Bei meinen kostenlosen Orientierungsgesprächen mit Brasilieninteressierten habe ich fast immer Vertreter aus den Sektoren Engineering, Maschinenbau, Elektrotechnik und Chemie am Tisch, bis auf wenige Ausnahmen fast nie Hersteller oder Händler von Konsumgütern. Meine Agenda für März zeigt dieses gewohnte Bild, auch in den nächsten Tagen werde ich in Deutschland nur mit zwei Firmen sprechen, die ihre Produkte im Einzelhandel absetzen.
Dabei ist dies unverständlich, denn Brasilien hat genug Verbraucher, wie die Anwesenheit von Firmen wie Wal-Mart, Carrefour, Dr. Oetker und Fuchs-Gewürze zeigt, um sehr interessant als Absatzland für Konsumgüter zu sein. Die genannten Firmen sind hier sehr erfolgreich, allerdings können Sie in meinem Buch "Wirtschaftsboom am Zuckerhut" auch über einen Fall lesen, der Thermoskannen betrifft und bei dem sich die betreffende Firma nicht mit Ruhm bekleckert hat. Aber dies ist ein Einzelfall und die ebenfalls deutsche Konkurrenz verkauft bis heute sehr gut. Also nochmal die Frage, warum interessiert sich kaum ein deutscher Konsumgüterhersteller oder -händler für Brasilien?
An der Anzahl seiner Menschen kann es nicht liegen, denn alleine São Paulo soll nach einem UNO-Bericht (Perspectivas Mundiais de Urbanização - Revisão de 2007) 2010 schon die drittgrößte Einwohnerzahl der Welt haben, wenn sie 19,6 Millionen Menschen erreichen wird. Aber wer Konsumenten sucht, braucht nicht solange zu warten, auch heute schon gibt es genug davon. Groß-São Paulo hat nach diesem UNO-Bericht 18,8 Millionen Einwohner und liegt damit an fünfter Stelle auf der Welt. Den Spitzenplatz nimmt Tokyo mit 35,7 Millionen Einwohner ein - soll man dazu gratulieren oder einen großen Bogen um dieses Gebiet machen? Dann kommen mit jeweils 19 Millionen Einwohnern New York, Mexiko-Stadt und Mumbai (das frühere Bombay). Die Prognose der UNO-Wissenschaftler sieht diese Regionen (Städte kann man eigentlich gar nicht mehr sagen) mit folgenden Einwohnerzahlen: Tokio 36,4 Millionen, Mumbai 26,4 Millionen, Neu Dehli 22,5 Millionen, Dhaka 22 Millionen, São Paulo 19,6 Millionen.
An den Einkommensverhältnissen kann es auch nicht liegen, denn wir sind nicht in Bangladesh. Wenn wir nämlich als Beispiel Dhaka nehmen, muß leider gesagt werden, dass in dieser Stadt ein Drittel der Einwohner in Elendsvierteln leben. Wahrscheinlich glauben die von mir vermissten Konsumgüterhersteller, dass dies in Brasilien ähnlich sei? Dann sei diesen gesagt, dass das Familieneinkommen Brasiliens 2007 in der Summe eine Billion R$ überschritten hat. Es ist in den letzten beiden Jahren um fast 20 % (+ 194 Mrd. R$ von 2005 auf 2007) gewachsen und betrugt Ende 2007 mit einem Kurs von 1 € = 2,55 R$ immerhin beachtliche 458 Mrd. € (1,168 Billionen R$). 2008 wird weiterhin Wachstum erwartet, 7,9 % insgesamt. Damit hätten wir Ende 2008 gegenüber 2005 ein Plus von 29 % zu verzeichnen, das ist ein Traumwert! Und hier haben wir auch die Erklärung gefunden, warum Brasilien heute schon in einigen Kategorien Konsumweltmeister ist. Hier einige Zahlen von 2007, die heute von der Tageszeitung O Estado de São Paulo veröffentlicht wurden:
Fahrzeugproduktion (Mio. Fahrzeuge)
11,596 Japan
10,781 USA
8,882 China
6,213 Deutschland
4,086 Südkorea
2,971 Brasilien
2006 lag Brasilien hinter Spanien noch auf dem achten Platz!
Kosmetikverkauf (Mrd. US$)
50,5 USA
29,8 Japan
18,2 Brasilien
14,1 Frankreich
13,6 Deutschland
In nur zwei Jahren hat Brasilien Deutschland, Großbritannien und Frankreich überholt!
Computerverkauf (Millionen Einheiten)
64,0 USA
36,0 China
13,0 Japan
11,2 Großbritannien
10,7 Brasilien
Brasilien hat Deutschland und Frankreich hinter sich gelassen!
Mobiltelefonverkauf (Millionen Einheiten)
547 China
253 USA
234 Indien
170 Rußland
121 Brasilien
Brasilien hat Japan überholt! Aber ob wirklich Verkauf gemeint ist? Eher wohl Bestand!
Schokoladeverbrauch (Tonnen)
1.600 USA
1.077 Deutschland
531 Großbritannien
410 Brasilien
404 Frankreich
In der Originalmeldung stand Milliarden Tonnen, aber hier melde ich starke und berechtigte Zweifel an, denn bei grob gerechnet 170 Millionen Einwohnern hätte jeder Brasilianer dann 2412 Tonnen Schokolade im Jahr bzw. 6,6 Tonnen täglich gegessen. 8,5 kg Schokolade haben die Deutschen 2006 pro Kopf verzehrt, das sind bei 85 Mio. Einwohnern nur 722.000 Tonnen. Also streichen wir die Milliarden und belassen es bei einfachen Tonnen, zum Dickwerden ist es immer noch genug.
Zum Schluss noch eine weitere Zahl: Brasilien war 2007 hinter den USA und Mexiko das Land mit dem größten Durst (seiner Einwohner) nach Coca Cola, 8,53 Milliarden Liter (+ 16 % gegenüber 2006).
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