26 Juni 2014

Krieg der Welten

nannte H. G. Wells sein 1898 publizierte Buch, welches dem heutigen Publikum wahrscheinlich mehr durch den Film von Spielberg mit Tom Cruise von 2005 bekannt ist. Darin geht es um Marsbewohner, die die Erde überfallen und mit denen keine Verständigung möglich war. So fremdartig, wie sich hier Marswesen und Erdlinge gegenüberstanden, so fremd stand wohl der Autor von SÃO PAULO - Willkommen in der Vorhölle der von ihm beschriebenen Stadt gegenüber. Eine Leseprobe: Wer in Lateinamerika Geschäfte machen will, kommt an dem Moloch São Paulo nicht vorbei. Es ist der wichtigste Außenposten der deutschen Wirtschaft, größer als New York oder Shanghai. Keiner will dort leben. Jeder will nur überleben. Benedikt Heid tut alles, um übersehen zu werden. Wenn der Lateinamerika-Chef des Heidelberger Dosiertechnikspezialisten Prominent morgens zur Arbeit fährt, dann steigt er nicht in eine Firmenlimousine, wie es ihm zustünde, sondern in einen unauffälligen Honda Civic. Der Sicherheit wegen. Wer in São Paulo Mercedes oder BMW fährt, fährt gepanzert. Alles andere wäre lebensgefährlich. Und selbst Heids kleiner Honda parkt nicht irgendwo, sondern hinter einer Sicherheitsschleuse, die in unseren Breitengraden Mitarbeitern von Geheimdiensten vorbehalten ist.

Ich wohne seit November 1978 in São Paulo und bin gerne hier. Ich habe auch einige Jahre in Mexiko-Stadt und in Johannesburg gewohnt und habe alle drei Orte bisher überlebt. Nicht, dass ich mich jemals bedroht gefühlt habe, auch wenn ich die Möglichkeit nicht verneine, dass man zu Schaden kommen kann. Aber in meiner Heimatstadt Berlin wurden schon U-Bahnbenutzer zu Tode geprügelt, in São Paulo noch nicht. Also, liebe Journalisten, seid nicht so negativ und so sensationsgierig, es gibt neben Schattenseiten auch viel Licht in São Paulo! Wie an allen anderen Orten dieser Welt. Und wenn ich so durch Deutschland fahre - heute von Bielefeld über Hannover nach Schweinfurt - und mir die kleinen, verträumten Dörfer ansehe, aus denen wohl manche von diesen Artikelschreibern kommen, dann ist es kein Wunder, dass Ihnen eine richtige Stadt, in die man Berlin, Hamburg und  München hineinpacken kann und immer noch ca. 12.000.000 Menschen benötigt, um die Einwohnerzahl von Groß - São Paulo zu erreichen, gefährlich und als Moloch erscheint. Also, lasst die Kirche im Dorf!

Und möchten Sie dort leben, wo an einer Autobahnraststätte darauf hingewiesen wird, dass beim Reifenwechsel nicht geschummelt wird, dass jährlich 90.000 LKW-Fahrer Opfer eines Überfalls werden und dass der Ort, an dem man sich befindet, videoüberwacht wird?


Sehen Sie, ich auch nicht! Aber da ich weiss, dass nicht alles so heiß gegessen wird wie es gekocht wurde, bin ich trotzdem gerne in Deutschland und habe keine Angst, wenn ich an der Autobahn tanke und einen Kaffee trinke. Bei dieser Gelegenheit sowieso nicht, weil einige Soldaten des ersten Jägerbatallions gerade an diese Tankstelle eine Pause einlegten. Sie spiegeln sich in der Glasscheibe des Warnplakates der Polizei.

Um nicht alle Journalisten über einen Kamm zu scheren, sei zum Schluss ein anderer Bericht mit der schönen Überschrift Offen für Hühnermagen ebenfalls zitiert: Tausende WM-Touristen aus Deutschland reisen durch Brasilien. Die Fanbetreuer sind überrascht, wie gut die DFB-Anhänger in dem Land trotz Sprachproblemen und beschwerlicher Anfahrtswege zurechtkommen. Die Fifa sieht sich sogar zu einer Entschuldigung gezwungen. ... Das "fußballverrückte Land" habe er sich ein wenig anders vorgestellt. Doch die Menschen seien sehr freundlich, von Gefahr für Leib und Leben habe er nichts gemerkt. Dabei sind die Warnungen für Besucher Brasiliens intensiver als für manch anderes Land. Wer all die Sicherheitstipps liest, könnte meinen, hinter jeder Palme stehe ein böser Bube. Die Fanbotschaft hat "praktische Hinweise" auf ein Kärtchen zum Mitnehmen gedruckt. Darunter: Smartphones möglichst nicht auf der Straße und in öffentlichen Verkehrsmitteln verwenden. Keine großen Geldscheine verwenden, wenn es in Bus oder Metro auch Kleingeld tut. Und: Keine Heldentaten und Diskussionen bei Überfällen. Laut Michael Gabriel, Chef der Fanbotschaft, haben sich bislang fünf Deutsche wegen Vorfällen bei einem Konsulat gemeldet. Opfer von kleinen Trickdiebstählen habe es etwas mehr als 20 gegeben. "Das sind überraschend wenig", findet Gabriel, "wir glauben, dass die Leute gut vorbereitet angereist sind." Danke, Herr Hummel, für die ausgewogene Berichterstattung! 

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