm Temer, ihr Vizepräsident, der der damaligen PMDB, die heute MDB heißt, angehört, für den Rest der Legislaturperiode das Präsidentenamt. 2018 wurde dann als sein Nachfolger Jaír Messias Bolsonaro gewählt, der am 1.1.2019 sein Amt antreten wird.
Die Regierungszeit der SPD in der großen Koalition mit der CDU/CSU ist noch nicht zu Ende, aber sie - die SPD - hat keinerlei Aussichten, in naher Zukunft einen Kanzler zu stellen. Die Regierungszeit der PT ist bereits zu Ende und auch sie hat keinerlei Aussicht, in naher Zukunft den Präsidenten zu stellen.
Aber die Gründe liegen bei der PT nicht im Festhalten an überholten Zielen, sondern an der kriminellen institutionalisierten Korruption, die wie ein Krebsgeschwür das Land mit seinen Metastasen infiziert hat. Man hat den Eindruck, dass die Partei und ihre Anhänger mit Macht an die „Futtertröge“ drängten, um so schnell wie möglich soviel wie möglich zu ergattern, weil man nie wissen kann, wie lange das Fest dauert. Unterstützt wurden die PT-Mitglieder und ihre Anhänger dabei von unverantwortlichen unternehmerischen Glücksrittern, von eindeutig parteiischen Richtern und Staatsanwälten, von gekauften Parlamentariern sowie von sonstigen Begünstigten wie z.B. linke Künstler und Journalisten, die das Lied dessen sangen, dessen Brot sie aßen, und von vielen Mitarbeitern des Öffentlichen Dienstes und der fast zweihundert Staatsfirmen, die ihre Bezüge nicht wegen ihrer Befähigung und ihrer Arbeitsergebnisse erhielten, sondern wegen ihrer Gesinnung und wegen der Begünstigung der Regierung und der ihr nahestehenden Menschen im Amt, wie der Straftatbestand genannt wird.
Die anfänglichen Erfolge der PT-Regierung stellten sich nach Aufdeckung der Korruptionsskandale, wofür vor allem der Bundesrichter Moro und seine Mitarbeiter in Curitiba verantwortlich waren, schnell als Potemkinsche Dörfer heraus. In der Folge wurde Lula im ersten von mehreren, noch nicht abgeschlossenen Strafverfahren, rechtskräftig zu einer langjährigen Freiheitsstrafe verurteilt und sitzt bereits ein.
Deutschland beklagt sich über Feinstaub, Altersarmut und ungezügelte Einwanderung. Letztere führte zu einer Stärkung konservativer Kräfte auch im Parlament, wobei die „Meinungsmacher“ konservativ in die Nähe von rechtsradikal rücken und Bundesparlament und Länderparlamente versuchen, die von häufig mehr als zehn Prozent der Wahlberechtigten ausgewählten rechten Kräfte durch Ausgrenzung und Ignorieren zu Unberührbaren zu machen. Das hilft aber selbst in Indien nicht und erst recht nicht in Deutschland.
In Brasilien ist die Situation problematischer, weil wir hier nicht vom hohen Niveau Deutschlands ausgehend klagen können. Denn vielen, sehr vielen, Brasilianern geht es wirklich schlecht und ihre Situation ist schlimmer als die der Arbeiter zur Zeit der SPD-Gründung. Und trotzdem wurde Bolsonaro und nicht Haddad als neuer Präsident gekürt und das ist ein gutes Signal. Denn das Wahlergebnis zeigt, dass der Wähler in Brasilien, der kraft Gesetz verpflichtet ist, an der Wahl teilzunehmen, trotz hoher Analphabetenrate und massiver Beeinflussung durch die Medien, die Gewerkschaften, die "progressiven" Künstler, Gutmenschen und Pseudointellektuellen, die in der Mehrzahl gegen Bolsonaro waren und sind, in der Lage ist, sich eine eigene Meinung zu bilden. Und das zur Überraschung der sogenannten Elite, die die Zeichen der Zeit nicht rechtzeitig erkannte und nicht wie Bolsonaro auf das Internet und freiwillige Wahlhelfer setzte, sondern auf massiven Mitteleinsatz und politisches Marketing. Und was die Altgedienten ebenfalls völlig unterschätzten, war der Überdruss der Wähler an Lug und Betrug und an die Selbstbedienungsmentalität der "Staatsdiener", die sich, völlig abgehoben, nicht mehr in den Wähler und seine Welt hineindenken konnten und wollten. Aber das "Stimmvieh" hat sich nicht mehr wie der Ochse zur Schlachtbank führen lassen und einen großen Teil der Politiker, die sich der Wiederwahl stellten, in die Wüste geschickt.
Mit einem erneuerten Kongress und einer frischen Regierung, deren Mitglieder wohl das erste Mal in der jüngeren Geschichte des Landes nach ihrer fachlichen und charakterlichen Eignung ausgesucht wurden und nicht nach der Anzahl der Stimmen, die sie bei Abstimmungen garantieren können, hat Brasilien eine wirkliche Chance, sich aus dem Korruptionssumpf zu befreien und als Land einen Riesensprung nach vorne zu machen. Das fünftgrößte Land dieser Erde mit einer Bevölkerung von 209 Millionen Einwohnern und fast unerschöpflichen Naturschätzen hat es verdient, den ihm gebührenden Platz in der Völkergemeinschaft einzunehmen und nicht nur als Exot betrachtet zu werden, der ein Schattendasein fristet und keinerlei weltpolitische Bedeutung hat.
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