16 März 2020

"Eu estou de saco cheio!" oder "Ich habe die Schnauze voll!"

Trotz aller Bedenken wegen der Ausbreitung des Corona-Virus hat gestern der Präsident, der von Demonstrationen zu seiner Unterstützung in einer Fernsehansprache abriet, eine kleinere Ansammlung seiner Anhänger gestern vor seinem Amtssitz begrüßt und wurde deshalb von der Presse heruntergemacht:

Infektiologen kritisieren Bolsonaro wegen des schlechten Beispiels für die Nation

Diese Kritik ist sicher nicht von der Hand zu weisen, aber ob sie als Hauptschlagzeile auf der Titelseite gebracht werden muss, ist m.E. fraglich, es gibt dem Leser sicher Wichtigeres mitzuteilen.

Und unter dem Foto muss man natürlich die Kritik der quasi schon konstitutionellen Gegner des Präsidenten bringen:

Der Präsident sollte im Palast sein und ein Krisenkabinett koordinieren: Rodrigo Maia, Präsident der Abgeordnetenkammer

Mit dieser Pandemie ist es nicht konsequent, Zusammenballungen von Personen auf den Straßen zu stimulieren: Davi Alcolumbre, Präsident des Kongresses

Am heutigen Montag sagte Maia dann "Der Präsident ist im persönlichen Gespräch sehr gut im Dialog, viel mehr als er zu sein scheint. Vergessen wir unsere Unterschiede und schauen wir uns die Menschen an. Die Situation ist zu komplex, als dass die Leute sagen könnten: Schauen Sie, was Sie gestern getan haben, schauen Sie sich an, was ich heute gemacht habe. Wir müssen nach vorne gucken!"

Bolsonaro sieht in der Kritik an ihm einen Machtkampf und sagte, dass seine Isolierung als Präsident ein Staatsstreich wäre. Der ehemalige Justizminister unter Fernando Henrique Cardoso, Reale jr., schoss mit seinem Vorschlag, den Präsidenten auf seinen Geisteszustand untersuchen und eventuell des Amtes zu entheben und strafrechtlich verfolgen zu lassen, weil er physischen Kontakt zu den Demonstranten hatte, den Vogel ab. Das lässt Zweifel an seinen Beweggründen und seiner eigenen Urteilsfähigkeit zu.

Wie genau der Präsident und seine Schritte von seinen Gegnern unter die Lupe genommen werden, zeigen diese Zeilen von der Titelseite: Eine Analyse des ESTADO des Films von der Teilnahme Bolsonaros zeigt, dass er in ca. 58 Minuten physischen Kontakt mit 272 Personen hatte. Ich schreibe bewußt Gegner, denn Kritiker wäre zu mild.

Was die Zeitungen nicht berichtet haben und in den Abendnachrichten gestern habe ich auch nichts davon gesehen, ist die Demonstration in São Paulo, auf der starke Kritik am Gouverneur geübt wurde, der sich als Nachfolger Bolsonaros aufbaut. Diesen Film von der Demonstration hat mir ein Teilnehmer geschickt:

Der Halter des LKW, der hier als Plattform benutzt wurde, bekam eine saftige Strafe aufgebrummt. Die Teilnehmer der Demonstration spendeten spontan soviel, dass nicht nur die Strafe, sondern auch die Miete bezahlt werden konnte. Und die Demonstranten zeigten klar, dass die schweigende Mehrheit auch die Stimme erhebt, wenn es nötig ist, trotz Corona-Virus. Und dann wird eben ausgedrückt, was in meiner Überschrift zu diesem post steht.

Übrigens hat Maia zusammen mit João Doria, dem Gouverneur, von São Paulo, am 9.3.2020 an der Einweihung des CNN - Büros in Brasilien zusammen mit mehr als 1.000 Personen teilgenommen. Das hat kein Reporter als gefährlich für die Volksgesundheit eingestuft. Solange die Medien und die Politiker, die gegen Bolsonaro sind, sich solche Heuchelei erlauben, kann ihre Kritik am Präsidenten unmöglich Ernst genommen werden.

Ob die Tatsache, dass Maia praktisch jeden der offiziellen 250 Arbeitstage im Jahr ein Regierungsflugzeug benutzt, damit zusammenhängt, dass er niemanden anstecken will? Oder sich nicht anstecken lassen will? Noch schlimmer wäre es, wenn er wie der ehemalige Präsident Figueiredo denken würde, der gesagt haben soll, er rieche lieber seine Pferde als das gewöhnliche Volk. Vielleicht ist auch deshalb Bolsonaro beliebt beim Volk und verhasst bei der "Elite", weil er keine Berührungsängste hat?

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