01 August 2019

Berechtigte Warnung oder Landwirtschaftslobby plus "Sozialisten aller Länder, vereinigt euch!"?


Wenn ich solche sensationshaschende Titelbilder sehe, frage ich mich, was dahinter steckt. Ist es der Wunsch, Präsident Bolsonaro zu schwächen und ihn durch einen linken Regierungschef abzulösen? Oder ist es der Druck der Agrarlobby, die bereits direkt nach Unterzeichung des Freihandelsabkommens zwischen der EU und dem Mercosul in Tokyo zu lamentieren begonnen hat? Wie übrigens auch die brasilianischen Maschinen- und Anlagenbauer? Jeder fürchtet eben, dass der Konkurrent auf der anderen Atlantikseite wettbewerbsfähiger ist - nicht zu unrecht!

Am 29.6.19 habe ich im Rundbrief BRASILIEN AKTUELL dies geschrieben:

Die Wahrheit über den Umweltschutz
Selbst die Kanzlerin der Bundesrepublik Deutschland heuchelt mit und kündigte an, in Osaka klare Worte mit Bolsonaro zu sprechen

Auf meinen Reisen in Brasilien und in Deutschland werde ich immer wieder von meinen deutschen Geschäftspartnern auf die Abholzung des Regenwaldes und die Unterstützung Bolsonaros bei der unverantwortlichen Zerstörung der Umwelt angesprochen. Bis jetzt hat nicht einer dieser Kritiker den Regenwald je gesehen, aber jeder kennt sich trotzdem bestens aus, denn es stand ja in der Zeitung und im Öffentlich-Rechtlichen Fernsehen (ARD, ZDF, DW) konnte man es auch sehen, Brasilien ist ein Umweltsünder par excellence und der brasilianische Präsident eine Unperson. 

Plínio Nastari, Präsident der Agroberatung Datagro und Vertreter der Zivilgesellschaft im Nationalen Rat für Energiepolitik (CNPE) hat in einem offenem Brief mit der Überschrift „Entschuldigung, Frau Merkel“ im O ESTADO DE SÃO PAULO von heute auf ihre Heuchelei geantwortet. Die folgenden Informationen habe ich seiner Stellungnahme entnommen:

Brasilien schützt seine ursprüngliche Flora auf 66,3% seiner Fläche und nutzt nur 9% seiner Fläche für Felder und angepflanzte Wälder. 20,5% der Fläche privater ländlicher Immobilien, 13,1% der Fläche der Schutzgebiete und 13,8% der Reservate der Urbevölkerung Brasiliens sind von ursprünglicher einheimischer Vegetation bedeckt, dafür erhält kein Landwirt irgendeine Entschädigung. In der EU macht dagegen die ursprüngliche Vegetation 0,3% der Gesamtfläche aus! 
44% der Energiematrix Brasiliens bestehen aus erneuerbaren Energien, das Zuckerrohr liefert mit 17% den zweitgrößten Primärenergieanteil nach Erdöl und seinen Derivaten. Im ersten Vierteljahr 2019 hat der Bioalkohol pur oder mit Benzin vermischt 45,6% des Benzinverbrauches ersetzt. Seit 1976, als Bioalkohol erstmalig als Kraftstoff verwendet wurde, wurden bereits 477 Mrd. Liter Benzin (oder 3 Mrd. Barrels) ersetzt und dadurch 506 Mrd. US$ eingespart. Nicht wenig für ein Land mit 12,6 Mrd. Barrels Erdölreserven und Währungsreserven von 383 Mrd. US$. Der Bioalkohol hat in Brasilien auch die krebserregenden Aromate im Benzin ersetzt und die Emission von Kohlenmonoxid, Formaldehyd und flüchtigen organischen Stoffen, die fotochemischen Smog erzeugen, reduziert. Außerdem deckt Brasilien bereits 10% seines Dieselbedarfes mit Biodiesel und wird diesen Anteil bis 2023 auf 15% erhöhen. Deshalb und weil São Paulo die Autonutzung einschränkt (rodízio), ist hier die Luftverschmutzung nicht so hoch wie in Peking, Neu Delhi oder in Mexikostadt.

Ich hoffe, dass diese Zeilen zur Versachlichung beitragen. Brasilien scheint der underdog der Welt zu sein, alle anderen Länder mit Regenwäldern, die diese in einigen Fällen fast völlig abgeholzt haben, sind nie so hart angegangen worden wie Brasilien. Und selbst die größten Umweltverschmutzer werden von der internationalen Presse besser behandelt als meine Wahlheimat.

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