09 September 2006

Inflation, Wahlen, Technologie, Wettbewerbsfähigkeit und andere Probleme

Der IMF-Direktor Rodrigo de Rato warnt vor einer globalen Preissteigerung, die das Weltwirtschaftswachstum bremsen könnte. Zur Zeit kann sich keiner über dieses Wachstum mit seinen Motoren China und Indien beschweren, aber steigende Preise für Erdöl und Rohstoffe können das ändern, auch wenn die Wirtschaft gegenüber dem Erdölpreis erstaunlich "robust" geblieben ist, wie man heute so schön sagt.

In Brasilien hat die Zentralbank offensichtlich immer noch 1.) Angst vor der Inflation und die Regierung 2.) außer dem Leitzins keine andere Mittel zur Inflationsbekämpfung gefunden. Und deshalb erwarten die Auguren (die sich auch irren können) für Ende 2007 einen Leitzins von 12 %. Wobei der Einfluß der ungehemmten Wahlversprechen des (noch und bald wieder) Präsidenten Lula, deren finanziellen Auswirkungen im Regierungshaushalt nicht berücksichtigt sind, unbekannt und zu fürchten sind.

Dieser hat sich gestern übrigens dazu hinreißen lassen, der Opposition vorzuwerfen, sie eifere Hitler nach, der eine neue Rasse (arischer Herrenmenschen?) schaffen wollte, um das Volk nach seinen Vorstellungen zu prägen. Als hervorragender Populist rief er noch "Es gibt sogar Leute, die glauben, Arme sollten nicht wählen dürfen, weil sie mich (Lula) wählen!". Als ob wir in Brasilien nicht schon genug Probleme hätten; jetzt wird noch der Klassenkampf versucht! Und es scheint zu funktionieren, nach der neuesten Umfrage erhält Lula im ersten Wahlgang 48 % (gleichbleibend zur letzten Umfrage) und sein Hauptwidersacher Alckmin 27 %, zwar 5 Prozentpunkte mehr als 11 Tage vorher, aber leider nicht ausreichend. Es kommt manchmal auf kleinste Unterschiede an, Schumacher verlor die Pole Position heute an Raikkonen wegen 0,002 Sekunden!

Bei der Wettbewerbsfähigkeit ist der Abstand größer, nach einer FIESP-Untersuchung von 43 Ländern liegen ganz vorne die USA, gefolgt von Japan, Schweden, Norwegen und Singapur. Brasilien erscheint erst nach anderen lateinamerikanischen Ländern wie Argentinien, Chile, Venezuela und Mexiko. Hinter Brasilien tauchen nur die Philippinen, Kolumbien, Türkei, Indien und Indonesien auf. Immerhin hat Brasilien den 38. Platz geschafft, im Vorjahr war es der 39. Im Mittel stieg die Wettbewerbsfähigkeit der untersuchten Länder um 27 %, die Brasiliens aber nur um 15 %. Das bedeutet für die Regierung eine Herausforderung, denn sie muß in ihrem ureigensten Bereich reformieren, damit die Privatwirtschaft die Voraussetzungen erhält, ihren Beitrag zu leisten. Und für ausländische Unternehmer bedeutet dies eine große Chance, denn das Land hungert nach Technologie. Wir haben zwar Inseln der Exzellenz, aber es sind eben nur Inseln und Brasilien ist fast ein Kontinent für sich.

Was überhaupt nicht hilft, die technologische Lücke zu schließen, ist die Situation des brasilianischen Patentamtes INPI in Rio. Zur Zeit warten 550.000 Schutzrechtanträge und -einsprüche auf eine Entscheidung und bis Jahresende wird der Eingang weiterer 35.000 erwartet. Wer eine einfache Marke anmeldet, wartet zur Zeit ca. 6 Jahre auf die endgültige Erteilung des Markenrechts! Wie schlecht das INPI arbeitet, kann einfach gezeigt werden. Einer meiner Kunden, dessen Patente schon ausgelaufen sind, weil er sie vor 45 Jahren anmeldete und die zugrundeliegende Technik bereits Eingang in die einschlägigen Lehrbücher fand, verlor in Brasilien vorübergehend seine Kunden, weil ein brasilianischer Konkurrent ein frisches Patent vorzeigen konnte. Mit diesem drohte er den Käufern, daß sie illegal arbeiten würden, wenn sie in Deutschland Produkte käuften, die er in Brasilien patentiert habe. Erst auf unseren anwaltlichen Einspruch hin nahm der Konkurrrent seine Drohungen zurück. Hätten die Prüfer des Patentamtes ein Fachbuch aufgeschlagen, wäre dies nicht passiert. Schade, daß keine Einsteins beim INPI arbeiten.

Noch ein mehr als überflüssiges Problem. Weil der Mercosur nicht funktioniert, will Uruguay ein Handelsabkommen mit den USA abschließen. Und Brasilien schwingt den großen Knüppel und droht, daß das Land dann den Mercosur verlassen müsse. Dabei reicht eigentlich schon der Ärger, den man im Augenblick mit Indien hat. Denn beide Außenministerien haben komplett unterschiedliche Auffassungen über die Wichtigkeit des jeweils anderen Landes als strategischer Partner. Indien sieht, wie China, Brasilien zunächst als Konkurrent an, während die ideologisch geprägte brasilianische Regierung von einer Einheitsfront der Schwellenländer einschließlich Südafrikas schwärmt. Einheitsfront in erster Linie natürlich gegen die USA.

Wer mehr über Investitionschancen in Brasilien wissen will, sollte das Seminar der IHK Pfalz am 28.9.2006 nicht verpassen, auf dem ich über "Handel mit Brasilien" und "Investieren in Brasilien" sprechen werde. Wer das Land geführt kennenlernen möchte, kann dies auf einer Unternehmerreise der IHK Essen Ende November machen, die nach Rio und São Paulo führt. Zur Vorbereitung spreche ich in der IHK Essen am 25.9. nachmittags zu Interessenten über die brasilianische Wirtschaft, Geschäftsmöglichkeiten und was man in Brasilien beachten sollte.

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