19 Juli 2015

BRASILIEN: Die Lage ist ernst, aber nicht hoffnungslos

Dieser Spruch wird Konrad Adenauer zugeschrieben und es wäre schön, den ersten Kanzler der Bundesrepublik Deutschland heute als Regierungschef in Brasilien zu haben, vielleicht noch zusammen mit Ludwig Erhard, dem Vater des deutschen Wirtschaftswunders. Haben wir aber nicht und das ist das Resultat (Quelle der folgenden Graphiken ist der O ESTADO DE SÃO PAULO von gestern und heute):

Zwischen Januar und Mai 2015 ging die industrielle Produktion Brasiliens laut IBGE um 6,9 % zurück:

Aktivitätsniveau (100 = Mittelwert von 2012)





Zentralbankindex der Wirtschaftsaktivität (2002 = 100, saisonberichtigt)
Und die Aussichten sind düster: Der vom CNI ermittelte Vertrauensindex der Unternehmer in der Industrie beträgt 37,2 Punkte, das ist der niedrigste Wert, seitdem er 1999 kreiert wurde. Die Lohn- und Gehaltssumme des Sektors ging im Mai 2015 gegenüber Mai 2014 um 9,7 % zurück. Betroffen sind vor allem diese Sektoren (Rückgang in % zwischen Januar und Mai 2015):

Bens de Capital = Kapitalgüter
Bens de Consumo Duráveis = langlebige Gebrauchsgüter
Bens de Consumo semiduráveis = kurzlebige Gebrauchsgüter
Neu ist, dass auch der Dienstleistungssektor stark betroffen ist, im ersten Halbjahr schrumpfte er nach Schätzung der Beratungsfirma LCE um 0,4 % und im ganzen laufenden Jahr wird der Rückgang wohl 0,6 % betragen. Seit 1997 ging es in diesem Sektor nur aufwärts, es wäre also das erste Mal seit 18 Jahren, dass er eine Einbuße erleidet. Ursache ist die steigende Arbeitslosigkeit und die wachsende Inflation:
Inflation in %, Wert für 2015 ist der 12Monatswert im Juni

Der Einzelhandel spürt dies besonders stark, seit August 2003 sind die Verkäufe nicht so stark zurückgegangen:
Veränderung jeweils zum Vorjahresmonat in %

Per Mai 2015 wurden für die letzten drei Monate 8,157 Millionen Arbeitslose gemeldet, in den letzten drei Monaten 2014 waren es noch 6,5 Millionen:


Nettosaldo formaler Arbeitsplätze jeweils für den Juni der letzten 23 Jahre 

Neue Arbeitsplätze jeweils im ersten Halbjahr in tausend formale Anstellungsverhältnisse


Das Einkommen in R$ entwickelte sich, gemessen im Mai (Mittelwert der letzten drei Monate), so:

Realeinkommen in R$

Der Rückgang von Mai 2015 im Vergleich zu 2014 unter Betrachtung der Mittelwerte der letzten drei Monate betrug 0,4 % 

Aber es gibt Lichtblicke, nur schade, dass die Preise für Soja etc. am Weltmarkt zurückgehen:
Der Getreide- und Ölfrüchteernteertragwird laut Conab um 6,6 % zunehmen

Trotz des Preisrückganges ist das Agrobusiness direkt für ca. 5 % des BIP verantwortlich, die Industrie für 27 % und der Dienstleistungssektor für 68 %. In US$ ging das BIP Brasiliens in den letzten Jahren zurück:
2015 wird der Rückgang noch akzentuierter sein, weil der Rückgang in R$ schon 2 % sein wird, dazu kommt noch der Wertverlust des R$:



Aber trösten wir uns mit den Worten Roberto Cortes', dem Präsidenten von MAN für Lateinamerika. Er sagte in einem Interview, welches gestern im O ESTADO DE SÃO PAULO veröffentlicht wurde, u.a., dass die Krise ein Verfallsdatum hätte, dass eine Besserung der wirtschaftlichen und politischen Situation erst 2016 spürbar würde und dass er in seinen 35 Jahren im Volkswagenkonzern schon 17 Krisen erlebt hätte und er trotzdem Brasilien als gutes Geschäft für das Unternehmen sähe. 

Zum Schluß noch die gute Nachricht, dass Brasilien am 15.6.15 immerhin 369 Mrd. US$ Devisenreserven angehäuft hatte, damit kann man schon mal eine Durststrecke überwinden.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen