25 September 2008

Qualifikation

Wer in Brasilien Arbeitskräfte sucht, kann Besonderes erwarten. Auf der einen Seite trifft man nämlich auf hochqualifizierte Bewerber, die sowohl als Spezialisten ihres Fachgebietes als auch als Führungskräfte ihren Mann (Entschuldigung, Frau Schwarzer) stehen. Und auf der anderen Seite Menschen, die nicht vermittelbar sind, weil ihnen jegliche Qualifikation fehlt. Typisches Beispiel: Interview mit einer Aspirantin auf die Stelle eines Dienstmädchens. Die Bewerberin kann nicht lesen oder schreiben, auch nicht bügeln oder kochen, aber sie weiß, was sie verdienen will. Nämlich soviel, dass sie eigentlich neben den häuslichen Fertigkeiten auch Singen und Klavierspielen sollte, um das Gehalt zu rechtfertigen. Das Problem fängt in der Schule an, die immer noch nicht von allen Kindern besucht wird. 2007 besuchten nur 76,3 % der 20 % ärmsten Kinder und 93,6 % der 20 % reichsten Kinder zwischen 15 und 17 Jahren die Schule, trotz allgemeiner Schulpflicht. 1997 sah es noch schlechter aus, da waren es 55,7 bzw. 87,7 %! Eine erhebliche Verbesserung, aber nicht ausreichend, denn der Schulbesuch sagt nichts über das Ergebnis der Lehr- und Lernbemühungen aus. 2,1 Millionen der brasilianischen Schulkinder zwischen 7 und 14 Jahren können weder lesen noch schreiben. Dies ist die Verteilung nach dem Alter:

Prozentsatz der Kinder, die weder lesen noch schreiben können:
  • 8 Jahre: 92,4 % 
  • 9 Jahre: 89,6 %
  • 10 Jahre: 85,6 %
  • 11 Jahre: 81,3 %
  • 12 Jahre: 71,4 %
  • 13 Jahre: 57,9 %
  • 14 Jahre: 45,8 %
Hieraus rekrutieren sich die künftigen Hilfsarbeiter, Straßenwächter und Motoboys, die außer gesundem Menschenverstand nichts vorzuweisen haben. Wobei man der Gerechtigkeit halber sagen muß, dass die Schuld nicht immer bei den Betroffenen liegt, die Qualität unserer öffentlichen Grundschulen ist oft genug miserabel und der Weg zur Schule und zurück mühselig sowie die häuslichen Verhältnisse wenig stimulierend. Hier ist die Regierung gefragt, die weniger Almosen verteilen und mehr in die Ausbildung investieren sollte. 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen