13 Dezember 2015

Wird die (brasilianische) Industrie noch eine Chance haben?

Diese Frage stellte José Roberto Mendonça de Barros im O ESTADO DE SÃO PAULO vom 13.12.2015. Seine Antworten zu dieser rhetorischen Frage sind interessant und decken sich mit meiner Meinung.


Zunächst macht er darauf aufmerksam, dass der IMF am 30.11.15 den Yuan oder  zum Währungskorb für Sonderziehungsrechte, der bisher aus US$, €, £ und ¥ bestand, hinzufügte. Er sieht darin ein Anzeichen, dass die Regierung der Volksrepublik China sich verstärkt dem Binnenmarkt widmen will und das künftige Wirtschaftswachstum nicht alleine vom Export abhängen soll. Er glaubt aber auch an einer Versorgung der Bevölkerung mit importierten Lebensmitteln, was für den brasilianischen Export äußerst wichtig ist. Zwischen Juni 2003 und November 2015 sind die Lebensmittelpreise in China um 110% gestiegen, während die Lebenshaltungskosten insgesamt nur um 45% wuchsen. Wer billige Lebensmittel importiert, gibt der Bevölkerung Gelegenheit, im Lande hergestellte Industrieprodukte zu kaufen und damit das Wachstum anzukurbeln.

Kurz danach, am 4.12.2015, verkündigte die OPEC, dass die Erdölproduktion der Mitgliedsstaaten nicht gedrosselt werden würde. Die Folge wird ein weiteres Absinken des Rohölpreises sein.

Dadurch wird die leidgeprüfte Petrobrás noch mehr unter Druck geraten. Dazu kommt, dass unser Erdöl weniger wert ist als die Brent-Qualität - als Brent zwischen Januar und Oktober diesen jahres 55 US$ pro Barrel kostete, erzielte das brasilianische Erdöl nur 43 US$ fob!











Der Preisverfall beim Eisenerz sieht ähnlich katastrophal für Brasilien aus. VALE und andere Bergbaufirmen in Brasilien merken dies deutlich und haben ihre Investitionspläne deutlich zurückgeschraubt.





Nur die landwirtschaftlichen commodities sind (noch) in einer besseren Situation; zwar haben auch sie an Wert verloren - aber vor allem durch den Kursanstieg des US$ gegenüber dem R$. Aber da die Nachfrage nach wie groß ist, auch und gerade die chinesische, konnten sich die R$-Preise auf einem guten Niveau halten. Und Soja ist, wie die Graphik zeigt, nach wie vor unser Zugpferd. 

Aber die industrielle Produktion? Um die ist es jeden Tag schlechter bestellt. Zum Beispiel ist sie bei den Investitionsgütern im Oktober 2015 gegenüber dem Vorjahresvergleichsmonat um mehr als 32% zurückgegangen. Per Oktober 2015 ist die Produktion gesamt, aller Sektoren, gegenüber dem Vorjahresvergleichsraum um 7,8% geschrumpft, die der langlebigen Konsumgüter um 17,2%, die der nicht haltbaren Konsumgüter um 7,2%, die der dazwischen liegenden Verbrauchsgüter um 4,5% und die der Investitionsgüter um erschreckende 24,5%!

Aber José Roberto Mendonça de Barros sieht Licht am Ende des Tunnels und erklärt dies mit seiner vierten Graphik.

In den letzten zwei Jahren hat sich nämlich der R$ gegenüber dem US$ um ca. 60% verbilligt, der Yuan aber nur um 6%. Mit anderen Worten, importierte chinesische Waren werden in Brasilien teurer und das bedeutet eine Chance für unsere brasilianischen Hersteller. Und hier geht es nicht nur um Endprodukte, sondern auch um Halbzeuge und Komponenten.

Bei modischer Kleidung würden die Chinesen außerdem den Wettbewerbsnachteil der langen Entfernung ihrer Fabriken zu den Endabnehmern in Brasilien spüren - denn Modeartikel unterliegen dem Wandel und wenn der Kundengeschmack sich ändert, muss der Hersteller sofort reagieren. Und das kann er nicht, wenn z.B. jahreszeitlich bedingte Kollektionen nur mit Verspätung in Brasilien verkauft werden können, weil der Transport so lange dauert, dass sich der Publikumsgeschmack bei Ankunft der Ware schon wieder geändert hat. Deshalb produzieren schon chinesische Fabrikanten in Brasilien und machen meine Wahlheimat zu ihrem Distributionszentrum für Südamerika.

Ein weiterer Lichtblick ist der ebenfalls wechselkursbedingte Exportanstieg - selbst multinationale Firmen exportieren in ihre Heimatländer, weil der brasilianische Binnenmarkt daniederliegt.

Und zu guter Letzt können wir uns darüber freuen, dass ein Konservativer die Präsidentschaftswahlen in Argentinien gewonnen hat und damit hoffentlich unser Nachbarland wieder in der Lage und willens ist, in Brasilien einzukaufen. In den letzten Jahren hat Brasilien durch die desaströse Wirtschaftspolitik zweier Damen, die leider als Präsidentin die Geschicke Argentiniens und Brasiliens in ihrer ungeschickten Hand hatten bzw. noch haben, mehr als 10 Mrd.US$ Exportgeschäft verloren.

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