24 April 2010

Würdigung der Leistung Lulas

Der Blogleser Heinz schickte mir am Mittwoch, den 21 April, 2010 diesen Kommentar: "Sehr geehrter Herr Naumann, da Sie in der Vergangenheit immer den Präsidenten Lula für Misserfolge in der brasilianischen Wirtschaft verantwortlich gemacht haben, gönnen Sie ihm doch jetzt mal den Erfolg. Und loben Sie ihn! Oder finden Sie wieder ein Haar in der Suppe?" Keine Angst, ich gönne ihm ja seine Meriten, durchaus, aber es gibt eben auch das erwähnte Haar in der Suppe bzw. viele Haare. Wofür der Präsident Lob verdient, ist sein striktes Verfolgen der Wirtschaftspolitik seines Vorgängers, sicher gegen etliche Widerstände in seinen eigenen Reihen.

Ich stimme Heinz auch insoweit zu, dass Brasilien sehr erfolgreich ist, aber nicht unbedingt wegen, sondern wohl trotz seines Präsidenten, der in der Opposition der damaligen Regierung die Zustimmung für lebensnotwendige Reformen verweigerte, gegen die Verfassung gestimmt hat und auch den Real nicht haben wollte. Jetzt als Präsident versucht er alles, aber wirklich alles, um an der Macht zu bleiben. Dazu folgende Zahlen:
  • 2003, in seinem ersten Amtsjahr, wurden 499 Werbeträger mit Bundesmittel ausgestattet, um die grossen Taten der Regierung zu verkünden
  • 2009 waren es bereits 7.047 Werbeträger, also 1.312 % mehr als im ersten Amtsjahr
  • Von 2003 bis 2009 gaben die Bundesregierung und die Staatsfirmen 7,7 Mrd. R$ (heute 3,3 Mrd. €) für Werbung aus
  • Allein 2009 waren es 1,17 Mrd. R$, 48 % mehr als die 2003 ausgegebenen 0,8 Mrd. R$
In seiner Amtszeit wurde keine einzige der anstehenden Reformen verwirklicht. Die Sozialversicherung ist immer noch defizitär, das Zahlungsdefizit Brasiliens mit dem Ausland beträgt zur Zeit 12 Mrd. US$ - ein unerwünschter Rekord, das öffentliche Gesundheitswesen und das Bildungswesen lassen mehr als zu wünschen übrig, die Strassen sind in einem katastrophalen Zustand und die Korruption treibt schillernde Blüten. Lula schützt diese Korruption durch Wegsehen, um sich und seine Partei an der Macht zu halten. Ein rechtskräftig wegen vierfachen Mordes verurteilter italienischer Terrorist wird mit Samthandschuhen praktisch als Staatsgast behandelt, Diktatoren mit blutbefleckten Händen wie Fidel Castro werden hofiert und ein gerade wegen eines Hungerstreikes gestorbene Regimegegner während eines Staatsbesuches in Kuba als unwesentlich und unbequem abgetan, und in Brasilien wird eine ehemalige Terroristin zur Präsidenschaftskandidatin gemacht.

Wer als Ausländer eine Firma in Brasilien gründen will, sieht sich vor bürokratischen Hindernissen, die einem die Lust dazu vergehen lassen. Und wer eine Zulassung der Gesundheitsbehörde ANVISA braucht, hört, wie es mir neulich passierte, von Brasilianern ein ernst gemeintes "das tut mir Leid". Sie brauchen hier zwei Jahre und mehr, um eine Kosmetikfirma zum Laufen zu bringen! Und müssen z.B. für das Verwaltungsbüro einer solchen Firma, das in einem Bürohaus mit anderen Firmen zusammen untergebracht ist, nachweisen, dass der Wasserkasten des Bürohauses gereinigt wird! Wenn Sie dies nicht können, bekommen Sie keine Freigabe, Ihre Kosmetika, die weder das Büro noch das Bürohaus jemals sehen, zu vertreiben!

Und in diesem Umfeld gedeihen brasilianische und ausländische Firmen, weil deren Eigentümer und Mitarbeiter an Brasilien, seine Grösse, seine Lebenskraft und seine Gegenwart und Zukunft glauben und trotz aller dieser Hindernisse, trotz exorbitanter Zinsen und Steuern, trotz der Importbürokratie und -kosten, trotz der Devisenbewirtschaftung, trotz einer arbeitgeberfeindlichen Arbeitsgesetzgebung, trotz einer von der Regierung nicht nur geduldeten, sondern sogar mit Steuergeldern geförderten Landlosenbewegung, die ungehindert produzierende landwirtschaftliche Anwesen besetzt und zerstört und dabei Todesfälle in Kauf nimmt bzw. verursacht, ihre Arbeit verrichten, und das mit grossem Erfolg.

Die aussenpolitische Situation will ich gar nicht weiter kommentieren, nur der Hinweis auf Lulas Anbandeln mit dem Iran sei genannt. Und die Tendenz Lulas, privatisierte Firmen wieder zu verstaatlichen, kann uns nur VEBs unseeligen Gedenkens einbringen, ineffizient und teuer, aber gut, um verdiente Parteigenossen zu parken.

Deswegen kann ich, der vom Balkon unserer Wohnung aus den Aufstand vom 17. Juni in Berlin gesehen habe und später in Berlin am 13. August den Bau der Mauer mitverfolgte, keinen Gefallen an einem linkspopulistischen Präsidenten Lula gewinnen, der die Wirtschaftspolitik seines Vorgängers weiter betreibt, diesen aber diffamiert und der einen Senatspräsidenten Sarney unterstützt, über dessen Sohnes Josés Geschäfte die führende Tageszeitung O Estado de São Paulo aufgrund eines richterlichen Beschlusses, erlangt von einem Freund der Familie Sarney, seit 267 Tagen nicht berichten darf! Einen solchen Maulkorb darf es in einer Demokratie nicht geben und gerade Lula, der in der Militärregierungszeit den diktatorischen Machthabern mutig entgegentrat, sollte jetzt seine Position benutzen, um die Demokratie seines Landes zu schützen. Und dazu gehört, dass es keine Pressezensur geben darf, wenn diese Skandale und Machtmissbrauch der Oligarchie anprangert.

Eine Frage zum Schluss: Hat jemals ein deutscher Regierungschef bzw. Bundespräsident seine Ehefrau bzw. Ehemann mit einem Orden ausgezeichnet? Lula hat. Was seine sichere Hand in Stilfragen verrät.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen