"Leider ist das Steuersystem extrem kompliziert und mit über 55.000 Artikeln und Paragraphen sehr
unübersichtlich und reformbedürftig. Selbst die Verfassung, die auch Rechtsgrundlage ist, trägt
nicht viel zum Verständnis bei, weil sie seit Inkrafttreten 1988 bereits 60mal geändert wurde. Brasilien ist eben ein sehr „dynamisches“ Land.
Für die Unternehmensbesteuerung gibt es zwei Verfahren, nämlich die Gewinnermittlung auf Basis
des buchhalterisch ermittelten tatsächlichen Gewinnes (lucro real) und das vereinfachte Verfahren
der Gewinnermittlung aufgrund eines vermuteten Gewinnes (lucro presumido).
Tatsächlicher Gewinn
Die Körperschaftssteuer IRPJ beträgt 15 % des tatsächlichen Gewinnes, ab 240.000 R$ werden zusätzliche 10 % aufgeschlagen. Dazu kommt eine Gewinnabgabe CSLL in Höhe von 9 % des Gewinnes, d.h. bis 240.000 R$ Jahresgewinn fallen 24 % des tatsächlichen Gewinnes an, für Gewinne über 240.000 R$ sind es 34 %. Weiterhin müssen 1,65 % vom Bruttoumsatz als Sozialintegrationsabgabe PIS und 7,6 % vom Bruttoumsatz als Sozialversicherungsabgabe COFINS gezahlt werden.
Angenommener Gewinn
Diese Besteuerung steht allen Unternehmen, auch mit ausländischem Kapital, offen, die im Vorjahr weniger als 48 Mio. R$ umgesetzt haben und keine Finanzdienstleistungen erbringen, keine Einkünfte im Ausland erwirtschaften und keine Steuervergünstigungen in Anspruch nehmen. Der Regelsatz des geschätzten Gewinnes beträgt 8 % vom Bruttoumsatz (Dienstleistungsunternehmen: 32 %), darauf werden 15 bis 25 % IRPJ und 9 % CSSL bezahlt, dazu 0,65 % PIS und 3 % COFINS, diese Veranlagung ist also für sehr gewinnträchtige Unternehmen günstiger als die Versteuerung des tatsächlichen Gewinnes.
An indirekten Steuern gibt es:
- IPI (Industrieproduktsteuer, Bundeskompetenz): 0 bis 365 %, normal sind 12 % auf die Wertschöpfung und bei Importen
- ICMS (Warenumlaufsteuer, Landeskompetenz): 7 bis 25 % auf Umsätze mit Wirtschaftsgütern und auf Importen, innerstaatliche Transporte und Kommunikationsdienste
- ISS (Dienstleistungssteuer, Gemeindekompetenz): 2 bis 5 %, hängt von Gemeinde und Dienstleistung ab
- IOF (Kapitalverkehrssteuer, Bundeskompetenz): 0 bis 25 % auf Bank-, Finanz- und Versicherungsgeschäfte
- CPMF (Geldverkehrsabgabe, Bundeskompetenz): 0,38 % auf alle Kontoabgänge, wird direkt von der ausführenden Bank erhoben
- CIDE (Royaltieabgabe, Bundeskompetenz): 10 % auf Überweisungen ins Ausland für Technologietransfer, technische Dienstleistungen und Nutzungslizenzen
- Quellensteuer (Bundeskompetenz): 15 % auf Überweisungen ins Ausland für Darlehenszinsen und sonstige Leistungen sowie Royalties mit Technologietransfer, 25 % bei Royalties ohne Technologietransfer (in diesem Fall wird kein CIDE erhoben)
- II (Importzoll, Bundeskompetenz): meist 15 bis 20 % vom cif-Warenwert"
In der Zwischenzeit hat sich wenig geändert, an der Komplexität überhaupt nichts. 1988 erhielt Brasilien eine neue Verfassung, also vor 25 Jahren. Die fleissigen Abgeordneten habe laut dem Instituto brasileiro de planejamento tributário seitdem 4.785.194 neue Bundes-, Landes- und Kommunalerlasse, Verfassungszusätze etc. verfasst, nach denen sich der Bürger und sein Staat zu richten hat. Alleine im Steuerbereich wurden 309.147 Ausführungsbestimmungen veröffentlicht, die uns sagen, was wir tun dürfen und müssen und was nicht. Und jeden Tag kommen 31 neue Normen hinzu! Kein Wunder, dass Brasilien auf der Weltrangliste der Leichtigkeit, Geschäfte zu machen, auf Rang 159 von 189 liegt! Wie ich in meinem neuesten Vortrag schrieb, Brasilien ist kein Land für Anfänger oder Amateure!
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