21 März 2019

Fußball und Politik

Vor großen Länderspielen oder der Fußballweltmeisterschaft hat unsere Nationalelf nicht einen Trainer, sondern in Deutschland gefühlte 85 Millionen und in Brasilien 210 Millionen, nämlich alle Einwohner des jeweiligen Landes. Diese fühlen sich berufen, darüber zu entscheiden, wer in der Nationalmannschaft spielen solle und wie.

In Brasilien ist es seit dem Amtsantritt von Jaír Messias Bolsonaro nicht anders. Praktisch jeder Journalist fühlt sich berufen, berechtigt und qualifiziert, den Präsidenten, seine Familie und seine Minister und Ratgeber zu kritisieren und zu diffamieren. Da stellt sich eigentlich nur eine Frage, warum ist JMB zum Präsidenten gewählt worden und nicht einer der superschlauen Damen und Herren, deren bissigen Kommentare das Frühstück unserer Zeitungsleser und Radiohörer würzen?

Die längst überfällige Neuordnung der Militärlaufbahn wird kritisiert, weil damit die Verlängerung der Dienstzeit vor Eintritt in den Ruhestand im Rahmen der Reform der Rentenversicherung kompensiert würde. Dass ein Fregattenkapitän weniger verdient als ein Fahrer der Fahrbereitschaft des Senats wird allerdings nicht kritisiert.

Dass JMB nach seinem vertraulichen Gespräch mit Trump nicht explizit gesagt hat, dass er eine militärische Option gegen Maduro nicht kategorisch ausschließe, wird ihm als Kriegstreiberei ausgelegt. Seine Kritiker hätten sicher gerne gehabt, dass er Maduro versichert hätte, dass er weiterhin die Einwohner Venezuelas unter seiner Knute leiden lassen kann, weil Brasilien nichts dagegen unternehmen werde und auch die USA hindern würde, Maßnahmen gegen den sozialistischen Diktator zu ergreifen. 

Und dass JMB die Visumpflicht für Bürger Japans, Kanadas, Australiens und der USA ohne Gegenleistung aufheben will, sei ja wohl unerhört und zeuge von seiner Ahnungslosigkeit diplomatischer Gepflogenheiten. Schließlich sei es seit den Zeiten des Barão de Rio Branco, dem Vater der brasilianischen Diplomatie, üblich, nichts zu geben ohne etwas im Gegenzug zu erhalten. Dass diese Maßnahme unseren Tourismus ankurbeln werde, sei dagegen ohne Bedeutung. Und das Argument, dass Brasilianer sehr wohl interessiert seien, in die erwähnten Länder ohne Visum als Touristen einzureisen und dann als Illegale zu bleiben, grenzt schon an Nestbeschmutzung. Dass es keinem der Bürger dieser Erstweltländer einfallen würde, illegal in Brasilien zu leben - es sei denn, als Krimineller, der sich der Verfolgung durch seine heimische Polizei entziehen möchte - stellt für die Kritiker kein hinreichendes Argument für das brasilianische Entgegenkommen dar.

Und dann der freiwillige Verzicht auf den Schwellenlandstatus, nur um OECD-Mitglied zu werden. Unerhört, das schade doch unserer Wirtschaft und China z.B. würde nie freiwillig auf die Vorteile eines Schwellenlandstatus verzichten. Genau, die Betonung liegt auf freiwillig. Irgendwann werden auch die deutschen Gutmenschen keine Entwicklungshilfe mehr nach China schicken wollen und gleichzeitig miterleben, dass dieses Land als wirtschaftlicher Riese die Hochtechnologiefirmen Deutschlands aufkauft wie im Fall Kuka. Und wer im Club der Reichen, d.h. der OECD, aufgenommen werden will, kann nicht so tun, als ob er weiterhin Almosen nötig hat. Und wenn sich Brasilien weiterhin hinter dem Schwellenlandstatus versteckt, wird seine Industrie nie am Weltmarkt wettbewerbsfähig werden. 

Also kann JMB nur geraten werden, sich wie eine deutsche Eiche zu verhalten. Der ist es nämlich egal, ob sich ein Wildschwein an seiner Borke den Rücken kratzt oder nicht. Und Brasiliens Politiker sollen aufhören, sich wie Mimosen zu verhalten. Maia, der Parlamentspräsident, wollte Bolsonaro nicht empfangen, um dessen Vorschlag zur Neuordnung der Altersversorgung des Militärs entgegenzunehmen, weil dieser gleichzeitig die Militärlaufbahnen reformieren will. 

Wie schön wäre es, wenn man in der Politik und in der Wirtschaft streng nach Logik vorgehen könnte! Aber davor hat John von Neumann die Spieltheorie gesetzt! Als er 1903 in Budapest geboren wurde, hieß er übrigens noch Margittai Neumann János Lajos.

Aber im richtigen Leben wird man häufig von den Ereignissen überrollt, so auch heute:


Sie haben richtig gelesen, der Vorgänger von JMB wurde heute verhaftet! Das wird wohl für etwas Zurückhaltung der Journalisten gegenüber dem aktuellen Präsidenten sorgen, denn jetzt muss man sich natürlich (wieder) auf den früheren einschießen.

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