02 Mai 2006

Die brasilianische Industrie im Überblick

Im Spezialheft „Retratos do Brasil: A fábrica“ der überregionalen Tageszeitung „O Estado de São Paulo“ vom 1.5.2006 werden interessante Zahlen genannt, die ich hier wiedergebe:

138.962 ist die Anzahl der produzierenden Firmen, deren 6.144.319 Mitarbeiter einen Umsatz von 1,08 Billionen R$ und einen Gewinn von 89,8 Milliarden R$ erwirtschaften, das entspricht einem Prokopfjahresumsatz von 175.772 R$, was mit heute 1 € = 2,60 R$ ca. 67.605 €/a oder 5.634 €/Monat wären. Und ich habe nicht Milliarden mit Billionen verwechselt, im portugiesischem Text wird der Umsatz mit „1,08 trilhão R$“ abgegeben. Der mittlere Jahresumsatz einer Firma errechnet sich mit 1,08 Billionen R$ : 138.962 Firmen = 7,772 Mio. R$.

Zur Produktivität wird angegeben, daß 2004 jeder dieser Mitarbeiter im Mittel 65.703 R$ produzierte, was immer das heißen soll. Die Rechnung 6.144.319 Mitarbeiter x 65.703 R$/Mitarbeiter ergibt 403,7 Milliarden R$, was - auch wenn man berücksichtigt, daß die Zahlen sich wahrscheinlich nicht auf das selbe Jahr beziehen - mit dem Umsatz nicht zusammenpaßt, vielleicht ist die Wertschöpfung gemeint?

2005 betrug der Anteil der Industrie am Bruttoinlandsprodukt 39,9 %, die Arbeitslosenquote betrug 4,2 %, 80,7 % war die Kapazitätsauslastung und das Land nahm den 22. Platz in der Produktivitätsweltrangliste ein.

Die fünf Hauptprodukte waren 2004 in der Reihenfolge ihrer Wichtigkeit Dieselöl, mittlere und größere Autos, Benzin, aufbereitete Eisenerze und Kleinwagen mit 1 Liter Hubraum.

Der Anteil der Industrieprodukte am Export lag 2000 bei 74,4 % (absolut 41 Mrd. US$) und 2005 bei 68,5 % (absolut aber 81,1 Mrd. US$).

Das industrielle Wachstum wird für 1973 mit + 17,04 % angegeben, für 1983 mit - 5,92 %, für 1995 mit - 8,18 %, für 2000 mit + 4,81 % und für 2005 mit + 2,52 %.

Dann wird wieder die Produktivität genannt; wenn 1990 ein Beschäftigter der Industrie 100 „Produkte“ herstellte, waren es 2000 im Mittel schon 213.

Im Mittel verdiente ein Industriearbeiter (wobei in Brasilien dieses Wort meist mit Beschäftigtem der Industrie gleichgesetzt wird) 1.058,63 R$, wobei ich davon ausgehe, daß die Bruttomonatsbezüge gemeint sind. Die höchsten Bezüge zahlte mit 2.153,61 R$/Monat der Transportmaterialsektor (Kfz-Branche!), die niedrigsten mit nur 598,01 R$/Monat die Schuhindustrie. Nur 10,9 % aller Industriearbeiter verdienen mehr als zwei Mindestgehälter (welches heute 350 R$ im Monat beträgt).

Um diese Werte im globalem Zusammenhang sehen zu können, werden die Kosten einer Arbeitsstunde für das Jahr 2002 mit 22,86 US$ in Deutschland (höchster Wert, natürlich, wir haben, nein, hatten es ja!), 20,32 US$ in den USA, 8,09 US$ in Südkorea und 3,02 US$ in Brasilien zusätzlich aufgeführt. Das gibt zu denken (oder sollte wenigstens zu denken geben)! Also nochmal, wegen der Wichtigkeit: eine Arbeitsstunde in Deutschland kostet demnach 7,14 mal so viel wie in Brasilien. Also selbst wenn der Brasilianer nur 20 % der Produktivität eines Deutschen erreichen sollte (was sicher nicht der Fall ist), wäre der Deutsche immer noch 1,51 mal teurer!

Die Arbeitsgesetzgebung geht immer noch von 44 h Wochenarbeitszeit aus, wobei die normale tägliche Arbeitszeit 8 h sind und die ununterbrochene Schichtarbeit 6 h. Aber in Recife arbeiten 48,7 % Beschäftigten der Industrie mehr, in São Paulo sind es 44,0 %, in Salvador 39,6 % und in Belo Horizonte 35,6 %.

Täglich dürfen laut Gesetz und Tarifvertrag höchstens 2 Überstunden „geschoben“ werden, diese werden an normalen Arbeitstagen mit 50 % Zuschlag abgegolten, sonn- und feiertags beträgt der Zuschlag 100 %. Bis 1988 hatten 16 % der brasilianischen Arbeiter Überstunden geleistet, heute sind es 40 %. Im ganzen Land sind es heute 41 Millionen Überstunden in der Woche. Kurze Plausibilitätsprüfung: 41.000.000 Wochenüberstunden : (0,4 x 6.144.319 Mitarbeiter) = 16,68 Überstunden pro überstundenleistenden Mitarbeiter und Woche bzw. 3,34 Überstunden pro überstundenleistenden Mitarbeiter und Arbeitstag (bei einer Fünftagewoche). Also macht sich jemand strafbar, denn es dürfen doch nur 2 Überstunden täglich sein, oder?

Zum Schluß wird noch auf die Schulausbildung der Beschäftigten der Industrie 2005 eingegangen: 6,6 % haben die Vierte Serie nicht und 23,3 % haben sie abgeschlossen, 30 % haben die Achte Serie abgeschlossen, 33,9 % haben den Zweiten Grad abgeschlossen und 6,2 % haben die Höhere Schulbildung (superior completo) mit Erfolg absolviert.

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