Das habe sich schon viele frustrierte Exportleiter gefragt und dabei nicht bemerkt, daß die Antwort manchmal (aber nicht immer) durchaus in Deutschland zu suchen war. Dazu ein Beispiel aus dem "wahren Leben“:
Da bewirbt sich ein verzweifelter und verschuldeter Mensch bei einer deutschen Firma, weist auf sein eigenes Deutschsein hin, auf seine langjährige Brasilienerfahrung und auf seine brasilianische Frau, die in den USA studiert habe. Und so ein toller Mensch wird natürlich sofort als Vertreter verpflichtet. Aber leider hat er kein Geld, Kunden zu besuchen, denn sein altes Auto müßte vorher repariert werden und läuft leider nicht mit Wasser. Also zahlt die Firma einen Provisionsvorschuß. Und der Vertreter rennt los und weil er ja Geschäfte machen will, zu vierzig, fünfzig kleinen Firmen, denen er das Produkt anbietet. Leider, denn seine finanzielle Schieflage bedrängt ihn, solche Besuche ohne die richtige Vorbereitung zu machen und außerdem verwechselt er Quantität mit Qualität und Hänschen mit Hans. Und weil die kleinen Kunden natürlich nicht selbst importieren können oder wollen, geht der Vertreter dann auch auf Fragen ein, wie man den Import „vereinfachen“ oder „verbilligen“ könne, fliegt - auf Kosten der von ihm vertretenen Firma natürlich - nach Deutschland, um auf dem Rückweg die registrierungspflichtigen, aber natürlich nicht registrierten Gefahrenprodukte (!) mitzunehmen und zu hoffen, daß weder der Zollbeamte am Flughafen in Deutschland noch in Brasilien Fragen stellt. Und wenn dann die Ware - in Berlin von einer Spezialfirma entsprechend verpackt (Gefahrengut!) - endlich beim Vertreter ist, für den seine Firma noch Koffer kaufen mußte, kommt die Stornierung des Auftrages. Und das wiederholt sich dann dreimal. Um diese Aufträge, auch wenn sie sich nachher in Luft auflösten - überhaupt zu bekommen, hat unser fleißiger deutscher Vertreter viele, viele potentielle Kunden angeschrieben, auf Englisch. Weil man in Brasilien zwar Portugiesisch spricht, aber anders nicht gezeigt kann, daß das angetraute Eheweib in den USA Englisch gelernt hat. Und weil der Vertreter darauf und auf seine vielen gemachten (siehe die Anmerkung über Quantität und Qualität) Kontakte stolz ist, schickt er jede E-Mail in Kopie an seine Firma nach Deutschland, wo der Exportleiter und seine Mitarbeiter schier verzweifeln ob der Flut der E-Mails. Die natürlich nicht das gewünschte Resultat in Form von Aufträgen bringen. Und Nachfragen frustrieren jetzt wieder den Vertreter, der erstens ständig nach weiteren Vorschüssen (die wohl eher Zuschüsse sind) fragt und zweitens nicht versteht, daß Fleiß ohne Ergebnis nicht ausreichend ist, um eine Firma (und ihre Vertreter) am Leben zu halten.
Und die Moral dieser wahren Geschichte? Erstens, keine verzweifelten Überlebungskünstler einstellen, nur weil diese die Sprache der Mitarbeiter der zu vertretenden Firma sprechen und in ihrer Verzweiflung auf jede Bedingung eingehen. Zweitens, von jedem Vertreteraspiranten Referenzen und Branchenkenntnisse verlangen und diese auch prüfen. Drittens, vor Vertragsabschluß um einen Aktivitätenplan für die ersten zwölf Monate bitten mit Verkaufsprognose und, falls angebracht, Angabe der Zielkunden (z.B. bei Produkten aus dem Maschinen- und Anlagenbau mit wenigen potentiellen Abnehmern). Viertens auf jeden Fall Anweisungen an den Vertreter unterlassen und keine Berichtspflicht etablieren, um kein Arbeitsverhältnis zu schaffen, was bei einer Trennung teuer werden kann. Und fünftens (last, but not least) die Arbeitsergebnisse = Auftragseingang überwachen und den Vertreter wechseln, wenn die vermittelten Aufträge nicht der Erwartung und den vereinbarten Vorgaben entsprechen. Und dabei nicht vergessen, sich selbst gegenüber ehrlich zu sein, wenn die Ergebnisse auf sich warten lassen und zu fragen, ob man dem Vertreter, der alle Voraussetzungen mitgebracht hat, auch wirklich die nötige Unterstützung hat angedeihen lassen. Solche Unterstützung umfaßt u.a. Schulung, schnelle Erstellung von Angeboten, noch schnellere Beantwortung von Fragen des Vertreters, das Zurverfügungstellen von portugiesischen Produktunterlagen, vom Preis, den Funktionen und dem Aussehen her wettbewerbsfähige Produkte, die schnelle und möglichst lokale Lieferfähigkeit und unkompliziert verfügbaren guten Kundendienst.
Übrigens sollte man auch nicht vergessen, daß es auch in Brasilien ein Handelsvertretergesetz gibt und daß Klauseln mit dem Verzicht auf Abfindung bei Auflösung eines Vertretungsverhältnisses nicht verhindern, daß der Vertreter bei einer Klage trotz seiner Unterschrift unter der Verzichtserklärung Erfolg hat! Und wenn er zeigen kann, daß er die Marke im Lande bekanntgemacht und aufgebaut hat, wählen solche Vertriebs“partner“ durchaus auch den Klageweg, um dafür eine nachträgliche Vergütung von der einst vertretenen Firma zu bekommen. Also lieber - zumindestens anfänglich - nur ein zeitlich begrenztes Vertretungsverhältnis eingehen mit einer an Bedingungen gebundene Verlängerungsoption, aber - wenn man Zweifel hat - ohne automatische Verlängerung. Das sieht natürlich anders aus, wenn man den von der Konkurrenz umworbenen Starvertreter verpflichten möchte - aber der muß erst gefunden, umworben und dann abgeworben werden!
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17 April 2006
Was ist nur mit meinem Handelsvertreter in Brasilien los?
Engineer, consultor, author e.g. "Aus internationaler Praxis", "Wirtschaftsboom am Zuckerhut", "Facetten des Imports" in "Business Guide Brasilien", articles in "HardvardBusinessManager", "Fortschrittliche Betriebsführung und Industrial Engineering", entrepreneur and inventor
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