11 November 2010

DILMA ROUSSEFF ZUR PRÄSIDENTIN BRASILIENS GEWÄHLT

KATASTROPHE ODER KONTINUITÄT?
Am 31. Oktober wurde die bis vor kurzem der Bevölkerung weitgehend unbekannte Favoritin Lulas mit 56 % gewählt und bewies damit vorerst nur dessen überragende Rolle im Brasilien der Gegenwart und wohl auch der nahen Zukunft. Ob sich die glanzlose und wenig charismatische ehemalige Terroristin und Linksextremistin aus gutbürgerlichem Haus von diesem Einfluss freimachen kann, wird sich ab dem 1. Januar 2011 zeigen, wenn sie ihr Amt antritt. Wie es dann weitergeht, ist reine Spekulation, aber sicher wird Brasilien unter ihrer Führung nationalistischer werden und dem Einfluss des linken Flügels der Arbeiterpartei stärker ausgesetzt sein. Aber der Koalitionspartner PMDB, der den Vizepräsidenten Michael Temer stellt, wird schon aus ureigenem Interesse dafür sorgen, dass die ideologischen Bäume nicht in den Himmel wachsen und die bisherige vordergründig sehr erfolgreiche Wirtschaftspolitik weiter verfolgt wird. Die wirtschaftlichen Sachzwänge werden ein Übriges tun. Brasilien wird weiter überdurchschnittlich wachsen und hoffentlich unter der neuen Präsidentin, die einen sehr technokratischen Hintergrund hat, auch die überfälligen Reformen zu den Themen Steuern, Arbeitsgesetzgebung, Sozialversicherung, Gesundheitswesen, Wahlrecht, Parteienfinanzierung und Rechtsprechung endlich anpacken. Der mehr redegewaltige als tatkräftige Lula hatte diese weder gewollt noch geschafft. Weitere Herausforderungen, die auf Dilma Rousseff warten, sind der überstarke Real, die in vielen Gegenden weiterhin prekäre Infrastruktur, die zunehmend unkontrollierte Ausgabenwut der Öffentlichen Hand und das Unvermögen der Regierung, die durchaus vorhandenen Geldmittel sinnvoll und schnell für Investitionen einzusetzen. Die Fussballweltmeisterschaft, die Olympiade in Rio und die Rekordvorkommen an Erdöl und Erdgas im Meeresgrund – allerdings auch in Rekordtiefen – bieten der neuen Präsidentin aber auch Chancen zur Profilierung und dem Land die Möglichkeit, ganze Entwicklungsschritte einfach zu überspringen. Fazit: Brasilien lohnt sich auch 2011 und danach für deutsche Investoren!

PS: Wie Sie sehen, bin ich wieder zurück in Brasilien und schreibbereit!

2 Kommentare:

  1. Guten Tag Herr Naumann,

    seit über zwei Jahren verfolge und schätze Ich Ihren Blog. Nun möchte Ich Ihnen eine Frage stellen: "Glauben Sie, dass der Erfolg der deutschen Nationalmanschaft bei der WM irgendetwas mit der Arbeit des Bundestrainers Joachim Löw zu tun hat ? Oder geht alles auf das Konto von Vorgänger Jürgen Kliensmann ?"

    Ich denke, ähnlich ist es auch in der Politik. Ein Team, das über acht Jahre gute Ergebnisse erziehlt, hat Lob verdient. Auch in SaoPaulo sollte man zur Kenntnis nehmen, dass zur Demokratie eines entwickelten Landes dazugehört, dass die Armen etwas vom Kuchen abbekommen. In Deutschland gibt es zur Überraschung vieler Brasilianer seit Jahrzehnten ein breites Netz an Sozialhilfe. Und der Spitzensteuersatz ist mit 49% fast doppelt so hoch wie in Brasilien.

    Es ist für ausländische Investoren sicher wenig vertrauenseinflößend in Ihrem Blog zu lesen, dass nun eine Terroristin Brasilien regiert. Dabei gibt es genug positive Meldungen aus einem Land, das gerade den erstaunlichsten Aufschwung seiner Geschichte erlebt.

    Mit freundlichen Grüßen

    Andreas Maladinski

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  2. Lieber Herr Maladinski,

    ich schrieb "ehemaligeTerroristin" und das ist sie doch wohl, oder? Dass die Armen etwas vom Kuchen abhaben müssen, ist selbstverständlich. Dass das Team von Lula über 8 Jahre gute Ergebnisse erzielt hat, ist eine Aussage, die ich so nicht uneingeschränkt unterschreibe, denn KEINE Reform wurde durchgezogen, die KORRUPTION blüht und die Finanzen des Landes sind NICHT in Ordnung. Der Staatsapparat wurde AUFGEBLÄHT und ist nach wie vor bürokratisch, langsam und teuer. Lula hat einfach Glück gehabt mit der Weltwirtschaft und mit dem Termin seines Ausscheidens aus dem Amt, denn seine Nachfolgerin wird es nicht so leicht haben, denn sie hat tatsächlich eine unselige Erbschaft zu übernehmen. Nur hat das die Mehrzahl der Wähler nicht begriffen oder will es nicht wahrhaben.

    Ich bin gerne bereit, meine Aussagen zu revidieren, sollte unsere neue Präsidentin mich positiv überraschen.

    Vielen Dank für Ihren Kommentar und beste Grüsse,

    Karlheinz K. Naumann

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