25 Oktober 2008

Es wird nicht alles so heiß gegessen, wie es gekocht wird!

Die Lage ist ernst, ohne Zweifel. Das Geld wird knapper, Kredite zu erhalten , wird gerade auch in Brasilien schwieriger und die Zinsen sind immer noch viel zu hoch. Viele Firmen sind in US$ verschuldet und wissen jetzt nicht, wo sie das Geld zur Bedienung dieser Schulden hernehmen sollen. Der Staat muß einschreiten, was nach Steuererhöhung riecht. Wichtige Reformen wie die des Steuersystems und der Sozialversicherung lassen auf sich warten, das berühmte PAC-Programm kommt nicht aus den Startlöchern und die Regierung zeigt keine Bereitschaft, den Gürtel enger zu schnallen. Die Kandidatin der Arbeiterpartei für das Amt des Oberbürgermeisters von São Paulo brüstet sich mit sozialen Hilfsprogrammen, d.h. sie will Fische verteilen und keine Angeln. Ob es ihr hilft, werden wir morgen nach der Wahl wissen. Große brasilianische Firmen sind vorsichtig und verschieben schon Investitionen, weil die Nachfrage im Ausland nachläßt, siehe dazu das Beispiel der Automobilindustrie, für die zum Teil vorgezogene Betriebsferien angesagt sind. VW will sich aber nicht in Brasilien, sondern in Deutschland von bis zu 25.000 Leiharbeitern trennen und die brasilianische Autoindustrie wird auch 2008 wieder einen Produktionsrekord erzielen.

Brasilien  ist trotzdem in einer ganz anderen Lage als vor zehn oder gar zwanzig Jahren. Damals war Brasilien oft die Ursache internationaler Probleme, heute kann es die Lösung sein - zusammen mit den anderen BRIC-Staaten. Unsere Auslandsverschuldung ist weitgehend abgebaut, die Devisenreserven liegen über 200 Mrd. US$, wir haben riesige Erdöl-und -gasvorräte, sind Exportweltmeister in vielen Kategorien und werden nicht grundlos trotz aller Probleme wie punktueller Armut, Korruption, Kriminalität, Bürokratie und Analphabetismus das Land der unbegrenzten Lebensfreude genannt. Unser größtes Potential sind unsere Menschen, die dem Leben gegenüber positiv eingestellten Brasilianer, die sich nicht unterkriegen lassen. 

Das zeigt sich u.a. in der Ankündigung unserer Supermarktkette Carrefour vom 19.10.2008, daß sie 2.000 Arbeitsplätze zu vergeben hat. Wie man sieht, hat diese Firma - und andere Gesellschaften - nicht den Glauben an Wachstum und Stabilität verloren.

Was Christian Moritz, Partner von MMlaw Rechtsanwälte in Ratingen/Stuttgart und gegenwärtig verantwortlich für die Deutsche Abteilung bei Felsberg e Associados in São Paulo 2007 in "Business & Law" schrieb, hat nichts an Bedeutung verloren, auch wenn der Real inzwischen etwas an Stärke eingebüßt hat:

"728 Unternehmen aus Bayern pflegen bereits Handelsbeziehungen mit Brasilien und die neuesten Entwicklungen geben ihnen Recht: Die Zeit für einen Markteintritt ist günstig." 

Peter Rösler, der stellvertretende Geschäftsführer des Lateinamerika Verein e.V., gab am 16.9.2008 auf dem NRW-Außenwirtschaftstag in Essen weitere Daten bekannt:

Eckdaten Brasiliens 2007 (in Klammern die Zahlen Deutschlands zum Vergleich):
  • Fläche = 8.511.965 Quadratkilometer (357.021)
  • Bevölkerung = 190 Millionen (82,4) 
  • BIP = 1.269 Mrd. US$ (3.259)
  • BIP in Kaufkraftparität umgerechnet = 1.838 Mrd. US$ (2.833)
  • BIP pro Kopf = 9.700 US$ (34.400)
  • BIP-Wachstum = 5,4 % (2,6)
  • BIP-Anteil Landwirtschaft = 20 % (3)
  • BIP-Anteil Industrie = 14 % (33)
  • BIP-Anteil Dienstleistungen = 66 % (64)
Solide, marktwirtschaftlich orientierte Wirtschaftspolitik:

4 Ziele: 
  • Nachhaltiges Wirtschaftswachstum 
  • Konsolidierung der Staatsfinanzen 
  • Resistenz gegen außenwirtschaftliche Verwerfungen 
  • Abbau der Armut 
Wirtschaftspolitik:
  • Gleichberechtigung in-und ausländischer Investitionen 
  • unabhängige Zentralbank 
  • Priorität der Inflationsbekämpfung 
  • freie Wechselkurse 
  • hohe Devisenreserven 
  • Haushaltsdisziplin (Hier erlaube ich mir ein ? einzufügen) und Privatisierungen
  • modernes Steuersystem (Ebenfalls mit ? zu versehen!)
  • entwickelter lokaler Kapitalmarkt 
  • soziale Unterstützungsprogramme (z.B. Bolsa Familia) 
  • solide politische Institutionen 
Aber: wichtige Reformen (z.B. Rentensystem) stehen noch aus

Weltweites Produktranking:
  • Nr. 1 in Ethanol
  • Nr. 2 in Jeans, Keramikteilen und Buskarrosserien
  • Nr. 3 in Linienflugzeugen, Schuhen und Motorrädern
  • Nr. 4 in Bier
  • Nr. 5 in Seide und Radiogeräten
  • Nr. 6 in Kfz, CDs und Zement
  • Nr. 7 in Zellstoff, Papier, Textilien und Bekleidung
  • Nr. 8 in Stahl
Highlights zu Brasiliens Industrie
  • Die Frankfurter Börse benutzt brasilianische Software 
  • Embraer ist die Nr. 3 in der weltweiten Verkehrsflugzeugproduktion 
  • Deutschland importiert brasilianische Raketen für Mikrogravitätsexperimente  
  • Petrobras ist weltweiter Führer in Tiefwasser - Ölbohrungen 
  • Odebrecht ist weltweit führend im Bau von Wasserkraftwerken 
  • Brasilien ist der größte Hersteller von Hybridmotoren 
  • 50 % des brasilianischen Kraftstoffverbrauchs basieren auf Alkohol und Biodiesel 
Exportweltmacht Brasilien (jeweils die drei wichtigstens Länder in der Reihenfolge ihrer Exportwerte)
  • Soja => Brasilien - Argentinien - USA
  • Zucker => Brasilien - Thailand - EU
  • Eisenerz => Brasilien - Australien - Kanada
  • Kaffee => Brasilien - Vietnam - Kolumbien
  • Geflügel => Brasilien - USA - Kanada
  • Orangensaftkonzentrat => Brasilien - USA - Spanien
  • Rindfleisch => Brasilien - Australien - Kanada
  • Ethanol => Brasilien - USA - EU
  • Eisen und Stahl => Rußland - Brasilien  - Frankreich
Risikowahrnehmung Brasiliens durch deutsche Unternehmen 
  • Bürokratie und Korruption 
  • starke Steuerbelastung und hohes Zinsniveau 
  • fehlendes Doppelbesteuerungsabkommen 
  • hohe Produktionskosten (custo Brasil) 
  • starke Real-Aufwertung  
  • mangelnde Rechtssicherheit 
  • veraltete Arbeitsgesetzgebung 
  • unterentwickelte Infrastruktur 
  • starke Abhängigkeit der Wirtschaft von „commodities“ 
  • krasse Einkommensunterschiede 
  • zu verbesserndes Bildungs-und Ausbildungsniveau 
Vorteile Brasiliens aus der Sicht deutscher Unternehmen 
  • neuntgrößte Volkswirtschaft und fünftgrößte Bevölkerung der Erde 
  • flächenmäßig so groß wie die USA (ohne Alaska) –Nr. 5 weltweit 
  • gewaltige Agrar-, Bergbau-und Energieressourcen (einschl. Erdöl) 
  • fast unerschöpfliche Quelle erneuerbarer Rohstoffe 
  • umfassend entwickelter Industriesektor und sprunghaft wachsender Exportsektor 
  • riesiges Wachstumspotential (BRIC-Land: ein „Muss“ für jeden „global player“) 
  • wachsende Mittelschicht (2008: 52 % in den 6 größten Städten) 
  • junge, konsumorientierte Bevölkerung 
  • Investment Grade (Standard & Poor‘s, Fitch) 
  • Devisenreserven übersteigen Auslandsverschuldung 
  • hoch motivierte Arbeitskräfte 
  • sehr gute Geschäftsmöglichkeiten 
  • starke Präsenz großer und mittelständischer deutscher Unternehmen 
  • geringe Mentalitätsunterschiede (10 Mio. Deutschstämmige) 
Dem will ich an dieser Stelle nichts hinzufügen, die Daten sprechen für sich und vor allem für Brasilien!!!

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