Das muss die brasilianische Bundesregierung feststellen, die schon über 280 Mrd. US$ Währungsreserven angehäuft hat, die dem Land pro Jahr 45 Mrd. R$ kosten, das sind 1,5 % des Bruttosozialproduktes Brasiliens. Und damit mehr als alle Investitionen der Öffentlichen Hand, die für 2010 geplant sind. Im ersten Halbjahr investierte die Regierung den Rekordwert (Wahljahr!) von 20,6 Mrd. R$, dieser Wert wird im zweiten Halbjahr schwerlich erreicht werden. Aber selbst wenn es so wäre, kämen wir nur auf 41,2 Mrd. R$.
Warum sind uns diese Reserven so lieb und vor allem so teuer? Weil die US$ in Staatsanleihen sogenannter Erste – Welt – Länder angelegt werden, die einen Zinsatz nahe Null haben. Da die US$ aber von der brasilianischen Regierung mit geborgtem Geld gekauft werden, hat sie und damit alle, die in Brasilien leben, ein Problem. Denn hier bei uns beträgt der Leitzins zur Zeit 10,75 % im Jahr und die Differenz zum Habenzinssatz macht die Kosten aus.
Laut Schatzminister Guido Mantega wird Brasilien in Kürze mehr als 300 Mrd. US$ Währungsreserven besitzen. Am letzten Arbeitstag 2009 waren es „nur“ 239 Mrd. US$, am 14.10.2010 waren sie auf 280,5 Mrd. US$ gestiegen, ein Zuwachs von 17,4 %.
Die Graphik (Quelle: O Estado de São Paulo von heute) zeigt die Entwicklung der Währungsreserven und des Länderrisikos Brasilien der letzten 12 Monate. Erstaunlich, dass sich das Länderrisiko unabhängig von der Währungsreserven entwickelt. Ob das so bleiben wird, ist ungewiss, denn die Anleger suchen sich Länder mit hohem Wachstum und hoher Verzinsung aus – Brasilien wird dieses Jahr fast 8 % wachsen und der Leitzins ist fast zweistellig, eine ideale Konstellation. Aber ob diese Situation noch lange anhält, mag bezweifelt werden, denn auf der einen Seite strömten in den letzten Monaten 90 Mrd. US$ nach Brasilien, was auf der anderen Seite eine enorme Stärkung des R$ verursacht, mit negativen Folgen für den brasilianischen Export, mit einem Anwachsen des brasilianischen Importes und mit verheerenden Folgen für die brasilianische Industrie, deren Waren immer mehr durch ausländische ersetzt werden. Das Gespenst der Desindustrialisierung wird bereits an die Wand gemalt und der ehemalige Zentralbankpräsident Affonso Celso Pastore spricht von eine Dollartsunami, der Brasilien heimsucht.
Brasilien ist übrigens unter den BRIC-Staaten die Nummer 1, was Internationalisierung angeht. Die akkumulierten Fremdwährungsdirektinvestitionen (IDE) Brasiliens erreichten letztes Jahr 25 % des BIP, während Russland bei 21 %, Indien bei 13 % und China bei 10 % lagen. Nach einer Studie von Prof. Antonio Corrêa de Lacerda der PUG-SP auf Grundlagen von Daten der UNCTAD sind in Brasilien mehr als 400 der 500 weltgrössten transnationalen Firmen vertreten, die exportieren und zwei Drittel der internationalen Aussenhandels in ihren Händen haben. Aber auch hier kündigen sich Änderungen an, denn heute ist es im Gegensatz zu früher sehr teuer, in Brasilien zu investieren, der R$ ist einfach zu stark geworden. Und wenn man die absoluten Werte ansieht, sind die Fremdwährungsdirektinvestitionen Chinas enorm hoch (IDE in Mrd. US$ 2009):
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26,0 Brasilien
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38,7 Russland
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34,6 Indien
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95,0 China
Das Geld, was heute nach Brasilien fliesst, geht nicht in die verarbeitende Industrie, sondern vor allem in die Petrochemie, die Stahlerzeugung und in den Papier- und Zellulosesektor. Per Juli 2010 hatte Brasilien 21,8 Mrd. US$ aus dem Ausland erhalten, 46 % davon für den Dienstleistungssektor, die Landwirtschaft und Viehzucht sowie für den Bergbau. 23 % waren für die Chemiebranche bestimmt.
Brasiliens Anteil an der Weltwirtschaft ist immer noch sehr klein, 2009 war der Anteil der Exporte nur 1,2 % und der der Importe nur 1,1 %. Das liegt mit daran, dass auch die Multis in Brasilien vor allem für den Binnenmarkt produzieren. Ausserdem wird der Export durch den Realkurs und durch die Bürokratie erschwert und durch die mangelhafte Infrastruktur des Landes weiter behindert.
Zur Abrundung noch eine Graphik zum Wechselkurs € - R$ der letzten 12 Monate: